% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1991", % volume = "2", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3192 [6]", % isbn = "3-15-003192-3", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1991" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von Y. Nagata, am 14. Februar 2001 % \maerchentitel{KLG 6: Die drei gr"unen Zweige} \markright{KLG 6: Die drei gr"unen Zweige} Es war einmal ein Einsiedler, der lebte in einem Walde an %S.438 dem Fu"se eines Berges und brachte seine Zeit in Gebet %S.438 und guten Werken zu, und jeden Abend trug er noch zur %S.438 Ehre Gottes ein paar Eimer Wasser den Berg hinauf. %S.438 Manches Tier wurde damit getr"ankt und manche Pflanze %S.438 damit erquickt, denn auf den Anh"ohen weht best"andig %S.438 ein harter Wind, der die Luft und die Erde austrocknet, %S.438 und die wilden V"ogel, die vor den Menschen scheuen, %S.438 kreisen dann hoch und suchen mit ihren scharfen Augen %S.438 nach einem Trunk. Und weil der Einsiedler so fromm %S.438 war, so ging ein Engel Gottes, seinen Augen sichtbar, %S.438 mit ihm hinauf, z"ahlte seine Schritte und brachte ihm, %S.439 wenn die Arbeit vollendet war, sein Essen, so wie jener %S.439 Prophet auf Gottes Gehei"s von den Raben gespeiset %S.439 ward. Als der Einsiedler in seiner Fr"ommigkeit schon zu %S.439 einem hohen Alter gekommen war, da trug es sich zu, %S.439 da"s er einmal von weitem sah, wie man einen armen %S.439 S"under zum Galgen f"uhrte. Er sprach so vor sich hin: %S.439 >>Jetzt widerf"ahrt diesem sein Recht.<< Abends, als er das %S.439 Wasser den Berg hinauftrug, erschien der Engel nicht, %S.439 der ihn sonst begleitete, und brachte ihm auch nicht seine %S.439 Speise. Da erschrak er, pr"ufte sein Herz und bedachte, %S.439 womit er wohl k"onnte ges"undigt haben, weil Gott also %S.439 z"urne, aber er wu"ste es nicht. Da a"s und trank er nicht, %S.439 warf sich nieder auf die Erde und betete Tag und Nacht. %S.439 Und als er einmal in dem Walde so recht bitterlich %S.439 weinte, h"orte er ein V"oglein, das sang so sch"on und %S.439 herrlich, da ward er noch betr"ubter und sprach: >>Wie %S.439 singst du so fr"ohlich! Dir z"urnt der Herr nicht: ach, %S.439 wenn du mir sagen k"onntest, womit ich ihn beleidigt %S.439 habe, damit ich Bu"se t"ate und mein Herz auch wieder %S.439 fr"ohlich w"urde!<< Da fing das V"oglein an zu sprechen und %S.439 sagte: >>Du hast unrecht getan, weil du einen armen %S.439 S"under verdammt hast, der zum Galgen gef"uhrt wurde, %S.439 darum z"urnt dir der Herr; er allein h"alt Gericht. Doch %S.439 wenn du Bu"se tun und deine S"unde bereuen willst, so %S.439 wird er dir verzeihen.<< Da stand der Engel neben ihm %S.439 und hatte einen trockenen Ast in der Hand und sprach: %S.439 >>Diesen trockenen Ast sollst du so lange tragen, bis drei %S.439 gr"une Zweige aus ihm hervorsprie"sen, aber nachts, wenn %S.439 du schlafen willst, sollst du ihn unter dein Haupt legen. %S.439 Dein Brot sollst du dir an den T"uren erbitten und in %S.439 demselben Hause nicht l"anger als eine Nacht verweilen. %S.439 Das ist die Bu"se, die dir der Herr auflegt.<< %S.439 Da nahm der Einsiedler das St"uck Holz und ging in die %S.439 Welt zur"uck, die er so lange nicht gesehen hatte. Er a"s %S.439 und trank nichts, als was man ihm an den T"uren reichte; %S.439 manche Bitte aber ward nicht geh"ort, und manche T"ure %S.440 blieb ihm verschlossen, also da"s er oft ganze Tage lang %S.440 keinen Krumen Brot bekam. Einmal war er vom Morgen %S.440 bis Abend von T"ure zu T"ure gegangen, niemand hatte %S.440 ihm etwas gegeben, niemand wollte ihn die Nacht beherbergen, %S.440 da ging er hinaus in einen Wald und fand endlich %S.440 eine angebaute H"ohle, und eine alte Frau sa"s darin. Da %S.440 sprach er: >>Gute Frau, behaltet mich diese Nacht in %S.440 Euerm Hause.<< Aber sie antwortete: >>Nein, ich darf %S.440 nicht, wenn ich auch wollte. Ich habe drei S"ohne, die %S.440 sind b"os und wild, wenn sie von ihrem Raubzug heimkommen %S.440 und finden Euch, so w"urden sie uns beide %S.440 umbringen.<< Da sprach der Einsiedler: >>La"st mich nur %S.440 bleiben, sie werden Euch und mir nichts tun<<, und die %S.440 Frau war mitleidig und lie"s sich bewegen. Da legte sich %S.440 der Mann unter die Treppe und das St"uck Holz unter %S.440 seinen Kopf. Wie die Alte das sah, fragte sie nach der %S.440 Ursache, da erz"ahlte er ihr, da"s er es zur Bu"se mit sich %S.440 herumtrage und nachts zu einem Kissen brauche. Er %S.440 habe den Herrn beleidigt, denn als er einen armen S"under %S.440 auf dem Gang nach dem Gericht gesehen, habe er gesagt, %S.440 diesem widerfahre sein Recht. Da fing die Frau an zu %S.440 weinen und rief: >>Ach, wenn der Herr ein einziges Wort %S.440 also bestraft, wie wird es meinen S"ohnen ergehen, wenn %S.440 sie vor ihm im Gericht erscheinen.<< %S.440 Um Mitternacht kamen die R"auber heim, l"armten und %S.440 tobten. Sie z"undeten ein Feuer an, und als das die H"ohle %S.440 erleuchtete und sie einen Mann unter der Treppe liegen %S.440 sahen, gerieten sie in Zorn und schrien ihre Mutter an: %S.440 >>Wer ist der Mann? Haben wir's nicht verboten, irgend %S.440 jemand aufzunehmen?<< Da sprach die Mutter: >>La"st %S.440 ihn, es ist ein armer S"under, der seine Schuld b"u"st.<< Die %S.440 R"auber fragten: >>Was hat er getan?<< >>Alter<<, riefen sie, %S.440 >>erz"ahl uns deine S"unden.<< Der Alte erhob sich und %S.440 sagte ihnen, wie er mit einem einzigen Wort schon so %S.440 ges"undigt habe, da"s Gott ihm z"urne und er f"ur diese %S.440 Schuld jetzt b"u"se. Den R"aubern ward von seiner Erz"ahlung %S.441 das Herz so gewaltig ger"uhrt, da"s sie "uber ihr %S.441 bisheriges Leben erschraken, in sich gingen und mit %S.441 herzlicher Reue ihre Bu"se begannen. Der Einsiedler, %S.441 nachdem er die drei S"under bekehrt hatte, legte sich %S.441 wieder zum Schlafe unter die Treppe. Am Morgen aber %S.441 fand man ihn tot, und aus dem trocknen Holz, auf %S.441 welchem sein Haupt lag, waren drei gr"une Zweige hoch %S.441 emporgewachsen. Also hatte ihn der Herr wieder in %S.441 Gnaden zu sich aufgenommen. %S.441