% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1991", % volume = "2", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3192 [6]", % isbn = "3-15-003192-3", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1991" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von M. Hirao, am 23. M"arz 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 31. M"arz 2001 % % nolig_ck version (input e.g. Auf"|lage and Dru"cker % instead of Auflage and Drucker) % \maerchentitel{KHM 192: Der Meisterdieb} \markright{KHM 192: Der Meisterdieb} Eines Tages sa"s vor einem "armlichen Hause ein alter %S.389 Mann mit seiner Frau und wollten von der Arbeit ein %S.389 wenig ausruhen. Da kam auf einmal ein pr"achtiger, mit %S.389 vier Rappen bespannter Wagen herbeigefahren, aus dem %S.389 ein reichgekleideter Herr stieg. Der Bauer stand auf, trat %S.389 zu dem Herrn und fragte, was sein Verlangen w"are und %S.389 worin er ihm dienen k"onnte. Der Fremde reichte dem %S.389 Alten die Hand und sagte: >>Ich w"unsche nichts, als %S.389 einmal ein l"andliches Gericht zu genie"sen. Bereitet mir %S.389 Kartoffel, wie Ihr sie zu essen pflegt, dann will ich mich %S.389 zu Euerm Tisch setzen und sie mit Freude verzehren.<< %S.389 Der Bauer l"achelte und sagte: >>Ihr seid ein Graf oder %S.389 F"urst oder gar ein Herzog, vornehme Herrn haben %S.389 manchmal solch ein Gel"usten; Euer Wunsch soll aber %S.389 erf"ullt werden.<< Die Frau ging in die K"uche, und sie fing %S.389 an, Kartoffel zu waschen und zu reiben, und wollte %S.389 Kl"o"se daraus bereiten, wie sie die Bauern essen. W"ahrend %S.389 sie bei der Arbeit stand, sagte der Bauer zu dem %S.389 Fremden: >>Kommt einstweilen mit mir in meinen Hausgarten, %S.389 wo ich noch etwas zu schaffen habe.<< In dem %S.389 Garten hatte er L"ocher gegraben und wollte jetzt B"aume %S.389 einsetzen. >>Habt Ihr keine Kinder<<, fragte der Fremde, %S.389 >>die Euch bei der Arbeit behilf"|lich sein k"onnten?<< %S.389 >>Nein<<, antwortete der Bauer; >>ich habe freilich einen %S.389 Sohn gehabt<<, setzte er hinzu, >>aber der ist schon seit %S.389 langer Zeit in die weite Welt gegangen. Es war ein %S.389 ungeratener Junge, klug und verschlagen, aber er wollte %S.389 nichts lernen und machte lauter b"ose Streiche; zuletzt lief %S.389 er mir fort, und seitdem habe ich nichts von ihm geh"ort.<< %S.389 Der Alte nahm ein B"aumchen, setzte es in ein Loch und %S.389 stie"s einen Pfahl daneben; und als er Erde hineingeschaufelt %S.389 und sie festgestampft hatte, band er den Stamm %S.389 unten, oben und in der Mitte mit einem Strohseil fest an %S.390 den Pfahl. >>Aber sagt mir<<, sprach der Herr, >>warum %S.390 bindet Ihr den krummen, knorrichten Baum, der dort in %S.390 der E"cke fast bis auf den Boden geb"uckt liegt, nicht auch %S.390 an einen Pfahl wie diesen, damit er strack w"achst?<< Der %S.390 Alte l"achelte und sagte: >>Herr, Ihr redet, wie Ihr's %S.390 versteht: man sieht wohl, da"s Ihr Euch mit der G"artnerei %S.390 nicht abgegeben habt. Der Baum dort ist alt und verknorzt, %S.390 den kann niemand mehr gerad machen: B"aume %S.390 mu"s man ziehen, solange sie jung sind.