% @incollection{jg_kl_1_schiller, % author = "Jacob Grimm", % title = "{R}ede auf {S}chiller", % booktitle = "Jacob Grimm. Kleinere Schriften 1. % (2.\,Auf{"|}lage, 1879) Reden und Abhandlungen. % Mit einem Vorwort von Otfrid Ehrismann", % publisher = "Olms -- Weidmann", % address = "Hildesheim / Z{\"{u}}rich / New York", % year = "1991", % pages ="[375]--399", % colophone = "Jacob Grimm und Wilhelm Grimm % Werke % Forschungsausgabe % Herausgegeben von % Ludwig Erich Schmitt % Abteilung I % Die Werke Jacob Grimms % Band 1 % Kleinere Schriften 1 (2. Auf{"|}lage, 1879) % Nach der Ausgabe % von Karl M{\"{u}}llenhoff und Eduard Ippel % neu herausgegeben von % Otfrid Ehrismann", % language = "German", % } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von Y. Nagata 21. M"arz 2003 % \titel{REDE AUF SCHILLER.} \untertitel{GEHALTEN IN DER FEIERLICHEN SITZUNG DER K"ONIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN AM 10 NOVEMBER 1859.} % REDE AUF SCHILLER. %S.[375] % GEHALTEN IN DER FEIERLICHEN SITZUNG DER K"ONIGLICHEN %S.[375] % AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN AM 10 NOVEMBER 1859. %S.[375] Als Petrarca vor schon f"unfhundert jahren von Frankreich %S.[375] aus zu C"oln, damals der gr"osten deutschen stadt, unsern boden %S.[375] betrat, zog ihn ein schauspiel an, wie es seine augen nirgendwo %S.[375] erblickt hatten. es war Johannesabend, er sah scharen des volks %S.[375] wallen an des Rheines ufer, zierlich gekleidete, mit kr"autern %S.[375] geg"urtete frauen ihre weiszen arme aufstreifen und zum strome %S.[375] tretend unter ges"angen oder leise gemurmelten spr"uchen diese %S.[375] kr"auter in die flut werfen. auf sein befragen erfuhr dann der %S.[375] fremde gast, es sei ein althergebrachter brauch, den man allj"ahrlich %S.[375] wiederhole, auch in k"unftigen zeiten nicht unterlassen %S.[375] d"urfe. dem volksglauben gelte f"ur wahr, dasz mit den eingeworfnen, %S.[375] Rheinab flieszenden kr"autern (und vermutlich waren %S.[375] dazu bestimmte auserlesen) alles unheil des n"achsten jahres weggeschwemmt %S.[375] werde. diese sch"one sitte, deren genaue schilderung %S.[375] uns entgeht, deren wirksame "ubung der welsche dichter %S.[375] vom Rhein auch nach der Tiber verpflanzt w"unschte, ist dennoch %S.[375] nachher, wie das meiste aus unsrer vorzeit erloschen; neue %S.[375] feste treten an die stelle der alten. welchen ausl"andischen %S.[375] mann nun heute sein weg durch Deutschland an einem oder %S.[375] dem andern ende gef"uhrt h"atte, seinem blick w"aren in allen oder %S.[375] fast allen st"adten festliche z"uge heiterer und geschm"uckter menschen %S.[375] begegnet, denen unter vorgetragnen fahnen auch ein pr"achtiges %S.[375] lied von der glocke erscholl, selbst dramatisch dargestellt %S.[375] wurde. der frohernste gesang, die gewaltige fassung, h"atte ihm %S.[375] jeder mund berichtet, sei von unsrer gr"oszten dichter einem, %S.376 dessen vor hundert jahren erfolgte geburt an diesem tage eingel"autet %S.376 und begangen werde. glocken brechen den donner und %S.376 verscheuchen das lange unwetter. ach k"onnte doch auch, wie %S.376 mit jenen blumen das unheil entflosz, an hehren festen alles %S.376 fortgel"autet werden, was der einheit unseres volkes sich entgegen %S.376 stemmt, deren es bedarf und die es begehrt! %S.376 Des unsterblichen s"angers uns schon in vorahnungen einigendes %S.376 andenken zu feiern ist die aufgabe. wer die geschichte %S.376 durchforscht musz die poesie als einen der m"achtigsten hebel %S.376 zur erh"ohung des menschengeschlechts, ja als wesentliches erfordernis %S.376 f"ur dessen aufschwung anerkennen. denn wenn jedes %S.376 volkes eigenth"umliche sprache der stamm ist, an dem alle seine %S.376 innersten kennzeichen sich darthun und entfalten, so geht ihm %S.376 erst in der dichtung die bl"ute seines wachsthums und gedeihens %S.376 auf. poesie ist das wodurch uns unsere sprache nicht nur lieb %S.376 und theuer, sondern woran sie uns auch fein und zart wird, ein %S.376 sich auf sie nieder setzender geistiger duft. eines volkes sprache, %S.376 welchem keine dichter auferstanden sind, stockt und beginnt allm"alich %S.376 zu welken, wie das volk selbst, dem solche begeistrung %S.376 nicht zu theil ward, zur"uckgesetzt und ohnm"achtig erscheint gegen"uber %S.376 den andern sich daran erfreuenden. der einzelne dichter %S.376 ist es also, in dem sich die volle natur des volks, welchem er %S.376 angeh"ort, ausdr"uckt, gleichsam einfleischt, als dessen genius %S.376 ihn die nachwelt anschauen wird, auf den wir mitlebenden aber %S.376 schon mit den fingern zeigen, weil er unsere herzen ger"uhrt, %S.376 unsern gedanken w"arme und k"uhlenden schatten verliehen, einen %S.376 des lebens geheimnisse aufdrehenden schl"ussel gereicht hat. diese %S.376 s"atze sind genau und nichts l"aszt sich davon abdingen, doch %S.376 ruht aller nachdruck im heimischen grund und boden, dem sich %S.376 kein auf ihm geborner mensch entzieht und den fremde fusztritte %S.376 entweihen. fremde dichter k"onnen uns lange gefallen, sie waren %S.376 aber immer noch nicht die rechten, und sobald der rechte in %S.376 unsrer mitte erschienen ist, m"ussen sie weichen. auf weltb"urgerlicher %S.376 stelle mag ich bewundern was das ausland, was das %S.376 alterthum erzeugte, von kindesbeinen an stehen uns griechische %S.376 und r"omische muster als mahner oder h"uter zur seite, sie dringen %S.376 uns das ungeheuchelte bekenntnis ab, dasz nichts dar"uber hinausgehe, %S.377 und doch f"uhlen wir unermeszliche zwischen ihnen und %S.377 den forderungen unsers eignen lebens zur"uckbleibende kluft. %S.377 einer unsrer alten dichter, als er eben die herlichkeit vergangner, %S.377 nie wiederkehrender zeit geschildert hat ruft aus: ich m"ochte %S.377 doch nicht dabei gewesen sein, wenn ich jetzt nicht w"are! damit %S.377 erkennt er das recht und den vorzug der gegenwart an, die %S.377 uns zu anderm hintreibt, zu anderm r"ustet und wafnet, durch %S.377 anderes erhebt und erst"arkt als die vergangenheit. wer wollte %S.377 den alten dichtern anh"angen, wenn er die neuen um sie m"uste %S.377 fahren lassen? %S.377 L"angst waren uns sprache und dichtkunst der eignen fr"uhen %S.377 vorzeit ausgestorben und nur tr"ummer sind davon "ubrig geblieben, %S.377 die lebensvollen gedichte des mittelalters dr"uckte tr"age vergessenheit; %S.377 als endlich der staub wieder von ihnen abgesch"uttelt %S.377 wurde, vermochten sie nicht mehr warm an das volk zu %S.377 treten, aus dessen augen das bild einer groszen einheimischen %S.377 poesie entschwunden gewesen w"are, h"atten es nicht pl"otzlich %S.377 zwei fast unmittelbar am horizont des vorigen jahrhunderts aufleuchtende %S.377 gestirne hergestellt und unsern stolz von neuem emporgerichtet. %S.377 ohne sie h"atte unsere literatur doch nur niedere %S.377 stufen einnehmen k"onnen, durch sie ist sie zu den h"ochsten %S.377 erhoben worden. nach langem ausruhen brachte die natur diese %S.377 beiden genien hervor, deren glanz sich "uber die grenzen ihres %S.377 vaterlandes, "uber das gesamte Europa ausbreitet, das ihnen %S.377 nichts mehr an die seite zu stellen hat; ihre werke sind bereits %S.377 vorgedrungen in alle sprachen, denen heute die macht lebendiger, %S.377 ausgebildeter rede beiwohnt. was braucht es mehr? %S.377 G"othe und Schiller stehen sich so nahe auf der erhabnen %S.377 stelle, die sie einnehmen, wie im leben selbst, das sie eng und %S.377 unaufl"oslich zusammen verband, dasz unm"oglich fiele in der %S.377 betrachtung sie von einander zu trennen. zwar geht G"othe an %S.377 alter seinem genosz um zehen jahre voraus und "uberlebte den %S.377 zu fr"uh geschiednen noch zwanzig jahre hin. nachdem, wie zu %S.377 geschehen pflegt, sie erst eine zeitlang sich nicht n"aher getreten %S.377 und fast aus