% @book{bg_khm_kl-ausg_1833, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen. % {G}esammelt durch die {B}r{\"{u}}der {G}rimm. % {K}leine {A}usgabe. % {Z}weite verbesserte {A}uf{"|}lage", % publisher = "Gedruckt und verlegt bei G.\,Reimer", % address = "Berlin, Germany", % year = "1833", % language = "German", % } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von Y. Nagata am 18. August 2012 % \maerchentitel{Jorinde und Joringel} % 32. %S.215 % Jorinde und Joringel. %S.215 Es war einmal ein altes Schlo"s mitten in einem gro"sen %S.215 dicken Wald, darinnen wohnte eine alte Frau ganz allein, das %S.215 war eine Erzzauberin. Am Tage machte sie sich zur Katze oder %S.215 zur Nachteule, des Abends aber wurde sie wieder ordentlich %S.215 wie ein Mensch gestaltet. Sie konnte das Wild und die V"ogel %S.215 herbeilocken, und dann schlachtete sie's, kochte und bratete es. %S.215 Wenn jemand auf hundert Schritte dem Schlo"s nahe kam, so %S.215 mu"ste er stille stehn, und konnte sich nicht von der Stelle bewegen, %S.215 bis sie ihn lossprach: wenn aber eine keusche Jungfrau %S.215 in diesen Kreis kam, so verwandelte sie dieselbe in einen Vogel, %S.215 und sperrte sie dann in einen Korb ein, in die Kammern des %S.215 Schlosses. Sie hatte wohl sieben tausend solcher K"orbe mit so %S.215 raren V"ogeln im Schlosse. %S.215 Nun war einmal eine Jungfrau, die hie"s Jorinde; sie %S.215 war sch"oner als alle andere M"adchen, die, und dann ein gar %S.215 sch"oner J"ungling, Namens Joringel, hatten sich zusammen %S.215 versprochen. Sie waren in den Brauttagen, und sie hatten %S.215 ihr gr"o"stes Vergn"ugen eins am andern. Damit sie nun einsmalen %S.215 vertraut zusammen reden k"onnten, giengen sie in den %S.215 Wald spazieren. {\oqs}H"ute dich, sagte Joringel, da"s du nicht so %S.216 nahe ans Schlo"s kommst.{\cqs} Es war ein sch"oner Abend, die %S.216 Sonne schien zwischen den St"ammen der B"aume hell ins dunkle %S.216 Gr"un des Waldes, und die Turteltaube sang kl"aglich auf %S.216 den alten Maibuchen. %S.216 Jorinde weinte zuweilen, setzte sich hin im Sonnenschein %S.216 und klagte. Joringel klagte auch: sie waren so best"urzt, als %S.216 wenn sie h"atten sterben sollen: sie sahen sich um, waren irre, %S.216 und wu"sten nicht, wohin sie nach Hause gehen sollten. Noch %S.216 halb stand die Sonne "uber dem Berg, und halb war sie unter. %S.216 Joringel sah durchs Geb"usch, und sah die alte Mauer des %S.216 Schlosses nah bei sich, er erschrak und wurde todtbang. Jorinde %S.216 sang: %S.216 \begin{verse} {\oqs}mein V"oglein mit dem Ringlein roth \\ %S.216 \verseinsideindent singt Leide, Leide, Leide: \\ %S.216 es singt dem T"aublein seinen Tod, \\ %S.216 \verseinsideindent singt Leide, Lei -- zick"uth, zick"uth, zick"uth.{\cqs} %S.216 \end{verse} Joringel sah nach Jorinde. Jorinde war in eine Nachtigall %S.216 verwandelt, die sang zick"uth, zick"uth. Eine Nachteule mit %S.216 gl"uhenden Augen flog dreimal um sie herum, und schrie dreimal %S.216 schu, hu, hu, hu. Joringel konnte sich nicht regen: er %S.216 stand da wie ein Stein, konnte nicht weinen nicht reden, nicht %S.216 Hand noch Fu"s regen. Nun war die Sonne unter: die Eule %S.216 flog in einen Strauch, und gleich darauf kam eine alte krumme %S.216 Frau aus diesem hervor, gelb und mager, gro"se rothe Augen, %S.216 krumme Nase, die mit der Spitze ans Kinn reichte. Sie %S.216 murmelte, fieng die Nachtigall, und trug sie auf der Hand %S.217 fort. Joringel konnte nichts sagen, nicht von der Stelle kommen; %S.217 die Nachtigall war fort. Endlich kam das Weib wieder, %S.217 und sagte mit dumpfer Stimme {\oqs}gr"u"s dich, Zachiel, wenns %S.217 M"ondel ins K"orbel scheint, bind los, Zachiel, zu guter Stund.