<< >>Es ist wie bei %S.390 Euerm Sohn<<, sagte der Fremde, >>h"attet Ihr den gezogen, %S.390 wie er noch jung war, so w"are er nicht fortgelaufen; %S.390 jetzt wird er auch hart und knorzig geworden sein.<< %S.390 >>Freilich<<, antwortete der Alte, >>es ist schon lange, seit %S.390 er fortgegangen ist; er wird sich ver"andert haben.<< %S.390 >>W"urdet Ihr ihn noch erkennen, wenn er vor Euch %S.390 tr"ate?<< fragte der Fremde. >>Am Gesicht schwerlich<<, %S.390 antwortete der Bauer, >>aber er hat ein Zeichen an sich, %S.390 ein Muttermal auf der Schulter, das wie eine Bohne %S.390 aussieht.<< Als er das gesagt hatte, zog der Fremde den %S.390 Rock aus, entbl"o"ste seine Schulter und zeigte dem Bauer %S.390 die Bohne. >>Herr Gott<<, rief der Alte, >>du bist wahrhaftig %S.390 mein Sohn<<, und die Liebe zu seinem Kind regte %S.390 sich in seinem Herzen. >>Aber<<, setzte er hinzu, >>wie %S.390 kannst du mein Sohn sein, du bist ein gro"ser Herr %S.390 geworden und lebst in Reichtum und "Uberflu"s? Auf %S.390 welchem Weg bist du dazu gelangt?<< >>Ach, Vater<<, %S.390 erwiderte der Sohn, >>der junge Baum war an keinen %S.390 Pfahl gebunden und ist krumm gewachsen: jetzt ist er zu %S.390 alt; er wird nicht wieder gerad. Wie ich das alles erworben %S.390 habe? Ich bin ein Dieb geworden. Aber erschreckt %S.390 Euch nicht, ich bin ein Meisterdieb. F"ur mich gibt es %S.390 weder Schlo"s noch Riegel: wonach mich gel"ustet, das ist %S.390 mein. Glaubt nicht, da"s ich stehle wie ein gemeiner Dieb, %S.390 ich nehme nur vom "Uberflu"s der Reichen. Arme Leute %S.390 sind sicher: ich gebe ihnen lieber, als da"s ich ihnen etwas %S.390 nehme. So auch, was ich ohne M"uhe, List und Gewandtheit %S.391 haben kann, das r"uhre ich nicht an.<< >>Ach, mein %S.391 Sohn<<, sagte der Vater, >>es gef"allt mir doch nicht, ein Dieb %S.391 bleibt ein Dieb; ich sage dir, es nimmt kein gutes Ende.<< Er %S.391 f"uhrte ihn zu der Mutter, und als sie h"orte, da"s es ihr Sohn %S.391 war, weinte sie vor Freude, als er ihr aber sagte, da"s er ein %S.391 Meisterdieb geworden w"are, so flossen ihr zwei Str"ome %S.391 "uber das Gesicht. Endlich sagte sie: >>Wenn er auch ein Dieb %S.391 geworden ist, so ist er doch mein Sohn, und meine Augen %S.391 haben ihn noch einmal gesehen.<< %S.391 Sie setzten sich an den Tisch, und er a"s mit seinen Eltern %S.391 wieder einmal die schlechte Kost, die er lange nicht %S.391 gegessen hatte. Der Vater sprach: >>Wenn unser Herr, der %S.391 Graf dr"uben im Schlosse, erf"ahrt, wer du bist und was du %S.391 treibst, so nimmt er dich nicht auf die Arme und wiegt %S.391 dich darin, wie er tat, als er dich am Taufstein hielt, %S.391 sondern er l"a"st dich am Galgenstrick schaukeln.<< >>Seid %S.391 ohne Sorge, mein Vater, er wird mir nichts tun, denn ich %S.391 verstehe mein Handwerk. Ich will heute noch selbst zu %S.391 ihm gehen.<< Als die Abendzeit sich n"aherte, setzte sich %S.391 der Meisterdieb in seinen Wagen und fuhr nach dem %S.391 Schlo"s. Der Graf empfing ihn mit Artigkeit, weil er ihn %S.391 f"ur einen vornehmen Mann hielt. Als aber der Fremde %S.391 sich zu erkennen gab, so erbleichte er und schwieg eine %S.391 Zeitlang ganz still. Endlich sprach er: >>Du bist mein %S.391 Pate, deshalb will ich Gnade f"ur Recht ergehen lassen %S.391 und nachsichtig mit dir verfahren. Weil du dich r"uhmst, %S.391 ein Meisterdieb zu sein, so will ich deine Kunst auf die %S.391 Probe stellen, wenn du aber nicht bestehst, so mu"st du %S.391 mit des Seilers Tochter Hochzeit halten, und das %S.391 Gekr"achze der Raben soll deine Musik dabei sein.