% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1991", % volume = "2", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3192 [6]", % isbn = "3-15-003192-3", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1991" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von M. Hirao, am 22. M"arz 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 31. M"arz 2001 % \maerchentitel{KHM 191: Das Meerh"aschen} \markright{KHM 191: Das Meerh"aschen} Es war einmal eine K"onigstochter, die hatte in ihrem %S.385 Schlo"s hoch unter der Zinne einen Saal mit zw"olf Fenstern, %S.385 die gingen nach allen Himmelsgegenden, und %S.385 wenn sie hinaufstieg und umherschaute, so konnte sie ihr %S.385 ganzes Reich "ubersehen. Aus dem ersten sah sie schon %S.385 sch"arfer als andere Menschen, in dem zweiten noch %S.385 besser, in dem dritten noch deutlicher, und so immer %S.385 weiter bis in dem zw"olften, wo sie alles sah, was "uber %S.385 und unter der Erde war, und ihr nichts verborgen bleiben %S.385 konnte. Weil sie aber stolz war, sich niemand unterwerfen %S.385 wollte und die Herrschaft allein behalten, so lie"s sie %S.385 bekanntmachen, es sollte niemand ihr Gemahl werden, %S.385 der sich nicht so vor ihr verstecken k"onnte, da"s es ihr %S.385 unm"oglich w"are, ihn zu finden. Wer es aber versuche %S.385 und sie entdecke ihn, so werde ihm das Haupt abgeschlagen %S.385 und auf einen Pfahl gesteckt. Es standen schon %S.385 siebenundneunzig Pf"ahle mit toten H"auptern vor dem %S.385 Schlo"s, und in langer Zeit meldete sich niemand. Die %S.385 K"onigstochter war vergn"ugt und dachte: >>Ich werde nun %S.385 f"ur mein Lebtag frei bleiben.<< Da erschienen drei Br"uder %S.385 vor ihr und k"undigten ihr an, da"s sie ihr Gl"uck versuchen %S.385 wollten. Der "alteste glaubte sicher zu sein, wenn er %S.385 in ein Kalkloch krieche, aber sie erblickte ihn schon aus %S.385 dem ersten Fenster, lie"s ihn herausziehen und ihm das %S.386 Haupt abschlagen. Der zweite kroch in den Keller des %S.386 Schlosses, aber auch diesen erblickte sie aus dem ersten %S.386 Fenster, und es war um ihn geschehen: sein Haupt kam %S.386 auf den neunundneunzigsten Pfahl. Da trat der j"ungste %S.386 vor sie hin und bat, sie m"ochte ihm einen Tag Bedenkzeit %S.386 geben, auch so gn"adig sein, es ihm zweimal zu schenken, %S.386 wenn sie ihn entdecke; mi"slinge es ihm zum drittenmal, %S.386 so wolle er sich nichts mehr aus seinem Leben machen. %S.386 Weil er so sch"on war und so herzlich bat, so sagte sie: %S.386 >>Ja, ich will dir das bewilligen, aber es wird dir nicht %S.386 gl"ucken.<< %S.386 Den folgenden Tag sann er lange nach, wie er sich %S.386 verstecken wollte, aber es war vergeblich. Da ergriff er %S.386 seine B"uchse und ging hinaus auf die Jagd. Er sah einen %S.386 Raben und nahm ihn aufs Korn; eben wollte er losdr"ucken, %S.386 da rief der Rabe: >>Schie"s nicht, ich will dir's %S.386 vergelten!<< Er setzte ab, ging weiter und kam an einen %S.386 See, wo er einen gro"sen Fisch "uberraschte, der aus der %S.386 Tiefe herauf an die Oberfl"ache des Wassers gekommen %S.386 war. Als er angelegt hatte, rief der Fisch: >>Schie"s nicht, %S.386 ich will dir's vergelten!<< Er lie"s ihn untertauchen, ging %S.386 weiter und begegnete einem Fuchs, der hinkte. Er scho"s %S.386 und verfehlte ihn, da rief der Fuchs: >>Komm lieber her %S.386 und zieh mir den Dorn aus dem Fu"s.<< Er tat es zwar, %S.386 wollte aber dann den Fuchs t"oten und ihm den Balg %S.386 abziehen. Der Fuchs sprach: >>La"s ab, ich will dir's %S.386 vergelten!<< Der J"ungling lie"s ihn laufen, und da es %S.386 Abend war, kehrte er heim. %S.386 Am andern Tag sollte er sich verkriechen, aber wie er %S.386 sich auch den Kopf dar"uber zerbrach, er wu"ste nicht %S.386 wohin. Er ging in den Wald zu dem Raben und sprach: %S.386 >>Ich habe dich leben lassen, jetzt sage mir, wohin ich %S.386 mich verkriechen soll, damit mich die K"onigstochter %S.386 nicht sieht.