% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1991", % volume = "2", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3192 [6]", % isbn = "3-15-003192-3", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1991" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von M. Hirao, am 15. M"arz 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 31. M"arz 2001 % \maerchentitel{KHM 188: Spindel, Weberschiffchen und Nadel} \markright{KHM 188: Spindel, Weberschiffchen und Nadel} Es war einmal ein M"adchen, dem starb Vater und Mutter, %S.380 als es noch ein kleines Kind war. Am Ende des %S.380 Dorfes wohnte in einem H"auschen ganz allein seine Pate, %S.380 die sich von Spinnen, Weben und N"ahen ern"ahrte. Die %S.380 Alte nahm das verlassene Kind zu sich, hielt es zur %S.380 Arbeit an und erzog es in aller Fr"ommigkeit. Als das %S.380 M"adchen f"unfzehn Jahr alt war, erkrankte sie, rief das %S.380 Kind an ihr Bett und sagte: >>Liebe Tochter, ich f"uhle, %S.380 da"s mein Ende herannaht, ich hinterlasse dir das H"auschen, %S.380 darin bist du vor Wind und Wetter gesch"utzt, dazu %S.380 Spindel, Weberschiffchen und Nadel, damit kannst du %S.380 dir dein Brot verdienen.<< Sie legte noch die H"ande auf %S.380 seinen Kopf, segnete es und sprach: >>Behalt nur Gott in %S.380 dem Herzen, so wird dir's wohl gehen.<< Darauf schlo"s %S.380 sie die Augen, und als sie zur Erde bestattet wurde, ging %S.380 das M"adchen bitterlich weinend hinter dem Sarg und %S.380 erwies ihr die letzte Ehre. %S.380 Das M"adchen lebte nun in dem kleinen Haus ganz allein, %S.380 war flei"sig, spann, webte und n"ahte, und auf allem, was %S.380 es tat, ruhte der Segen der guten Alten. Es war, als ob %S.380 sich der Flachs in der Kammer von selbst mehrte, und %S.380 wenn sie ein St"uck Tuch oder einen Teppich gewebt oder %S.380 ein Hemd gen"aht hatte, so fand sich gleich ein K"aufer, %S.380 der es reichlich bezahlte, so da"s sie keine Not empfand %S.380 und andern noch etwas mitteilen konnte. %S.380 Um diese Zeit zog der Sohn des K"onigs im Land umher %S.380 und wollte sich eine Braut suchen. Eine arme sollte er %S.381 nicht w"ahlen, und eine reiche wollte er nicht. Da sprach %S.381 er: >>Die soll meine Frau werden, die zugleich die "armste %S.381 und die reichste ist.<< Als er in das Dorf kam, wo das %S.381 M"adchen lebte, fragte er, wie er "uberall tat, wer in dem %S.381 Ort die reichste und "armste w"are. Sie nannten ihm die %S.381 reichste zuerst; die "armste, sagten sie, w"are das M"adchen, %S.381 das in dem kleinen Haus ganz am Ende wohnte. %S.381 Die Reiche sa"s vor der Haust"ur in vollem Putz, und als %S.381 der K"onigssohn sich n"aherte, stand sie auf, ging ihm %S.381 entgegen und neigte sich vor ihm. Er sah sie an, sprach %S.381 kein Wort und ritt weiter. Als er zu dem Haus der %S.381 Armen kam, stand das M"adchen nicht an der T"ure, %S.381 sondern sa"s in seinem St"ubchen. Er hielt das Pferd an %S.381 und sah durch das Fenster, durch das die helle Sonne %S.381 schien, das M"adchen an dem Spinnrad sitzen und emsig %S.381 spinnen. Es blickte auf, und als es bemerkte, da"s der %S.381 K"onigssohn hereinschaute, ward es "uber und "uber rot, %S.381 schlug die Augen nieder und spann weiter; ob der Faden %S.381 diesmal ganz gleich ward, wei"s ich nicht, aber es spann %S.381 so lange, bis der K"onigssohn wieder weggeritten war. %S.381 Dann trat es ans Fenster, "offnete es und sagte: >>Es ist so %S.381 hei"s in der Stube<<, aber es blickte ihm nach, solange es %S.381 noch die wei"sen Federn an seinem Hut erkennen %S.381 konnte. %S.381 Das M"adchen setzte sich wieder in seine Stube zur Arbeit %S.381 und spann weiter. Da kam ihm ein Spruch in den Sinn, %S.381 den die Alte manchmal gesagt hatte, wenn es bei der %S.381 Arbeit sa"s, und es sang so vor sich hin: %S.381 \begin{verse} >>Spindel, Spindel, geh du aus, \\ %S.381 bring den Freier in mein Haus.