<< %S.391 >>Herr Graf<<, antwortete der Meister, >>denkt Euch drei %S.391 St"u"cke aus, so schwer Ihr wollt, und wenn ich Eure %S.391 Aufgabe nicht l"ose, so tut mit mir, wie Euch gef"allt.<< %S.391 Der Graf sann einige Augenbli"cke nach, dann sprach er: %S.391 >>Wohlan, zum ersten sollst du mir mein Leibpferd aus %S.391 dem Stalle stehlen, zum andern sollst du mir und meiner %S.392 Gemahlin, wenn wir eingeschlafen sind, das Bettuch %S.392 unter dem Leib wegnehmen, ohne da"s wir's merken, %S.392 und dazu meiner Gemahlin den Trauring vom Finger; %S.392 zum dritten und letzten sollst du mir den Pfarrer und %S.392 K"uster aus der Kirche wegstehlen. Merke dir alles wohl, %S.392 denn es geht dir an den Hals.<< %S.392 Der Meister begab sich in die zun"achstliegende Stadt. %S.392 Dort kaufte er einer alten Bauerfrau die Kleider ab und %S.392 zog sie an. Dann f"arbte er sich das Gesicht braun und %S.392 malte sich noch Runzeln hinein, so da"s ihn kein Mensch %S.392 wiedererkannt h"atte. Endlich f"ullte er ein F"a"schen mit %S.392 altem Ungarwein, in welchen ein starker Schlaftrunk %S.392 gemischt war. Das F"a"schen legte er auf eine K"otze, die er %S.392 auf den R"u"cken nahm, und ging mit bed"achtigen, %S.392 schwankenden Schritten zu dem Schlo"s des Grafen. Es %S.392 war schon dunkel, als er anlangte; er setzte sich in dem %S.392 Hof auf einen Stein, fing an zu husten wie eine alte, %S.392 brustkranke Frau und rieb die H"ande, als wenn er fr"ore. %S.392 Vor der T"ure des Pferdestalls lagen Soldaten um ein %S.392 Feuer; einer von ihnen bemerkte die Frau und rief ihr zu: %S.392 >>Komm n"aher, altes M"utterchen, und w"arme dich bei %S.392 uns. Du hast doch kein Nachtlager und nimmst es an, wo %S.392 du es findest.<< Die Alte trippelte herbei, bat, ihr die %S.392 K"otze vom R"u"cken zu heben, und setzte sich zu ihnen %S.392 ans Feuer. >>Was hast du da in deinem F"a"schen, du alte %S.392 Schachtel?<< fragte einer. >>Einen guten Schluck Wein<<, %S.392 antwortete sie, >>ich ern"ahre mich mit dem Handel, f"ur %S.392 Geld und gute Worte gebe ich Euch gerne ein Glas.<< %S.392 >>Nur her damit<<, sagte der Soldat, und als er ein Glas %S.392 gekostet hatte, rief er: >>Wenn der Wein gut ist, so trink %S.392 ich lieber ein Glas mehr<<, lie"s sich nochmals einschenken, %S.392 und die andern folgten seinem Beispiel. >>Heda, %S.392 Kameraden<<, rief einer denen zu, die in dem Stall sa"sen, %S.392 >>hier ist ein M"utterchen, das hat Wein, der so alt ist wie %S.392 sie selber, nehmt auch einen Schluck, der w"armt euch %S.392 den Magen noch besser als unser Feuer.