dem wege gewichen waren, wurde ihr beisammensein %S.377 wiederum ein volles jahrzehend desto vertrauter und gewissermaszen %S.377 sich bedingend. hatte G"othe anfangs Schillers %S.378 treibende kraft gemieden, dieser in jenes ruhe sich nicht gleich %S.378 finden k"onnen, so "auszerten hernach beide in ergibigster fruchtbarkeit %S.378 ihrer werke begriffen, wechselsweise f"orderlichen, f"ur %S.378 unsere literatur den heilsamsten einflusz aufeinander. in vielem %S.378 einverstanden oder auch sich verst"andigend wandelte jeder von %S.378 ihnen seine eigne bahn, und je sichtbarer diese abwichen desto %S.378 mehr ist ihnen gelungen sich auf das erfreulichste auszuf"ullen %S.378 und zu erg"anzen. %S.378 Selten wol flieszen dem beobachter eines groszen dichterlebens %S.378 so nachhaltige und ungetr"ubte quellen wie f"ur sie beide. %S.378 nicht nur in ihren manigfachen werken ist eine f"ulle von aufschl"ussen %S.378 "uber das was sie bewegte enthalten, sondern ihre %S.378 briefe, die man der welt mit vollem fug nicht versagt hat, gew"ahren %S.378 die lautersten und willkommensten bekenntnisse. in %S.378 G"othes dichtung und wahrheit aus seinem leben, in dieser unvergleichlichen %S.378 selbstschilderung reihen sich kostbare nachrichten %S.378 "uber das von fr"uher jugend her erlebte an mittheilungen die er %S.378 uns von seinen freunden und bekannten macht, schade nur, dasz %S.378 sie gerade f"ur die zeit des engen bundes mit Schiller versiegen. %S.378 beide dichter in dem weiten umfang ihrer vielseitigen und unersch"opflichen %S.378 gaben sind sodann auch von einsichtigen m"annern %S.378 so fruchtbar verglichen und erwogen worden\footnote{am geistreichsten von Gervinus im f"unften bande, der krone seines werks.}, dasz es %S.378 schwer halten m"uste den ergebnissen solcher forschungen neues %S.378 oder wichtiges hinzu zu f"ugen, ihre gedichte sind uns nun so %S.378 gel"aufig, dasz unm"oglich w"are am heutigen tage schlagende %S.378 stellen aus ihnen anzuf"uhren, die nicht allerw"arts in mund oder %S.378 gedanken schwebten. nur darf eins dazu beherzigt werden. wie %S.378 bei genauer zergliederung jedes in seiner art vollkommnen und %S.378 musterhaften gegenstandes nothwendig einzelne unebenheiten und %S.378 m"angel erscheinen, wird auch der am edelsten und gl"ucklichsten %S.378 gebildete mann doch hin und wieder schw"achen kund geben und %S.378 selbst damit den wahrhaft menschlichen grund und beruf seines %S.378 lebendigsten wesens nicht verleugnen. diese fehler oder narben %S.378 pflegen aber allm"alich zur"uckzutreten und mit dem glanz seiner %S.378 vorragenden eigenschaften zu verwachen, so dasz sie der sch"onheit %S.379 und w"urde des ganzen weiter keinen abbruch thuend die %S.379 zutraulichkeit des uns vortretenden bildes noch ausb"undiger %S.379 machen. %S.379 Ohne zweifel "auszern landesart und in fr"uhen jugendjahren %S.379 eingesogne, um nicht zu sagen angeborne gew"ohnungen in dem %S.379 "ubringen leben unausl"oschliche wirkung; deshalb liegt es f"ur die %S.379 n"ahere beleuchtung der eigenth"umlichkeit beider dichter nicht %S.379 ab von einem landschaftlichen unterschied auszugehn. Riehl in %S.379 seinem sch"onen buche von den Pf"alzern, in welchen er fr"ankisches %S.379 und alemannisches blut, doch mit vorgewicht des ersten, %S.379 gemischt findet und absondert, hat den heutigen Franken f"ur %S.379 r"uhrig, geschmeidig, lebensklug erkl"art, den Alemannen, von %S.379 Schwaben bis in die Schweiz hinein, f"ur stolz, trotzig, gr"ubelnd, %S.379 demokratisch. nun erscheint uns auch Schiller ein empfindsamer, %S.379 phantasiereicher, freidenkender Schwab, G"othe ein Franke mild, %S.379 gemessen, heiter, strebsam, der tiefsten bildung offen. man darf %S.379 weiter gehen und diese beiw"orter zun"achst noch in andere %S.379 ihnen entsprechende oder verwandte umsetzen, jenen sehen wir %S.379 dem sentimentalen, dramatischen element, diesen hingegen dem %S.379 naiven und epischen zugewandt, Schiller wird idealistisch, %S.379 G"othe realistisch gesinnt, Schiller farbiger, G"othe einfacher %S.379 heiszen d"urfen und sollte hier einmal eine "ahnlichkeit aus unsrer %S.379 "alteren poesie anschlagen, so w"urde sich G"othes kristallene klarheit %S.379 mit Gotfrieds von Straszburg, Schillers geistiger aufflug %S.379 mit dem Wolframs von Eschenbach wol vergleichen lassen. %S.379 bedeutsam aber und aufs gl"ucklichste vermittelnd war, dasz sie %S.379 beide nach Th"uringen gezogen wurden und in diesem mehr als %S.379 sonst ein andres deutsches freundlichen und anmutenden lande %S.379 ihr leben zubrachten, gerade wie schon im mittelalter der th"uringische %S.379 hof deutsche s"anger aller gegenden um sich versammelt, %S.379 in schutz und pflege genommen hatte. sodann erkl"art %S.379 sich, warum in S"uddeutschland Schillers, besonders die fr"uheren %S.379 gedichte groszen anklang, die von G"othe ausgedehnteren beifall %S.379 im mittleren und n"ordlichen theile fanden, eigentlich aber %S.379 wurde die poesie beider dichter zusammen bald die wohlth"atigste %S.379 einung aller enden des volks, ein wahrer schluszstein f"ur die %S.379 l"angst entschiedne fortan unab"anderliche herschaft des hochdeutschen %S.380 dialects. in hochdeutscher sprache geht gewissermaszen %S.380 auf was in den "ubrigen mundarten sich entgegentrat, und in %S.380 G"othes und Schillers gedichten sind ja auch die eben an ihnen %S.380 wahrgenommnen gegens"atze vielfach geschwunden, so dasz, andere %S.380 schriftsteller hinzugehalten, dieser naiv und jener ideal erscheinen %S.380 musz. %S.380 Wie ersch"uttert und aufger"uht von den manigfaltigsten eindr"ucken %S.380 des "auszeren lebens, von den inneren regungen der %S.380 literatur war die zeit, in welcher diese dichter, jung und freudig, %S.380 ihre schwingen entfalteten und empor hoben. unser darauf gefolgtes %S.380 geschlecht, wahr ists, hat schwerere und gr"oszere tage %S.380 gesehn, wir waren gebeugt unter feindes joch und unser nacke %S.380 gieng wieder frei daraus hervor, unsere geschicke liegen unerf"ullt, %S.380 aber wir stehen gest"arkt und schauen in zuversicht dem %S.380 k"unftigen entgegen. damals im zweiten theil des vorigen jahrhunderts %S.380 lebten alle gem"uter noch sorglos auf schwankender %S.380 decke der erwartungen, auf flutender see heiszer, unsicherer %S.380 w"unsche. noch unverhallt war der jubel, dasz Preuszens groszer %S.380 k"onig die "uberm"utigen zu paren getrieben und Deutschlands %S.380 eigne kraft lebendig behauptet hatte; dann trat die befreiung %S.380 Amerikas dazwischen, von Frankreich her am fernen himmel %S.380 und immer n"aher begann der donner seiner umw"alzungen zu %S.380 rollen. in der literatur war auf den enthusiastischen klopstockischen %S.380 zeitraum, der unsrer sprache adel und selbstvertrauen eingehaucht, %S.380 doch mit dem erhabnen zu verschwenderisch haus gehalten %S.380 hatte, Lessings tiefere einwirkung erfolgt, vor der eine %S.380 schar von verj"ahrten irrth"umern die segel streichen muste, die %S.380 geistige unabh"angigkeit des volks war von grund aus neu gefestigt, %S.380 auf die lauterkeit des classischen studiums und zugleich %S.380 auf das heimische alterthum gedrungen, wenn auch nicht mit %S.380 zureichenden mitteln. die bekanntschaft mit Shakespeare, die %S.380 verdeutschung Homers, die entdeckung Ossians steigerte und %S.380 verbreitete auf weg und steg einen "uberstr"omenden wechsel %S.380 aller eindr"ucke, Kants m"annlichstrenge philosophie fieng an die %S.380 empf"angliche jugend auch wieder abzutrocknen und ernst zu %S.380 stimmen. als nun G"othe und nicht lange hernach Schiller im %S.380 eigentlichen sinne dieses sch"onen worts erschienen und unter %S.381 uns wandelten, zeigte sich wohin ihr fusz getreten war, lebendige %S.381 spur; diese kraft war noch unb"andig und ungeheuer, sie %S.381 begann sich bei G"othe bald, bei Schiller langsam zu beschwichtigen %S.381 und dann je l"anger je mehr ungeahnte wunder auszurichten. %S.381 das aber war vom ersten ihrer erzeugnisse an nicht zu verkennen %S.381 und wurde bis in ihre letzten fortgef"uhlt, dasz hier reichthum %S.381 der gedanken, w"arme der empfindung, leichtigkeit des auffassens %S.381 und auszerordentliche, vorher noch gar nicht dagewesene sprachgewalt %S.381 zusammentrafen. %S.381 Wir r"uhren wieder die uralten zwei hauptgattungen der %S.381 poesie an, in welchen sie sich neue bahn zu brechen hatten, %S.381 epos und drama, denn von der lyrischen dichtung, deren quelle %S.381 sich zu keiner zeit stopfen liesz, wird weniger zu reden n"othig %S.381 sein. nun ist es wahr, dasz der durchsichtige, nie still stehende %S.381 flusz eines gewaltigen ereignisses, von dem einmal das volk durchdrungen %S.381 gewesen sein muste, hinter welchem strom der dichter %S.381 ganz verschwindet, unsrer neuen zeit viel weniger zusagt. in %S.381 dem drama tritt uns die begebenheit selbst unmittelbar und leibhaftig %S.381 vor augen, so jedoch dasz sie nicht einfach einher schreite, %S.381 sondern mit und aus allen innern, sich sonst bergenden triebfedern %S.381 enth"ullt werde, d. h. sie musz gesch"urzt sein und l"osung %S.381 empfangen. in solchem sch"urzen oder verflechten liegt eben der %S.381 ganze reiz der handlung, sei es dasz der knote aus einander %S.381 entwirrt oder von der hand des schicksals durchhauen werde, %S.381 die dramatische verflechtung ist es, die den zuschauer einnimmt %S.381 und seiner selbst vergessen macht, ohne sie w"urde er gar nicht %S.381 in spannung gerathen noch darin dauern. hinter jeder rolle %S.381 steckt und steht aber der dichter. %S.381 Es sei gestattet einen augenblick und ganz kurz den blick %S.381 r"uckw"arts nicht weiter als in den beginn des vorigen jahrhunderts %S.381 zu richten. wenn man Gellerts poesielose Orgons und %S.381 Damonsst"ucke liest (und ich lese sie schon der sauber gehaltenen %S.381 sprache wegen nicht ohne vergn"ugen), so zeigt sich darin, %S.381 selbst in seinen sch"aferspielen, dramatisches geschick. vollen %S.381 gegensatz zu ihm macht Klopstock, dieser geniale dichter konnte %S.381 sich nie aus dem pathos losreiszen und seine biblischen trauerspiele %S.381 wie die Hermannschlacht sind immer undramatisch, die %S.382 gemiedenen verse statt der gew"ahlten prosa, woneben er unaufh"orlich %S.382 oden einschaltet, w"urden ihm weniger hinderlich sein. %S.382 die Hermannschlacht gemahnt dennoch zuweilen an G"othes G"otz, %S.382 dem sie nur ein paar jahre vorausgieng. desto entschiedner und %S.382 von eingreifender, hinhaltender wirkung ist Lessings hohe gabe, %S.382 bei ihm sind nicht blosz funken, die flamme des drama gl"uht %S.382 bis herab auf seine unnachahmlichen bedienten und zofenrollen, %S.382 die er so fein aus dem leben greift, w"ahrend in Minna, Emilia %S.382 und im Nathan durchgehends eine bisher unerh"orte kraft der %S.382 verwicklung bewundert werden musz. sichtbar zu sehen ist %S.382 schon in Schillers Fiesko einflusz der Emilia, noch st"arkern %S.382 hatte Nathan auf don Carlos, das erste von Schiller in versen %S.382 geschriebne st"uck, und diese verse, so weit hinter den fl"ussigen %S.382 der braut von Messina sie bleiben, sind doch betr"achtlich besser %S.382 gebaut als die lessingischen. an sich aber that seiner ausnehmenden %S.382 dramatischen begabung gleich von anfang an die prosaische %S.382 form weder in den r"aubern noch in kabale und liebe %S.382 den geringsten eintrag; in allen trag"odien, die er dichtete, liegt %S.382 sie eben so ungeschw"acht am tage, ja der von ihm widerwillig %S.382 vollendete, vielmehr liegen gelassene roman des geistersehers %S.382 erregt durchgehends anhaltende drastische spannung. man kann %S.382 nur sagen, dasz Schiller im Wallenstein, zumal dem lager, hernach %S.382 im Tell die h"ochsten ziele erreichte und wahre befriedigung %S.382 zu wege bringt; nicht ganz gleich stehen ihnen Maria %S.382 Stuart, die jungfrau und die feindlichen br"uder, zum theil aus %S.382 gr"unden, die hier uner"ortert bleiben m"ussen; es ist kein zufall %S.382 (wie der freilich grosze, dasz er auf einen und denselben tag %S.382 mit Luther geboren war), dasz auch ohne es zu wissen, noch %S.382 darauf auszugehn, die einheimischen stoffe ihm allermeist, minder %S.382 die aus fremder geschichte entlehnten gelangen. f"ur kom"odie %S.382 zeigte er weder neigung noch beruf, er war vollkommen ein %S.382 tragischer dichter. was aus seinen unvollendet hinterlassenen, %S.382 fast nur entworfnen st"ucken, dem Demetrius, Warbeck und %S.382 den Maltesern geworden w"are, steht kaum zu ermessen, nach %S.382 dem eben vom deutschen stoffe gesagten, nach der langsamkeit, %S.382 womit er "uber diesen entw"urfen br"utete, aber l"aszt sich annehmen, %S.382 dasz uns weit ein gr"oszerer verlust betroffen h"atte, %S.383 wenn Wallenstein liegen geblieben w"are. %S.383 Zum Wallenstein hat ihn auch G"othe mit rath und that %S.383 ermuntert, wie er ihn nachher bei allen seinen sp"ateren arbeiten %S.383 unterst"utzte. dieser m"achtige geist, dessen "uberlegenheit zu %S.383 f"uhlen und anzuerkennen Schillern gar nichts kostete, so sehr %S.383 ihm anlag seine eigne, besondere natur fest zu halten, war von %S.383 grund aus ein andrer, verschiedner. G"othe gab sich lieber der %S.383 behaglichen erz"ahlung hin, als dasz es ihn auf tragische anh"ohen %S.383 getrieben h"atte und selbst in seinen dramen, die einem solchen %S.383 ausgang entgegen gef"uhrt werden, h"ort man nicht so oft den %S.383 boden sch"uttern und dem schlusse nahe das geb"alk der fabel %S.383 erkrachen, als es der trag"odie gem"asz gewesen w"are. schon %S.383 im G"otz, der ersten aller seiner groszen conceptionen, die los %S.383 gelassen ist und ungez"ahmt gleich den r"aubern, wohnt viel ein %S.383 milderes, sch"oneres masz, und drei oder vier umarbeitungen, %S.383 die der dichter zu verschiedner zeit damit vornahm, um das %S.383 werk b"uhnengerecht zu machen, dieser fortgesetzte, jedesmal %S.383 anziehende versuch des umgieszens bezeugt es, wie schwer %S.383 G"othe von den undramatischen bestandtheilen abliesz, deren das %S.383 st"uck voll war, das sich auch nicht auf den bretern behaupten %S.383 konnte. nicht eben anders sind im Egmont, den Schiller einmal %S.383 unschonend f"ur das theater zuschnitt, die auftritte aneinander %S.383 gereiht, und Tasso, an empfindungen des dichters so reich und %S.383 in dessen innerstes blicke werfend, hat nur schwach wirkende %S.383 dramatische handlung, in der Iphigenie ist sie bedeutender und %S.383 wie mild gl"anzt der dichtung schlusz. in der Eugenie hingegen %S.383 folgen die einzelnen scenen unverflochten hintereinander und kein %S.383 anderes werk G"othes ist k"alter aufgenommen worden, obschon %S.383 es die f"ulle von wahren betrachtungen und empfindungen "uber %S.383 die weltlage enth"alt, es sollte weiter fortspinnen und der plan %S.383 liegt uns vor, die ausf"uhrung unterblieb; einige kleinere, "altere %S.383 st"ucke, die mitschuldigen oder die geschwister sind dramatischer %S.383 entwickelt. ganz seinem epischen trieb "uberliesz sich G"othe in %S.383 Hermann und Dorothea oder selbst im Reineke, welchem das %S.383 gangbare niederdeutsche gedicht "uberall grundlage bot; unausf"uhrbares %S.383 zu wagen war sonst des dichters sache nicht, nur %S.384 dasz er eine Achilleis begann, die beim ersten gesang stehen %S.384 geblieben ist und von der man sagte, dasz sie keinen vers enthalte, %S.384 den Homer h"atte k"onnen brauchen, auch eine fr"uher gewollte %S.384 Nausikaa kam nicht zum ersten angrif. von Schiller ist %S.384 zwar berichtet, dasz er epische gedichte zu versuchen gedachte, %S.384 bald Friedrich den groszen, hernach