<< %S.381 \end{verse} Was geschah? Die Spindel sprang ihm augenblicklich aus %S.381 der Hand und zur T"ure hinaus; und als es vor Verwunderung %S.381 aufstand und ihr nachblickte, so sah es, da"s sie %S.381 lustig in das Feld hineintanzte und einen gl"anzenden %S.381 goldenen Faden hinter sich herzog. Nicht lange, so war %S.381 sie ihm aus den Augen entschwunden. Das M"adchen, da %S.382 es keine Spindel mehr hatte, nahm das Weberschiffchen %S.382 in die Hand, setzte sich an den Webstuhl und fing an zu %S.382 weben. %S.382 Die Spindel aber tanzte immer weiter, und eben als der %S.382 Faden zu Ende war, hatte sie den K"onigssohn erreicht. %S.382 >>Was sehe ich?<< rief er. >>Die Spindel will mir wohl den %S.382 Weg zeigen?<< Drehte sein Pferd um und ritt an dem %S.382 goldenen Faden zur"uck. Das M"adchen aber sa"s an seiner %S.382 Arbeit und sang: %S.382 \begin{verse} >>Schiffchen, Schiffchen, webe fein, \\ %S.382 f"uhr den Freier mir herein.<< %S.382 \end{verse} Alsbald sprang ihr das Schiffchen aus der Hand und %S.382 sprang zur T"ure hinaus. Vor der T"urschwelle aber fing es %S.382 an, einen Teppich zu weben, sch"oner, als man je einen %S.382 gesehen hat. Auf beiden Seiten bl"uhten Rosen und %S.382 Lilien, und in der Mitte auf goldenem Grund stiegen %S.382 gr"une Ranken herauf, darin sprangen Hasen und Kaninchen; %S.382 Hirsche und Rehe streckten die K"opfe dazwischen; %S.382 oben in den Zweigen sa"sen bunte V"ogel; es fehlte nichts, %S.382 als da"s sie gesungen h"atten. Das Schiffchen sprang hin %S.382 und her, und es war, als w"uchse alles von selber. %S.382 Weil das Schiffchen fortgelaufen war, hatte sich das %S.382 M"adchen zum N"ahen hingesetzt; es hielt die Nadel in der %S.382 Hand und sang: %S.382 \begin{verse} >>Nadel, Nadel, spitz und fein, \\ %S.382 mach das Haus dem Freier rein.<< %S.382 \end{verse} Da sprang ihr die Nadel aus den Fingern und flog in der %S.382 Stube hin und her, so schnell wie der Blitz. Es war nicht %S.382 anders, als wenn unsichtbare Geister arbeiteten, alsbald %S.382 "uberzogen sich Tisch und B"anke mit gr"unem Tuch, die %S.382 St"uhle mit Sammet, und an den Fenstern hingen seidene %S.382 Vorh"ange herab. Kaum hatte die Nadel den letzten Stich %S.382 getan, so sah das M"adchen schon durch das Fenster die %S.382 wei"sen Federn von dem Hut des K"onigssohns, den die %S.382 Spindel an dem goldenen Faden herbeigeholt hatte. Er %S.382 stieg ab, schritt "uber den Teppich in das Haus herein, %S.383 und als er in die Stube trat, stand das M"adchen da in %S.383 seinem "armlichen Kleid, aber es gl"uhte darin wie eine %S.383 Rose im Busch. >>Du bist die "Armste und auch die %S.383 Reichste<<, sprach er zu ihr, >>komm mit mir, du sollst %S.383 meine Braut sein.<< Sie schwieg, aber sie reichte ihm die %S.383 Hand. Da gab er ihr einen Ku"s, f"uhrte sie hinaus, hob sie %S.383 auf sein Pferd und brachte sie in das k"onigliche Schlo"s, %S.383 wo die Hochzeit mit gro"ser Freude gefeiert ward. Spindel, %S.383 Weberschiffchen und Nadel wurden in der Schatzkammer %S.383 verwahrt und in gro"sen Ehren gehalten. %S.383