<< Die Alte trug %S.393 ihr F"a"schen in den Stall. Einer hatte sich auf das gesattelte %S.393 Leibpferd gesetzt, ein anderer hielt den Zaum in der %S.393 Hand, ein dritter hatte den Schwanz gepackt. Sie %S.393 schenkte ein, soviel verlangt ward, bis die Quelle versiegte. %S.393 Nicht lange, so fiel dem einen der Zaum aus der %S.393 Hand, er sank nieder und fing an zu schnarchen, der %S.393 andere lie"s den Schwanz los, legte sich nieder und %S.393 schnarchte noch lauter. Der, welcher im Sattel sa"s, blieb %S.393 zwar sitzen, bog sich aber mit dem Kopf fast bis auf den %S.393 Hals des Pferdes, schlief und blies mit dem Mund wie ein %S.393 Schmiedebalg. Die Soldaten drau"sen waren schon l"angst %S.393 eingeschlafen, lagen auf der Erde und regten sich nicht, %S.393 als w"aren sie von Stein. Als der Meisterdieb sah, da"s es %S.393 ihm gegl"uckt war, gab er dem einen statt des Zaums ein %S.393 Seil in die Hand und dem andern, der den Schwanz %S.393 gehalten hatte, einen Strohwisch; aber was sollte er mit %S.393 dem, der auf dem R"u"cken des Pferdes sa"s, anfangen? %S.393 Herunterwerfen wollte er ihn nicht, er h"atte erwachen %S.393 und ein Geschrei erheben k"onnen. Er wu"ste aber guten %S.393 Rat, er schnallte die Sattelgurt auf, kn"upfte ein paar Seile, %S.393 die in Ringen an der Wand hingen, an den Sattel fest und %S.393 zog den schlafenden Reiter mit dem Sattel in die H"ohe, %S.393 dann schlug er die Seile um den Pfosten und machte sie %S.393 fest. Das Pferd hatte er bald von der Kette losgebunden, %S.393 aber wenn er "uber das steinerne Pflaster des Hofs geritten %S.393 w"are, so h"atte man den L"arm im Schlo"s geh"ort. Er %S.393 umwi"ckelte ihm also zuvor die Hufen mit alten Lappen, %S.393 f"uhrte es dann vorsichtig hinaus, schwang sich auf und %S.393 jagte davon. %S.393 Als der Tag angebrochen war, sprengte der Meister auf %S.393 dem gestohlenen Pferd zu dem Schlo"s. Der Graf war %S.393 eben aufgestanden und blickte aus dem Fenster. >>Guten %S.393 Morgen, Herr Graf<<, rief er ihm zu, >>hier ist das Pferd, %S.393 das ich gl"ucklich aus dem Stall geholt habe. Schaut nur, %S.393 wie sch"on Eure Soldaten da liegen und schlafen, und %S.393 wenn Ihr in den Stall gehen wollt, so werdet Ihr sehen, %S.394 wie bequem sich's Eure W"achter gemacht haben.<< Der %S.394 Graf mu"ste lachen, dann sprach er: >>Einmal ist dir's %S.394 gelungen, aber das zweitemal wird's nicht so gl"ucklich %S.394 ablaufen. Und ich warne dich, wenn du mir als Dieb %S.394 begegnest, so behandle ich dich auch wie einen Dieb.<< %S.394 Als die Gr"afin abends zu Bette gegangen war, schlo"s sie %S.394 die Hand mit dem Trauring fest zu, und der Graf sagte: %S.394 >>Alle T"uren sind verschlossen und verriegelt, ich bleibe %S.394 wach und will den Dieb erwarten; steigt er aber zum %S.394 Fenster ein, so schie"se ich ihn nieder.<< Der Meisterdieb %S.394 aber ging in der Dunkelheit hinaus zu dem Galgen, %S.394 schnitt einen armen S"under, der da hing, von dem Strick %S.394 ab und trug ihn auf dem R"u"cken nach dem Schlo"s. Dort %S.394 stellte er eine Leiter an das Schlafgemach, setzte den %S.394 Toten auf seine Schultern und fing an hinaufzusteigen. %S.394 Als er so hoch gekommen war, da"s der Kopf des Toten %S.394 in dem Fenster erschien, dr"uckte der Graf, der in seinem %S.394 Bett lauerte, eine Pistole auf ihn los; alsbald lie"s der %S.394 Meister den armen S"under herabfallen, sprang selbst die %S.394 Leiter herab, und versteckte sich in eine E"cke. Die Nacht %S.394 war von dem Mond so weit erhellt, da"s der Meister %S.394 deutlich sehen konnte, wie der Graf aus dem Fenster auf %S.394 die Leiter