Gustav Adolf besingen %S.384 wollte, er hat nicht einmal hand angelegt, wol aber nicht unterlassen %S.384 seinen freund zu Hermann und Wilhelm Meister aufzumuntern, %S.384 "uber dessen anlage und abfassung der briefwechsel %S.384 beider dichter reichliche mittheilung enth"alt. was soll man %S.384 von dem groszartigsten aller gedichte G"othes "uberhaupt sagen, %S.384 das zu gewaltig ist, um in irgend einen andern rahmen zu %S.384 gehen? ich meine Fausts ersten theil, den er selbst nicht zu vollenden %S.384 vermochte, wie er begonnen war, und welchen die fernste %S.384 nachwelt anstaunen wird; f"ur ihn gibt es keine regel als die %S.384 selbeigne, in ihm mangeln auch h"ohere dramatische kunst und %S.384 vollendung nicht. es ist aber auch einzusehen, dasz in den %S.384 g"othischen romanen, an die wiederum ihr eigner maszstab will %S.384 gelegt sein, namentlich im Meister und in den wahlverwandtschaften, %S.384 die erz"ahlung von kunstreich und lebendig, beinahe %S.384 wie im drama waltenden elementen gest"utzt und getragen groszen %S.384 aufwand und gelenksamkeit der verwickelungen entfaltet, obschon %S.384 ein epischer ton vorherscht, von dessen anmut in Schillers %S.384 geisterseher so gut wie gar nichts zu sp"uren war. vorhin %S.384 wurde in Schiller der sentimentale, in G"othe der naive zug angenommen, %S.384 womit zusammenh"angen d"urfte, dasz jenem im voraus %S.384 die darstellung von m"annern, diesem die der frauen gelingt, %S.384 eben weil die frau gern naiv oder nach Kants ausdruck empfindlich %S.384 bleibt, der mann leicht empfindsam wird. mit Gretchen, %S.384 K"athchen, der Mignon und Ottilie l"aszt sich nichts bei Schiller %S.384 vergleichen, der hoch die w"urde der frauen sang, wogegen %S.384 G"othes Egmont, Brackenburg, Meister, Eduard schw"achere naturen %S.384 sind als Wallenstein und Tell. daher r"uhrt, dasz frauen %S.384 st"arker von Schillers m"annern, m"anner von G"othes frauen sich %S.384 angezogen f"uhlen. "uberhaupt betrachtet erscheint das tragische %S.384 talent in Schiller entschiedner und gr"oszer als in G"othe, der %S.385 vielleicht, wenn er sie h"atte anbauen wollen, zur kom"odie bedeutendes %S.385 geschick gehabt h"atte. %S.385 Bei G"othe "uberwog die anziehungskraft der natur und er %S.385 hat auf pflanzen, steine, thiere und auf die physiologie insgemein %S.385 lange, ernste studien gerichtet, die farbenlehre muste ihn %S.385 mitten unter philosophen und naturforscher leiten, die hier seinen %S.385 beobachtungen und ergebnissen fast zu wenig einr"aumen. Schiller %S.385 dagegen, obgleich er anfangs medicin studiert und getrieben %S.385 hatte, was nicht ohne einflusz auf seine entwicklung blieb, f"uhlte %S.385 sich zu geschichte, politik und zu philosophischem nachdenken %S.385 aufgelegt. der geschichte f"uhrte ihn schon seine "auszere stellung %S.385 nachher in Jena entgegen und beim Fiesco, Carlos, Wallenstein %S.385 und den meisten "ubrigen dramen hatte es vielfacher %S.385 historischer forschung bedurft; es ist wahr, dasz er gern wieder %S.385 davon abbrach, sobald das n"othige erlangt war und er ausschlieszlich %S.385 zur dramatischen arbeit selbst zur"ucklenken konnte. %S.385 die historische schule gesteht ihm in ihrem fach nichts eigenth"umliches %S.385 von werth und gehalt zu, ist aber doch nachzugeben %S.385 gezwungen, dasz eben durch ihn in Deutschland der geschichtliche %S.385 vortrag lebendiger und dasz dem groszen publicum vorher %S.385 wenig bekannte gegenst"ande, die begebenheiten des abfalls der %S.385 Niederlande und des dreiszigj"ahrigen krieges nunmehr gel"aufiger %S.385 wurden, was sodann auch gr"undliche forschung anderer gelehrten %S.385 zur folge haben muste. Gr"uner in seinem briefwechsel mit G"othe %S.385 erz"ahlt, dasz er diesem einmal den dreiszigj"ahrigen krieg habe %S.385 leihen m"ussen, hernach ihn bis zu thr"anen dar"uber bewegt angetroffen %S.385 habe: durch erneute lesung des buchs mochte das andenken %S.385 an den verstorbnen freund "uberaus lebhaft erregt worden %S.385 sein. bemerkenswerth ist, welchen unverwischbaren eindruck die %S.385 dramatische auspr"agung historischer gestalten "uberhaupt hinterl"aszt, %S.385 so wie Shakspeare englische k"onige, Schiller Wallenstein, %S.385 Tell, Maria, Johanna dargestellt haben, haften sie in der leute %S.385 gedanken, allen erinnerungen der geschichtsforscher zum trotz. %S.385 die eingebung des dichters schreitet "uber diese hinaus und es %S.385 kann nicht anders sein, auch die griechischen tragiker haben %S.385 gewalt "uber das was wirklich geschah und geben uns gleichsam %S.386 eine verkl"arte, h"ohere wahrheit. %S.386 Das gebiet der philosophie beschritt Schiller, nachdem ihm %S.386 schon fr"uher Spinoza zu thun gemacht hatte, mit gr"oszerem eindruck %S.386 und erfolg, seit, wie bereits oben erw"ahnt wurde, Kants %S.386 lehren sich immer st"arker bahn brachen, namentlich in Jena %S.386 durch Reinhold verbreitet waren. die kritik der "asthetischen %S.386 urtheilskraft veranlaszte Schillers briefe "uber die "asthetische erziehung %S.386 des menschen und hernach die sch"one abhandlung "uber %S.386 naive und sentimentale dichtkunst, worin, was bereits Gervinus %S.386 angemerkt hat, der volle gehalt des bald darauf herschend werdenden %S.386 unterschieds zwischen classischer und romantischer poesie %S.386 steckte. diese bedeutungsvollen, von lebhafter denkkraft zeugenden %S.386 grundlagen lieszen sich gern auf anwendungen, wie sie nur %S.386 der dichter machen konnte, ein, sie waren es, die G"othes aufmerksamkeit %S.386 nicht entgiengen und den engen bund beider m"anner %S.386 heranf"uhrten. Schiller, dem es nicht an Kants ger"uste gen"ugte, %S.386 strebte dessen abstractionen objectiver zu machen und die reine %S.386 speculation auch mit den stoffen und formen zu paaren; diese %S.386 ergebnisse wurden sein v"olliges eigenthum und giengen weiter %S.386 als der K"onigsberger weltweise vordringen konnte, der ohne %S.386 eigentliche und genaue bekanntschaft mit den dichtern war. %S.386 poesie und philosophie, finde ich, haben ein groszes merkmal %S.386 zusammen gemein, das dasz sie werkzeug und ausr"ustung bei %S.386 sich selber tragen, nicht wie andere wissenschaften erst auf %S.386 "auszere quellen und vorg"anger zur"uckzuschauen brauchen. jeder %S.386 wahre philosoph musz immer von vornen anfangen, sein system %S.386 auf eigene hand und unterlage errichten, ohne die es bald wanken %S.386 und zusammenbrechen w"urde; der dichter hat nicht lange %S.386 vorbereitung n"othig, keine buchgelehrsamkeit noch zulieferung, %S.386 pl"otzlich hebt er seine stimme und aus seiner kehle schallt was %S.386 ihm der genius eingab, ihm mag das erste, zweite und alsobald %S.386 das dritte examen geschenkt werden, damit nicht die pr"ufer %S.386 vor dem gepr"uften den k"urzern ziehen m"ussen. neben dieser %S.386 wesentlichen unmittelbarkeit und dem autokratorischen gehalt aller %S.386 dichterischen und philosophischen sch"opfungen erscheint aber %S.386 der wichtige unterschied, dasz dem dichter auch eine sofortige %S.387 einwirkung auf das volk zusteht, dem philosoph nur eine langsamere %S.387 gestattet ist. denn jener geht gerades weges auf das %S.387 gem"ut der einzelnen los, die philosophische lehre hat gleichsam %S.387 erst zwischenr"aume zu durchdringen und l"auft gefahr, sich in %S.387 zunftm"aszigem dogmatismus unterdessen abzuschw"achen. auch %S.387 dichterschulen entspringen, sind aber stets ohne nachhaltigen %S.387 einflusz und nach "uberstandener langweile fast unsch"adlich geblieben. %S.387 Aristoteles, der harte kopf, wurde noch bis in das %S.387 mittelalter hinein von den m"onchen gelesen, welche frucht durfte %S.387 er damals bringen? besser, den sie nicht mehr fassen konnten, %S.387 er w"are vollends aus ihrer hand geblieben zu einer zeit, wo %S.387 Homer und die griechischen tragiker in langem, dumpfem %S.387 schlummer lagen, der beim wiedererwachen der classiker ihrer %S.387 ewigen frische nichts benahm. %S.387 Vielfach ist der glaube unsrer beiden groszen dichter schn"ode %S.387 verd"achtigt und angegriffen worden von seiten solcher, welchen %S.387 die religion statt zu beseligendem friede zu unaufh"orlichem %S.387 hader und hasz gereicht. zu den tagen der dichter war die duldung %S.387 gr"oszer als heute. welche verwegenheit heiszt es, dem %S.387 der blinder gl"aubigkeit anheim fiel oder sich ihr nicht gefangen %S.387 gab, fr"ommigkeit einzur"aumen und abzusprechen; der nat"urliche %S.387 mensch hat, wie ein doppeltes blut, adern des glaubens und %S.387 des zweifels in sich, die heute oder morgen bald st"arker bald %S.387 schw"acher schlagen. wenn glaubensf"ahigkeit eine leiter ist, auf %S.387 deren sprossen empor und hinunter, zum himmel oder zur erde %S.387 gestiegen wird, so kann und darf die menschliche seele auf %S.387 jeder dieser staffeln rasten. in welcher brust w"aren nicht herzqu"alende %S.387 gedanken an leben und tod, beginn und ende der %S.387 zeiten und "uber die unbegreiflichkeit aller g"ottlichen dinge aufgestiegen %S.387 und wer h"atte nicht auch mit andern mitteln ruhe sich %S.387 zu verschaffen gesucht, als denen die uns die kirche an hand %S.387 reicht? jedermann weisz dasz Lessing, sich aus den bedenken windend, %S.387 oft ganz unverhalten redet, auf ihn geht die bezeichnung %S.387 eines freigeistes oder freidenkenden vollkommen so r"uhmlich als %S.387 zutreffend, da sie ihrem wortsinne nach etwas edles und der %S.387 natur des menschen w"urdiges ausdr"ucken, dem mit freien, %S.387 unverbundenen augen vor die geheimnisse der welt und des %S.388 glaubens zu treten geziemt. warum verkehren und verunstalten %S.388 sich doch die besten, reinsten w"orter! G"othe hat sich an zahllosen %S.388 stellen, die hier nicht auszuw"ahlen w"aren, zumeist im Faust, %S.388 "uber die h"ohen und tiefen unseres daseins mit voller k"uhnheit %S.388 dargegeben, anderemal wo es der zweck seiner mittheilungen %S.388 erbrachte, scheu und behutsam, sein Meister birgt sch"atze von %S.388 enth"ullungen in kr"aftiger und bl"asserer dinte geschrieben; man %S.388 musz von sich selbst abtr"unnig geworden sein, um wie Stolberg %S.388 solch ein buch, nach ausschnitt der bekenntnisse einer sch"onen %S.388 seele, fanatisch den flammen zu "uberliefern. aus stellen des %S.388 dramatischen dichters l"aszt sich ja eigentlich kein beweis gegen %S.388 ihn selbst sch"opfen, weil er in rolle der verschiedensten personen %S.388 redet, deren gesinnung er uns aufdecken will, in die er sich %S.388 versenkt hat, und warum sollte einen dichter nicht auch sonst %S.388 lust oder bed"urfnis anwandeln sich in empfindungen andrer menschen %S.388 zu versetzsen, die lange noch nicht selbst seine eignen %S.388 sind, dann aber auch nah an diese streifen? in den drei worten %S.388 des glaubens und den drei worten des wahns l"aszt Schiller unverschleierte %S.388 blicke in sein innerstes werfen, schmerzhaft elegische %S.388 t"one besingen die g"otter Griechenlands und den untergang der %S.388 alten welt, w"ahrend der eisenhammer und der graf von Habsburg %S.388 sich auch in die wunder der christlichen kirche finden. %S.388 doch hat ihm diese liebevolle hingabe an den gegenstand nirgends %S.388 den freien weg seiner gedanken verschlagen, im gegensatz %S.388 zu philosophen die sich darauf einlassen die lehre der %S.388 offenbarung mit ihrem eignen system zu verschmelzen und %S.388 dann verlorne leute sind. unter der "uberschrift `mein glaube' %S.388 dichtete Schiller: %S.388 \begin{verse} welche religion ich bekenne? `keine von allen, \\ %S.388 die du mir nennst'. und warum keine? `aus religion'. %S.388 \end{verse} die religion lebt in ihm und die lebendige ist auch die wahre, %S.388 vor ihr kann nicht einmal von rechtgl"aubigkeit die rede sein, %S.388 weil scharfgenommen alle spitzen des glaubens sich spalten und %S.388 in abweichungen "ubergehen. aus m"annern deren herz voll liebe %S.388 schlug, in denen jede faser zart und innig empfand, wie k"onnte %S.388 gekommen sein, das gottlos w"are? mir wenigstens scheinen sie %S.388 fr"ommer als vermeinte rechtgl"aubige, die ungl"aubig sind an das %S.389 ihn immer n"aher zu gott leitende edle und freie im menschen. %S.389 Nicht anders und fast ebenso wird es um die vorw"urfe %S.389 stehen, die man wider die vaterlandsliebe und politische reife %S.389 der beiden dichter ausstreut. Schillers feurige jugend h"atte gern %S.389 auch in die r"ader des raschen lebens mit eingegriffen und er %S.389 f"uhlte sich gleich vielen andern seiner zeit vom ausbruch der %S.389 franz"osischen bewegung entz"undet; seine r"auber, sein Fiesco gl"uhten %S.389 schon fr"uher f"ur freiheit und menschenwol, im Posa, der den %S.389 held des st"uckes "uberfl"ugelte, steht sein damaliges weltideal. als %S.389 sein geist sich gekl"art und gek"uhlt hatte, sehen wir ihn allerw"arts %S.389 f"ur ordnung und vaterland begeistert in die schranken treten: %S.389 \begin{verse} heilge ordnung, segensreiche \\ %S.389 himmelstochter, die das gleiche \\ %S.389 frei und leicht und freudig bindet, \\ %S.389 die der st"adte bau gegr"undet, \\ %S.389 die herein von den gefilden \\ %S.389 rief den ungesellgen wilden, \\ %S.389 eintrat in der menschen h"utten, \\ %S.389 sie gew"ohnt zu sanften sitten \\ %S.389 und das theuerste der bande \\ %S.389 wob den trieb zum vaterlande. %S.389 \end{verse} im Tell l"aszt er Attinghausen ausrufen: %S.389 \begin{verse} die angebornen bande kn"upfe fest, \\ %S.389 ans vaterland, ans theure schliesz dich an, \\ %S.389 das halte fest mit deinem ganzen herzen! \\ %S.389 hier sind die starken wurzeln deiner kraft, \\ %S.389 dort in der fremden welt stehst du allein, \\ %S.389 ein schwankes rohr, das jeder sturm zerknickt. %S.389 \end{verse} f"ur deutsche freiheit war Wallenstein und Tell entworfen, "uber %S.389 dessen that sich stanzen, die das dem kurf"ursten erzkanzler "uberreichte %S.389 exemplar begleiteten, treffend aussprachen. der allgemeine %S.389 menschliche jubel, den die ch"ore des liedes an die freude %S.389 anfachen, wird nie erl"oschen. zu diesen und so groszen wirkungen %S.389 reicht G"othe nicht an. in Hermann und Dorothea ist %S.389 ein liebliches bild des nach zerst"orendem krieg wieder einkehrenden %S.389 friedens und des vaterlandes preis gedichtet. so wenig %S.389 abgewendet von Deutschland hatte den dichter der ihn entz"uckende %S.389 aufenthalt in Italien, dasz er auch dort seine begonnenen %S.389 edlen werke immer bedachte und fortf"uhrte, gleich nach %S.389 seiner heimkehr sie zu ver"offentlichen begann, und der dichter, %S.390 der uns 1790 den Faust gab, w"are nicht der allerdeutscheste %S.390 gewesen? niemals ist in beiden dichtern der leiseste zwiespalt %S.390 "uber politische meinungsverschiedenheit wahrzunehmen, sie waren %S.390 ihres strebens f"ur unsere nation so sicher und sich so bewust, %S.390 dasz davon keine rede gewechselt zu werden brauchte. %S.390 Fast nur ihrer groszen dichtungen wurde bisher gedacht, %S.390 noch nicht ihrer lyrischen gedichte und romanzen. in schlanken, %S.390 blanken liedern ist G"othe unbedenklich "uberlegen, im balladenton %S.390 weichen beide freunde sehr von einander ab. Schiller hat %S.390 eine ganz eigne elegische stimmung, die auch den leser schwerm"utig %S.390 macht, G"othes elegien n"ahern sich schon in ihrer form %S.390 der ruhigen classischen weise; aber die reizenden lieder, welche %S.390 anheben: %S.390 \begin{verse} ist der holde lenz erschienen? \\ %S.390 hat die erde sich verj"ungt? %S.390 \end{verse} oder %S.390 \begin{verse} seht ihr dort die altergrauen \\ %S.390 schl"osser sich entgegen schauen \\ %S.390 leuchtend