{\cqs} %S.217 Da wurd Joringel los: er fiel vor dem Weib auf die Knie %S.217 und bat, sie m"ochte ihm seine Jorinde wieder geben: aber sie %S.217 sagte, {\oqs}er soll sie nie wieder haben,{\cqs} und gieng fort. Er rief, %S.217 er weinte, er jammerte, aber alles umsonst. {\oqs}Uu, was soll %S.217 mir geschehn?{\cqs} Joringel gieng fort, und kam endlich in ein %S.217 fremdes Dorf: da h"utete er die Schafe lange Zeit. Oft gieng %S.217 er rund um das Schlo"s herum, aber nicht zu nahe dabei: %S.217 endlich tr"aumte er einmal des Nachts, er f"and eine blutrothe %S.217 Blume, in deren Mitte eine sch"one gro"se Perle war: die Blume %S.217 brach er ab, gieng damit zum Schlosse: alles, was er mit %S.217 der Blume ber"uhrte, ward von der Zauberei frei: auch tr"aumte %S.217 er, er h"atte seine Jorinde dadurch wieder bekommen. Des %S.217 Morgens, als er erwachte, fieng er an, durch Berg und Thal %S.217 zu suchen, ob er eine solche Blume f"ande: er suchte bis an %S.217 den neunten Tag, da fand er die blutrothe Blume am Morgen %S.217 fr"uh. In der Mitte war ein gro"ser Thautropfe, so gro"s wie %S.217 die sch"onste Perle. Diese Blume trug er Tag und Nacht bis %S.217 zum Schlo"s. Wie er auf hundert Schritt nahe zum Schlo"s %S.217 kam, da ward er nicht fest, sondern gieng fort bis ans Thor. %S.217 Joringel freute sich hoch, ber"uhrte die Pforte mit der Blume, %S.217 und sie sprang auf: er gieng hinein, durch den Hof, horchte, %S.217 wo er die vielen V"ogel vern"ahme. Endlich h"orte er's: er gieng %S.218 und fand den Saal, darauf war die Zauberin, und f"utterte %S.218 die V"ogel in den sieben tausend K"orben. Wie sie den Joringel %S.218 sah, ward sie b"os, sehr b"os, schalt, spie Gift und Galle gegen %S.218 ihn aus, aber sie konnte auf zwei Schritte nicht an ihn kommen. %S.218 Er kehrte sich nicht an sie, und gieng, besah die K"orbe %S.218 mit den V"ogeln; da waren aber viele hundert Nachtigallen, wie %S.218 sollte er nun seine Jorinde wieder finden? Indem er so zusah, %S.218 merkte er, da"s die Alte heimlich ein K"orbchen mit einem Vogel %S.218 nimmt, und damit nach der Th"ure geht. Flugs sprang er hinzu, %S.218 ber"uhrte das K"orbchen mit der Blume, und auch das alte %S.218 Weib: nun konnte sie nichts mehr zaubern, und Jorinde stand %S.218 da, hatte ihn um den Hals gefa"st, so sch"on, wie sie ehemals %S.218 war. Da macht er auch alle die andern V"ogel wieder zu %S.218 Jungfrauen, und da gieng er mit seiner Jorinde nach Hause, %S.218 und sie lebten lange vergn"ugt zusammen. %S.218 %\vspace{3\baselineskip} %\divisionbar %S.218 %% %% ============================================================ %% Liste der im Originaltext enthaltenen zu korrigierenden %% W"orter, Interpunktions- und Anf"uhrungszeichen, usw. %% ============================================================ %% Seite 216, Zeile 1 %% [falsch] %% Wald spazieren. {\oqs}H"ute dich, sagte Joringel, da"s du nicht so %S.216 %% [richtig] %% Wald spazieren. {\oqs}H"ute dich,{\cqs} sagte Joringel, {\oqs}da"s du nicht so %S.216 %%