stieg, herabkam und den Toten in den Garten %S.394 trug. Dort fing er an, ein Loch zu graben, in das er ihn %S.394 legen wollte. >>Jetzt<<, dachte der Dieb, >>ist der g"unstige %S.394 Augenblick gekommen<<, schlich behende aus seinem %S.394 Winkel und stieg die Leiter hinauf, geradezu ins Schlafgemach %S.394 der Gr"afin. >>Liebe Frau<<, fing er mit der Stimme %S.394 des Grafen an, >>der Dieb ist tot, aber er ist doch mein %S.394 Pate und mehr ein Schelm als ein B"osewicht gewesen: ich %S.394 will ihn der "offentlichen Schande nicht preisgeben; auch %S.394 mit den armen Eltern habe ich Mitleid. Ich will ihn, %S.394 bevor der Tag anbricht, selbst im Garten begraben, %S.394 damit die Sache nicht ruchtbar wird. Gib mir auch das %S.394 Bettuch, so will ich die Leiche einh"ullen und ihn wie %S.394 einen Hund verscharren.<< Die Gr"afin gab ihm das Tuch. %S.395 >>Wei"st du was<<, sagte der Dieb weiter, >>ich habe eine %S.395 Anwandlung von Gro"smut, gib mir noch den Ring; der %S.395 Ungl"uckliche hat sein Leben gewagt, so mag er ihn ins %S.395 Grab mitnehmen.<< Sie wollte dem Grafen nicht entgegen %S.395 sein, und obgleich sie es ungern tat, so zog sie doch den %S.395 Ring vom Finger und reichte ihn hin. Der Dieb machte %S.395 sich mit beiden St"u"cken fort und kam gl"ucklich nach %S.395 Haus, bevor der Graf im Garten mit seiner Totengr"aberarbeit %S.395 fertig war. %S.395 Was zog der Graf f"ur ein langes Gesicht, als am andern %S.395 Morgen der Meister kam und ihm das Bettuch und den %S.395 Ring brachte. >>Kannst du hexen?<< sagte er zu ihm. >>Wer %S.395 hat dich aus dem Grab geholt, in das ich selbst dich %S.395 gelegt habe, und hat dich wieder lebendig gemacht?<< %S.395 >>Mich habt Ihr nicht begraben<<, sagte der Dieb, >>sondern %S.395 den armen S"under am Galgen<<, und erz"ahlte ausf"uhrlich, %S.395 wie es zugegangen war; und der Graf mu"ste %S.395 ihm zugestehen, da"s er ein gescheiter und listiger Dieb %S.395 w"are. >>Aber noch bist du nicht zu Ende<<, setzte er %S.395 hinzu, >>du hast noch die dritte Aufgabe zu l"osen, und %S.395 wenn dir das nicht gelingt, so hilft dir alles nichts.<< Der %S.395 Meister l"achelte und gab keine Antwort. %S.395 Als die Nacht eingebrochen war, kam er mit einem %S.395 langen Sack auf dem R"u"cken, einem B"undel unter dem %S.395 Arm und einer Laterne in der Hand zu der Dorfkirche %S.395 gegangen. In dem Sack hatte er Krebse, in dem B"undel %S.395 aber kurze Wachslichter. Er setzte sich auf den Gottesa"cker, %S.395 holte einen Krebs heraus und klebte ihm ein %S.395 Wachslichtchen auf den R"u"cken; dann z"undete er das %S.395 Lichtchen an, setzte den Krebs auf den Boden und lie"s %S.395 ihn kriechen. Er holte einen zweiten aus dem Sack, %S.395 machte es mit diesem ebenso und fuhr fort, bis auch der %S.395 letzte aus dem Sa"cke war. Hierauf zog er ein langes %S.395 schwarzes Gewand an, das wie eine M"onchskutte aussah, %S.395 und klebte sich einen grauen Bart an das Kinn. Als er %S.395 endlich ganz unkenntlich war, nahm er den Sack, in dem %S.396 die Krebse gewesen waren, ging in die Kirche und stieg %S.396 auf die Kanzel. Die Turmuhr schlug eben zw"olf; als der %S.396 letzte Schlag verklungen war, rief er mit lauter, gellender %S.396 Stimme: >>H"ort an, ihr s"undigen Menschen, das Ende %S.396 aller Dinge ist gekommen, der J"ungste Tag ist nahe: h"ort %S.396 an, h"ort an. Wer mit mir in den Himmel will, der krieche %S.396 in den Sack. Ich bin Petrus, der die Himmelst"ure "offnet %S.396 und schlie"st. Seht ihr, drau"sen auf dem Gottesa"cker %S.396 wandeln die Gestorbenen und sammeln ihre Gebeine %S.396 zusammen. Kommt, kommt und kriecht in den Sack, die %S.396 Welt geht unter.