in der sonne gold? %S.390 \end{verse} oder %S.390 \begin{verse} Priams feste war gefallen, \\ %S.390 Troja lag in schutt und staub; %S.390 \end{verse} oder %S.390 \begin{verse} freude war in Trojas hallen, \\ %S.390 eh die hohe feste fiel; %S.390 \end{verse} in ihrem lieblichen troch"aischen flusz "uben unwiderstehliche anziehungskraft %S.390 und sind unserer jetzigen bildung vollkommen angemessen; %S.390 in den g"othischen romanzen schl"agt dazwischen noch %S.390 die ergreifendere volksweise an. die glocke, deren preis gleich %S.390 eingangs ausgesprochen wurde, ist das beispiel eines unvergleichlichen %S.390 gedichts, dem andere v"olker von weitem nichts an die %S.390 seite zu stellen h"atten. durch einen von G"othe nach Schillers %S.390 abscheiden hinzu gedichteten epilog geht ihr feierlicher eindruck %S.390 auf einmal ganz ins tragische "uber, beide dichter wechseln hier %S.390 die rolle, der friedliche klang ward zum trauergel"aute. G"othes %S.390 lyrische f"ulle und sanfte leichtigkeit bleibt im ganzen weit m"achtiger %S.390 und auch wirksamer. %S.390 Es w"are "uberfl"ussig hier auf diesen theil der poesie noch %S.390 weiter einzugehen, nur eine art von gedichten kann nicht unerw"ahnt %S.390 gelassen bleiben, an welchen sich die gemeinschaft der %S.390 dichter recht wirksam erzeigt, die xenien. sie sollten in weise %S.390 von Martials epigrammen einmal in der deutschen literatur aufr"aumen %S.391 und die dicke luft reinigen, was sie ohne zweifel auch %S.391 damals geleistet haben. es sind zum groszen theil triftige und %S.391 schlagende, oft unbarmherzige kritiken, schnell und wie es hiesz %S.391 `im raptus' niedergeschrieben, die scharfe urtheilskraft und das %S.391 darstellungsverm"ogen der vereinten dichter bezeugend, wie, wenn %S.391 dieser stahl gl"uhend ward und spr"uhte, nicht anders geschieht, %S.391 auch einigemal ungerecht verwundend. einzelne k"onnen mit %S.391 sicherheit weder dem einen noch andern beigelegt werden, was %S.391 eben von ihnen beabsichtigt war. aber auch in gr"oszeren und %S.391 eingehenden beurtheilungen haben beide ihr talent erprobt, G"othe %S.391 schon fr"uhe in den Frankfurter gelehrten anzeigen, sp"ater in der %S.391 jenaischen literaturzeitung. Schillers recensionen bilden jetzt %S.391 eine zierde seiner gesammelten schriften, eine bereits vor G"othes %S.391 n"aheren bekanntschaft mit ihm verfaszte, gelungne des Egmont, %S.391 eine von B"urgers gedichten, welche diesem sehr wehe that und %S.391 auch manches an ihm verkennt, und eine von Matthisson. %S.391 Nun wird es am platze sein "uber die sprache beider meister %S.391 einige bemerkungen anzuf"ugen und die aufr"uckende frage nach %S.391 ihrer popularit"at zu erledigen. wie im vorhergehenden verschiedentlich %S.391 angedeutet worden, besitzt unleugbar G"othe die gr"oszere %S.391 sprachgewalt, ja eine so seltene und vorragende, dasz insgemein %S.391 kein andrer unsrer deutschen schriftsteller es ihm darin gleichthut. %S.391 wo er seine feder ansetzt, ist unnachahmlicher reiz und %S.391 durchweg f"uhlbare anmut ausgegossen. eine menge der feinsten %S.391 und erlesensten w"orter wie wendungen ist zu seinem gebot und %S.391 stets an den eigensten stellen. seine ganze rede flieszt "uberaus %S.391 gleich und eben, reichlich und ermessen, kaum dasz ein unn"othiges %S.391 w"ortchen steht, kraft und milde, k"uhnheit und zur"uckhalten, %S.391 alles ist vorhanden. hierin kommt ihm Schiller nicht bei, der %S.391 fast nur "uber ein ausgew"ahltes heer von worten herscht, mit %S.391 dem er thaten ausrichtet und siege davon tr"agt; G"othe aber %S.391 vermag der schon entsandten f"ulle seiner redemacht aus ungeahntem %S.391 hinterhalte wie es ihm beliebt, nachr"ucken zu lassen. %S.391 man k"onnte sagen, Schiller schreibe mit dem griffel in wachs, %S.391 G"othe halte in seinen fingern ein bleistift zu leichten, k"uhnschweifenden %S.391 z"ugen. an Schiller klebten, in seiner ersten zeit, %S.391 auch noch einzelne schw"abische provinzialismen, die unerlaubt %S.392 im reinen hochdeutsch sind, bei G"othe ist dergleichen nie sichtbar, %S.392 er schaltet in der schriftsprache k"oniglich. seine prosa wird %S.392 zum musterg"ultigen canon und bleibt selbst im canzleim"aszigen %S.392 hofstil, den er in alten tagen allzu oft anwendete, gef"ug und %S.392 geschmeidig, seine poesie gibt bei jedem schritt "uberall die reinste %S.392 ausbeute, f"ur die bearbeitung des deutschen wortschatzes ist es %S.392 gar nicht zu sagen wie viel aus ihm allenthalben gesch"opft und %S.392 gewonnen werden k"onne oder m"usse. %S.392 Eben darin, dasz Schiller in etwas engerem kreise der sprache %S.392 sich bewegt, liegt doch sein st"arkerer einflusz auf das volk mitbegr"undet, %S.392 denn seine rede weisz alles was er sagen will zierlich %S.392 ja prachtvoll auszudr"ucken und wird genau verstanden. von %S.392 G"othe bekommt man auch einige freilich echte, grunddeutsche, %S.392 aber vorher unvernommene w"orter, die der menge noch nicht %S.392 gel"aufig waren, zu h"oren, was seinem stil etwas vornehmes verleihen %S.392 kann und dennoch hat er einigemal ohne noth und hart %S.392 geklagt "uber die sprache gerade an stellen, wo er sie am gl"ucklichsten %S.392 handhabt. Schiller hielt in ihr v"ollig und gl"anzend haus, %S.392 er wuste lauteren saft aus ihr zu ziehen. %S.392 Es sind aber noch andere gr"unde, weshalb er den leuten %S.392 zusagt, er versteht sie zu sich zu erheben, w"ahrend G"othe sich %S.392 auch zu ihnen herab lassen kann, bei Schiller, dem auf seiner %S.392 h"ohe thronenden, glauben sie sich empor ger"uckt. diesem dichter %S.392 blieb das alterthum unsrer sprache und poesie, mit allen jetzt %S.392 verlornen vorz"ugen fremd, wie das bekannte von ihm "uber %S.392 die minnes"anger gef"allte grundlose urtheil darlegt; er hat sich %S.392 untadelhaft blosz an der heutigen schriftsprache grosz erzogen, %S.392 deren macht er so bedeutend steigerte. seine lieder halten durchaus %S.392 den stil der gebildeten gegenwart und stehn auf deren gipfel, %S.392 was dem volk gef"allt, dem gleichfalls die alte weise der vergangenheit %S.392 fremd geworden ist und das nur in den jetzigen %S.392 standpunct vorschreiten und sich darin einweihen lassen will. %S.392 ein lebhaftes beispiel kann das ber"uhmte reiterlied in Wallensteins %S.392 lager abgeben, an dessen stelle ihm G"othe ein anderes, %S.392 mehr im ehmaligen volkston gedichtetes entwarf\footnote{Boas nachtr"age zu Schiller 1, 538.}; mit richtigem %S.392 tact hielt aber Schiller das seinige, dem ton seiner dichtung %S.393 angemessene fest. die menge, auf die ein sch"ones gedicht einwirkt, %S.393 will es gerade mit allen neuen vortheilen genieszen und %S.393 ist den alten zu entsagen bereit. %S.393 Schiller ist und bleibt haupts"achlich auch darum popularer, %S.393 weil, nach seinem oben dargelegten vorrang, seine schauspiele %S.393 dramatisch mehr ergreifen und auf der b"uhne "offentlich wirken, %S.393 weil sie die rechte und freiheiten des volks sichtbar darstellen %S.393 und weil seine lieder die w"urde unserer natur erhebend allen %S.393 menschen die brust erw"armt und ideale bilder des lebens geschaffen %S.393 haben. er ist zum hinreiszenden lieblingsdichter des %S.393 volks geworden und geht ihm "uber alle anderen. %S.393 Nach dieser hinter dem was gesagt werden sollte zur"uck %S.393 gebliebnen betrachtung seiner unverg"anglichen gedichte ist "ubrig %S.393 einen blick auf sein leben, auf seinen ruhm und die ausgabe %S.393 seiner werke zu werfen. %S.393 In st"urmischer ungeb"andigter jugend konnte neben hochstrebender, %S.393 freudiger entfaltung aller seelenkr"afte auch manche %S.393 harte stunde des unmuts und der entsagung "uber ihn kommen, %S.393 einmal im gedicht auch ich war in Arkadien geboren "uberw"altigt %S.393 ihn die klage: %S.393 \begin{verse} da steh ich schon auf deiner finstern br"ucke, \\ %S.393 furchtbare ewigkeit! \\ %S.393 empfange meinen vollmachtbrief zum gl"ucke, \\ %S.393 ich bring ihn unerbrochen dir zur"ucke, \\ %S.393 ich weisz nichts von gl"uckseligkeit; %S.393 \end{verse} und wer kann r"uhrender klagen? anderw"arts sang er: %S.393 \begin{verse} erloschen sind die heitern sonnen, \\ %S.393 die meiner jugend pfad erhellt, \\ %S.393 die ideale sind zerronnen, \\ %S.393 die einst das trunkne herz geschwellt. %S.393 \end{verse} aber diese empfindungen vermochten nicht auszuhalten, bald %S.393 musz alle qual von ihm gewichen sein, und wie die schatten %S.393 entfliehen, neue heiterkeit in breiten streifen sein leben wieder %S.393 eingenommen haben. ein fruchtbares, von schweren krankheiten %S.393 oft gebeugtes und ersch"uttertes mannesalter war eingetreten, %S.393 der innere mut kehrte ihm in den besseren tagen %S.393 stets zur"uck: %S.393 \begin{verse} nun gl"uhte seine wange roth und r"other \\ %S.394 von jener jugend, die uns nie entfliegt, \\ %S.394 von jenem mut, der fr"uher oder sp"ater \\ %S.394 den widerstand der stumpfen welt besiegt, \\ %S.394 von jenem glauben, der sich stets erh"ohter \\ %S.394 bald k"uhn hervordr"angt, bald geduldig schmiegt, \\ %S.394 damit das gute wirke, wachse, fromme, \\ %S.394 damit der tag dem edlen endlich komme. %S.394 \end{verse} in die schw"abische heimat war keine bleibende wiederkehr, kaum %S.394 zeit zum besuch seiner b"urgerlich rechtschaffenen eltern und geschwister, %S.394 noch sp"at pflanzte der vater r"ustig seine baumschule %S.394 fort, er der ein so edles reis erzielt hatte, und die mutter %S.394 spann; von ihrer gem"utsart soll der sohn vieles an sich gehabt %S.394 haben, wie beinahe alle groszen dichter mehr den m"uttern %S.394 gleichen und ihnen die regere phantasie verdanken. Th"uringen %S.394 hatte ihm f"ur immer ruhige st"atte, eine gl"uckliche ehe h"auslichen %S.394 friede und segen gegeben, erwerb und gehalt flossen sparsam. %S.394 die von Weimars herzog ausgezeichneten geistern des vaterlands %S.394 willf"ahrig dargereichte st"utze ist allgemein bekannt und "uber %S.394 allen preis erhaben; dasz Schillers "auszere stellung nur knappen %S.394 sold gab, l"aszt sich nicht verhehlen, wie konnte mit einer einnahme %S.394 von vierhundert, zuletzt achthundert thalern ausgereicht %S.394 werden? fast jeder staatsdiener zweiten oder dritten rangs genieszt %S.394 auch in kleinen l"andern eine h"ohere und ein groszer %S.394 dichter w"are sorgenfreies lebens und der h"ochsten eink"unfte, %S.394 die das land verabreicht, w"urdig gewesen. was heute anders %S.394 sein w"urde, war damals noch dem herschenden brauch entgegen. %S.394 Berliner verhandlungen kurz vor seinem tode waren %S.394 nicht gediehen. %S.394 Nicht einmal drei volle jahre vorher wurde Schillern der %S.394 adel zu theil und seitdem erscheint der einfache, schon dem %S.394 wortsinn nach glanz streuende name durch ein sprachwidrig %S.394 vorgeschobnes von verderbt. kann denn ein dichter geadelt %S.394 werden? man m"ochte es im voraus verneinen, weil der dem die %S.394 h"ochste gabe des genius verliehen ist, keiner geringeren w"urde %S.394 bed"urfen wird, weil talente sich nicht wie adel oder krankheiten %S.394 fortpflanzen, alle welt aber glaubt es steif und fest dasz %S.394 dichter geboren werden und hier galt es einem als k"onig im %S.394 reich der gedanken waltenden. schon 1788 hatte B"urger gesungen: %S.395 \begin{verse} mit einem adelsbrief musz nie der echte sohn \\ %S.395 Minervens und Apolls begnadigt heiszen sollen, \\ %S.395 denn edel sind der g"otter s"ohne schon, \\ %S.395 die musz kein f"urst erst adeln wollen, %S.395 \end{verse} was leicht besser und st"arker ausgedr"uckt w"are. dem unerbittlichen %S.395 zeitgeist scheinen solche erhebungen l"angst unedel, geschmacklos, %S.395 ja ohne sinn. denn ist der b"urgerliche stand so %S.395 beschaffen, dasz aus ihm in den adel gehoben werden mag, %S.395 m"uste auch aus dem bauernstand in den des b"urgers erh"ohung %S.395 gelten. jeder bauer kann aber b"urger, jeder b"urger besitzer %S.395 eines adelichen guts werden, ohne dasz ihnen die pers"onliche %S.395 w"urde gesteigert w"are. ein geschlecht soll auf seinen stamm, %S.395 wie ein volk auf sein alter und seine tugend stolz sein, das ist %S.395 nat"urlich und recht; unrecht aber scheint, wenn ein vorragender %S.395 freier mann zum edeln gemacht und mit der wurzel aus dem %S.395 boden gezogen wird, der ihn erzeugte, dasz er gleichsam in %S.395 andere erde "ubergehe, wodurch dem stand seines ursprungs %S.395 beeintr"achtigung und schmach widerf"ahrt; oder soll der freie %S.395 b"urgerstand, aus dem nun einmal G"othe oder Schiller entsprangen, %S.395 aufh"oren sie zu besitzen? alle bef"orderungen in den %S.395 adel werden ungeschehen bleiben, sobald dieser mittelstand seinerseits %S.395 stolz und entschlossen sein wird jedesmal sie auszuschlagen. %S.395 ein groszer dichter legt auch nothwendig seinen vornamen ab, %S.395 dessen er nicht weiter bedarf, und es ist undeutscher stil oder %S.395 gar hohn Friedrich von Schiller, Wolfgang von G"othe\footnote{geschweige Johann Christoph Friedrich, Johann Wolfgang.} zu %S.395 schreiben. "uber solchen dingen liegt eine zarte eihaut des volksgef"uhls. %S.395 in seine k"unftigen standbilder mag nur gegraben werden %S.395 SCHILLER. %S.395 Man hat eine Schillerstiftung erdacht und schon durch ganz %S.395 Deutschland verbreitet, der gedanke ist matt und unbestimmt %S.395 oder unbeholfen. wozu auf diesen gl"anzenden namen gegr"undet %S.395 eine armenanstalt f"ur mittelm"aszige schriftsteller, f"ur dichterlinge, %S.395 denen von aller poesie abzurathen besser w"are als sie noch aufzumuntern? %S.395 wol m"uhe haben sollen die verwaltungsr"athe "offentlich %S.395 rechnung ablegend zu rechtfertigen, wer ihrer wolthaten %S.396 nach verdienst theilhaftig geworden sei. aufkeimende wirkliche %S.396 talente sind deren meistentheils unbed"urftig und jede reiche begabung %S.396 macht heutzutage, wie ihr ruf w"achst, sich selber luft. %S.396 es w"are w"unschenswerth dasz auf anlasz der allgemeinen feier, %S.396 die wir begehen, diese ohne zweifel wolgemeinten stiftungen sich %S.396 bes"onnen und umschl"ugen, so dasz sie aus dem ertrag der zugeflossenen %S.396 mittel, wie weit er reicht, lieber leibhafte werke hervorgehen %S.396 lieszen. an mehr als einem platze, zu Marbach und %S.396 anderswo, w"urden von k"unstlers hand geschaffene bildseulen %S.396 Schillers aufzurichten sein und dann einem dauernden freudenfeuer %S.396 gleich leuchten im lande; laszt uns den kostenaufwand %S.396 daf"ur und f"ur die salbe der weihe nicht abgefordert werden zur %S.396 niederlage in den allverschlingenden, immer hungrigen armenseckel! %S.396 wahrer d"urftigkeit beizuspringen an rechter stelle und %S.396 zu guter stunde stehen immer f"uhlende herzen bereit. %S.396 Noch ein anderes, gr"oszeres denkmal unsern dichtern zu %S.396 errichten bleibt in herausgabe ihrer werke, wie bisher sie nicht %S.396 einmal begonnen, geschweige denn vollbracht ist. der uns heute %S.396 vor hundert jahren geborne ruht nun schon "uber funfzig im %S.396 schosz der erde und seine gedichte liegen immer nicht so vor %S.396 augen, dasz wir ihre folge und ordnung, die verschiedenheit der %S.396 lesart "uberschauen, alle ihre eigenth"umlichkeit aus sorgf"altiger %S.396 erw"agung ihres sprachgebrauchs kennen lernen, dann der textfeststellung %S.396 in w"urdiger "auszerer gestalt uns erfreuen k"onnten. %S.396 f"ur Schiller, es ist wahr, ist mehr geschehen als f"ur G"othe und %S.396 dieser f"allt auch viel schwerer. die neulich erscheinende franz"osische %S.396 "ubersetzung Schillers, geleitet und ausgef"uhrt von Regnier, %S.396 einem gr"undlichen kenner nicht nur unserer