<< Der Rabe senkte den Kopf und bedachte %S.386 sich lange. Endlich schnarrte er: >>Ich hab's heraus!<< Er %S.386 holte ein Ei aus seinem Nest, zerlegte es in zwei Teile %S.387 und schlo"s den J"ungling hinein; dann machte er es %S.387 wieder ganz und setzte sich darauf. Als die K"onigstochter %S.387 an das erste Fenster trat, konnte sie ihn nicht entdecken, %S.387 auch nicht in den folgenden, und es fing an, ihr %S.387 bange zu werden, doch im elften erblickte sie ihn. Sie lie"s %S.387 den Raben schie"sen, das Ei holen und zerbrechen, und %S.387 der J"ungling mu"ste herauskommen. Sie sprach: >>Einmal %S.387 ist es dir geschenkt, wenn du es nicht besser machst, so %S.387 bist du verloren.<< %S.387 Am folgenden Tag ging er an den See, rief den Fisch %S.387 herbei und sprach: >>Ich habe dich leben lassen, nun sage, %S.387 wohin soll ich mich verbergen, damit mich die K"onigstochter %S.387 nicht sieht.<< Der Fisch besann sich, endlich rief %S.387 er: >>Ich hab's heraus! Ich will dich in meinen Bauch %S.387 verschlie"sen.<< Er verschluckte ihn und fuhr hinab auf %S.387 den Grund des Sees. Die K"onigstochter blickte durch %S.387 ihre Fenster, auch im elften sah sie ihn nicht und war %S.387 best"urzt, doch endlich im zw"olften entdeckte sie ihn. Sie %S.387 lie"s den Fisch fangen und t"oten, und der J"ungling kam %S.387 zum Vorschein. Es kann sich jeder denken, wie ihm %S.387 zumut war. Sie sprach: >>Zweimal ist dir's geschenkt, %S.387 aber dein Haupt wird wohl auf den hundertsten Pfahl %S.387 kommen.<< %S.387 An dem letzten Tag ging er mit schwerem Herzen aufs %S.387 Feld und begegnete dem Fuchs. >>Du wei"st alle Schlupfwinkel %S.387 zu finden<<, sprach er, >>ich habe dich leben lassen, %S.387 jetzt rat mir, wohin ich mich verstecken soll, damit mich %S.387 die K"onigstochter nicht findet.<< >>Ein schweres St"uck<<, %S.387 antwortete der Fuchs und machte ein bedenkliches %S.387 Gesicht. Endlich rief er: >>Ich hab's heraus!<< Er ging mit %S.387 ihm zu einer Quelle, tauchte sich hinein und kam als ein %S.387 Marktkr"amer und Tierh"andler heraus. Der J"ungling %S.387 mu"ste sich auch in das Wasser tauchen und ward in ein %S.387 kleines Meerh"aschen verwandelt. Der Kaufmann zog in %S.387 die Stadt und zeigte das artige Tierchen. Es lief viel Volk %S.387 zusammen, um es anzusehen. Zuletzt kam auch die %S.388 K"onigstochter, und weil sie gro"sen Gefallen daran hatte, %S.388 kaufte sie es und gab dem Kaufmann viel Geld daf"ur. %S.388 Bevor er es ihr hinreichte, sagte er zu ihm: >>Wenn die %S.388 K"onigstochter ans Fenster geht, so krieche schnell unter %S.388 ihren Zopf.<< Nun kam die Zeit, wo sie ihn suchen sollte. %S.388 Sie trat nach der Reihe an die Fenster vom ersten bis zum %S.388 elften und sah ihn nicht. Als sie ihn auch bei dem %S.388 zw"olften nicht sah, war sie voll Angst und Zorn und %S.388 schlug es so gewaltig zu, da"s das Glas in allen Fenstern in %S.388 tausend St"ucke zersprang und das ganze Schlo"s erzitterte. %S.388 Sie ging zur"uck und f"uhlte das Meerh"aschen unter ihrem %S.388 Zopf, da packte sie es, warf es zu Boden und rief: >>Fort, %S.388 mir aus den Augen!<< Es lief zum Kaufmann, und beide %S.388 eilten zur Quelle, wo sie sich untertauchten und ihre %S.388 wahre Gestalt zur"uckerhielten. Der J"ungling dankte dem %S.388 Fuchs und sprach: >>Der Rabe und der Fisch sind blitzdumm %S.388 gegen dich, du wei"st die rechten Pfiffe, das mu"s %S.388 wahr sein!<< %S.388 Der J"ungling ging geradezu in das Schlo"s. Die K"onigstochter %S.388 wartete schon auf ihn und f"ugte sich ihrem %S.388 Schicksal. Die Hochzeit ward gefeiert, und er war jetzt %S.388 der K"onig und Herr des ganzen Reichs. Er erz"ahlte ihr %S.388 niemals, wohin er sich zum drittenmal versteckt und wer %S.388 ihm geholfen hatte, und so glaubte sie, er habe alles aus %S.388 eigener Kunst getan, und hatte Achtung vor ihm, denn %S.388 sie dachte bei sich: >>Der kann doch mehr als du!<< %S.388