<< Das Geschrei erschallte durch das %S.396 ganze Dorf. Der Pfarrer und der K"uster, die zun"achst an %S.396 der Kirche wohnten, hatten es zuerst vernommen, und %S.396 als sie die Lichter erblickten, die auf dem Gottesa"cker %S.396 umherwandelten, merkten sie, da"s etwas Ungew"ohnliches %S.396 vorging, und traten sie in die Kirche ein. Sie h"orten %S.396 der Predigt eine Weile zu, da stie"s der K"uster den Pfarrer %S.396 an und sprach: >>Es w"are nicht "ubel, wenn wir die %S.396 Gelegenheit benutzten und zusammen vor dem Einbruch %S.396 des J"ungsten Tags auf eine leichte Art in den Himmel %S.396 k"amen.<< >>Freilich<<, erwiderte der Pfarrer, >>das sind %S.396 auch meine Gedanken gewesen; habt Ihr Lust, so wollen %S.396 wir uns auf den Weg machen.<< >>Ja<<, antwortete der %S.396 K"uster, >>aber Ihr, Herr Pfarrer, habt den Vortritt, ich %S.396 folge nach.<< Der Pfarrer schritt also vor und stieg auf die %S.396 Kanzel, wo der Meister den Sack "offnete. Der Pfarrer %S.396 kroch zuerst hinein, dann der K"uster. Gleich band der %S.396 Meister den Sack fest zu, packte ihn am Bausch und %S.396 schleifte ihn die Kanzeltreppe hinab; sooft die K"opfe der %S.396 beiden Toren auf die Stufen aufschlugen, rief er: >>Jetzt %S.396 geht's schon "uber die Berge.<< Dann zog er sie auf gleiche %S.396 Weise durch das Dorf, und wenn sie durch Pf"utzen %S.396 kamen, rief er: >>Jetzt geht's schon durch die nassen %S.396 Wolken<<, und als er sie endlich die Schlo"streppe hinaufzog, %S.396 so rief er: >>Jetzt sind wir auf der Himmelstreppe %S.396 und werden bald im Vorhof sein.<< Als er oben angelangt %S.397 war, schob er den Sack in den Taubenschlag, und als die %S.397 Tauben flatterten, sagte er: >>H"ort ihr, wie die Engel sich %S.397 freuen und mit den Fittichen schlagen.<< Dann schob er %S.397 den Riegel vor und ging fort. %S.397 Am andern Morgen begab er sich zu dem Grafen und %S.397 sagte ihm, da"s er auch die dritte Aufgabe gel"ost und den %S.397 Pfarrer und K"uster aus der Kirche weggef"uhrt h"atte. %S.397 >>Wo hast du sie gelassen?<< fragte der Herr. >>Sie liegen in %S.397 einem Sack oben auf dem Taubenschlag und bilden sich %S.397 ein, sie w"aren im Himmel.<< Der Graf stieg selbst hinauf %S.397 und "uberzeugte sich, da"s er die Wahrheit gesagt hatte. %S.397 Als er den Pfarrer und K"uster aus dem Gef"angnis befreit %S.397 hatte, sprach er: >>Du bist ein Erzdieb und hast deine %S.397 Sache gewonnen. F"ur diesmal kommst du mit heiler %S.397 Haut davon, aber mache, da"s du aus meinem Land %S.397 fortkommst, denn wenn du dich wieder darin betreten %S.397 l"a"st, so kannst du auf deine Erh"ohung am Galgen rechnen.<< %S.397 Der Erzdieb nahm Abschied von seinen Eltern, %S.397 ging wieder in die weite Welt, und niemand hat wieder %S.397 etwas von ihm geh"ort. %S.397