heutigen deutschen %S.396 sondern auch der altdeutschen sprache, geht in manchem musterhaft %S.396 voran. G"othe und Schiller haben ihre gedichte vielfach %S.396 umgearbeitet, oft weichen die texte von einander ab wie kaum %S.396 st"arker bei mittelhochdeutschen gedichten, und nicht "uberall %S.396 wird man die neue lesart der alten vorziehen, es ist aber nothwendig %S.396 und h"ochst belehrend beide und alle texte so viel es %S.396 gibt zu kennen. was die "uber kurz oder lang zu bewerkstelligenden %S.396 kritischen, dann die noch eher entbehrlichen ganz %S.396 zuletzt das werk kr"onenden prachtausgaben aufh"alt und hindert %S.397 ist die monopolische berechtigung und bevorzugung des dermaligen %S.397 verlegers, der schon mehrfache und zahlreiche abdr"ucke %S.397 der schillerschen werke veranstaltet und abgesetzt, sich aber, %S.397 so viel "offentlich bekannt, zur l"angst bevorstehenden festfeier %S.397 gering ger"ustet hat. der langj"ahrige bund beider dichter mit %S.397 einer bew"ahrten, feststehenden, r"uhrigen buchhandlung ist ihnen %S.397 sicher heilsam und erw"unscht gewesen, hat aber im verlauf der %S.397 zeit unserer literatur eben keinen vortheil gebracht. %S.397 In diesem augenblick regt sich der schmerzliche gedanke %S.397 mit aller st"arke. wir lassen jeden von selbst thun was er zu %S.397 thun hat, doch niemand kann uns auferlegen ein befremden %S.397 zur"uck zu halten dar"uber, dasz zur rechten zeit, wo es vorz"uglich %S.397 wirken mochte und freigebige austheilungen, gleichsam %S.397 eine schuld abtragende, an beh"orige orte h"atten erfolgen sollen, %S.397 es unterblieb. in hinterlassenen werken groszer dichter flieszt bei %S.397 unaufh"orlich steigender theilnahme ihren verlegern ein alles masz %S.397 "uberschreitender gewinn zu, der sich aus dem ersten dar"uber abgeschlossenen %S.397 vertrage gar nicht mehr ableiten l"aszt. kein schriftsteller %S.397 kann die k"unftigen erfolge und ertr"age seiner werke im %S.397 voraus "uberschauen, noch hat er was von ihm eigentlich dem %S.397 ganzen publicum hingegeben wurde, auf immerhin ins eigenthum %S.397 des ihm zur band gegangnen buchh"andlers gewiesen: das eigenthum %S.397 der welt ist das h"ohere und gr"oszere anspr"uche flieszen %S.397 daraus her, als sogar die erben und nachkommen besitzen. wenn %S.397 billig und selbstverst"andlich scheint, dasz bei leibesleben ein %S.397 autor die frucht neuer ausgaben mitgeniesze, auch dasz nach %S.397 seinem tode eine zeitlang noch der erwachsende vortheil zwischen %S.397 erben und verleger getheilt und beiden gern geg"onnt werde; %S.397 so hat doch die gesetzgebung das bed"urfnis gef"uhlt fristen anzusetzen, %S.397 nach deren ablauf diese schriften gemeingut werden, %S.397 fortan auch von mehrern buchh"andlern verlegt, von andern %S.397 schriftstellern bearbeitet werden d"urfen, genau wie es bei weit %S.397 zur"uckliegenden werken des alterthums geschehen mag. dann %S.397 wird aller erfolg von dem werth der aufgewandten kritik und %S.397 der ausstattung der neuen ausgaben abh"angen. %S.397 Das gebrechen ist nun jetzt, dasz jene gesetzlich anberaumten %S.397 fristen durch sonderprivilegien und erstreckungen derselben %S.398 aufgeschoben, hingehalten und vereitelt zu werden pflegen, %S.398 die reinigung der texte aber langsam vorschreitet. darf ich einen %S.398 kurzen, d"urren bericht einschalten von dem stand auf dem die %S.398 dinge sich befinden? es ist n"othig, damit man sich keiner teuschung %S.398 dar"uber hingebe. eingegangner erkundigung zufolge %S.398 wurde ein privileg gegen den nachdruck der werke Schillers %S.398 durch eine preuszische cabinetsordre vom 8 febr.\,1826 den hinterbliebenen %S.398 ertheilt auf 25 jahre. ein bundesbeschlusz vom %S.398 23 nov.\,1838 dagegen bewilligte den schillerschen erben ein %S.398 privilegiun auf 20 jahre. beim annahen des zeitpuncts, wo diese %S.398 schutzfrist ablief, kamen die erben um abermalige verl"angerung %S.398 bis zu 1878 ein und im winter 1854 legte die preuszische regierung %S.398 ein "uber den schutz der allgemeinen gesetzgebung hinaus %S.398 gehendes gesetz den kammern vor, welches diese ablehnten. %S.398 darauf erschien am 6 nov.\,1856 ein bundesbeschlusz, wonach %S.398 im allgemeinen der schutz gegen nachdruck zu gunsten der %S.398 werke derjenigen autoren, welche vor dem 9 nov.\,1837 (datum %S.398 eines andern bundesbeschlusses) verstorben sind, noch bis dahin %S.398 1867 in kraft bleibt. Schillers werke, und G"othes ebenso, werden %S.398 danach, ohne gerade specielles privileg zu genieszen, obschon %S.398 sie es waren, die die allgemeine maszregel hervorriefen, %S.398 erst an diesem 10 november 1867 gemeingut und frei, selbst %S.398 dann noch nicht in ganz Deutschland, da in Sachsen, dem hauptsitz %S.398 des buchhandels, ein gesetz von 1844 besteht, das den %S.398 werken der vor dem 1 januar 1844 verstorbnen schriftsteller %S.398 noch dreiszig jahre lang schutz gegen nachdruck zusichert, %S.398 also bis 1874. so kann zu ende 1867 ein bodenloser zustand %S.398 eintreten, wenn Sachsen als nachdruck in beschlag nehmen %S.398 wird, was im ganzen "ubrigen Deutschland von G"othe, Schiller, %S.398 Lessing usw. rechtm"aszig gedruckt werden darf. %S.398 Wir sehen, dasz Schillers werke beinahe siebenmalneun %S.398 jahre seit des dichters hingang zu erklecklichstem nutzen der %S.398 betheiligten erben wie der verlagshandlung ausgebeutet sein %S.398 werden, welchen in steigenden progressionen zuf"allt, was der %S.398 dichter selbst nur in kleinem masze empfieng und ihn der %S.398 lebenssorgen noch nicht "uberhob. mit allgemeinem unwillen ist %S.398 neulich die durch herrn von Cotta ertheilte ablehnende antwort %S.399 auf den antrag eines f"ur das Schillerfest zu schm"uckenden %S.399 abdrucks der keine 500 verse starken glocke gelesen worden, %S.399 wonach diesem als strafbarem nachdruck strengstens entgegen %S.399 getreten werden solle, in einem augenblick da durch die feier %S.399 selbst und unmittelbar ein "uberreich erh"ohter absatz einzelner %S.399 wie der gesammtwerke herbei gef"uhrt sein musz. %S.399 F"urwahr von G"othe und Schiller ist ihrer nachkommenschaft %S.399 und ihrem verleger weich gebettet, doch allen ruhm haben %S.399 jene dahin. %S.399 O des wunders und der umkehr! vor hundert oder anderthalb %S.399 hundert jahren in seinem schulstaub h"atte kein classischer %S.399 philolog eine erhebung deutscher dichtkunst, wie sie von ihnen %S.399 bereitet ward, nur f"ur m"oglich gehalten; heute in volles recht %S.399 eingesetzt strahlt sie selbst auf sch"opfungen griechisches alterthums %S.399 zur"uck, denn was in seinen anf"angen ganz auseinander %S.399 stand, darf h"oher oben sich nah treten, und kein frost des %S.399 nordens dr"uckt uns mehr. man sagt, dasz weinjahre jedes eilfte %S.399 wiederkehren und dasz dann "ofter zwei gesegnete lesen hintereinander %S.399 fallen; die natur ist mit dem saft der trauben freigebiger %S.399 als mit ihren genien. nebeneinander stiegen sie uns auf, %S.399 jahrhunderte k"onnen vergehen, eh ihres gleichen wieder geboren %S.399 wird. ein volk soll doch nur grosze dichter anerkennen und %S.399 zur"uckweichen lassen alles was ihre majest"atische bahnen zu %S.399 ersp"ahen hindert. desto mehr wollen wir sie selbst zur anschau %S.399 und zu bleibendem andenken vervielfachen, wie der alten g"otter %S.399 bilder im ganzen lande aufgestellt waren. schon stehen beide zu %S.399 Weimar unter demselben kranz. m"ogen auch hier in weiszem %S.399 marmor oder in gl"uhendem erz vollendet ihre seulen auf pl"atzen %S.399 und straszen ergl"anzen und deren barbarische namen tilgen! %S.399 \begin{verse} von des lebens g"utern allen \\ %S.399 ist der ruhm das h"ochste doch: \\ %S.399 wenn der leib in staub zerfallen, \\ %S.399 lebt der grosze name noch. %S.399 \end{verse}