% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1991", % volume = "2", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3192 [6]", % isbn = "3-15-003192-3", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1991" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von M. Hirao, am 12. M"arz 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 31. M"arz 2001 % % ck version (input e.g. Dru"cker instead of Drucker) % \maerchentitel{KHM 185: Der arme Junge im Grab} \markright{KHM 185: Der arme Junge im Grab} Es war einmal ein armer Hirtenjunge, dem war Vater %S.365 und Mutter gestorben, und er war von der Obrigkeit %S.365 einem reichen Mann in das Haus gegeben, der sollte ihn %S.365 ern"ahren und erziehen. Der Mann aber und seine Frau %S.365 hatten ein b"oses Herz, waren bei allem Reichtum geizig %S.365 und mi"sg"unstig und "argerten sich, wenn jemand einen %S.365 Bissen von ihrem Brot in den Mund steckte. Der arme %S.365 Junge mochte tun, was er wollte, er erhielt wenig zu %S.365 essen, aber desto mehr Schl"age. %S.365 Eines Tages sollte er die Glu"cke mit ihren K"uchlein %S.365 h"uten. Sie verlief sich aber mit ihren Jungen durch einen %S.365 He"ckenzaun: gleich scho"s der Habicht herab und entf"uhrte %S.365 sie durch die L"ufte. Der Junge schrie aus Leibeskr"aften: %S.365 >>Dieb, Dieb, Spitzbub.<< Aber was half das? Der %S.365 Habicht brachte seinen Raub nicht wieder zur"uck. Der %S.365 Mann h"orte den L"arm, lief herbei, und als er vernahm, %S.365 da"s seine Henne weg war, so geriet er in Wut und gab %S.365 dem Jungen eine solche Tracht Schl"age, da"s er sich ein %S.365 paar Tage lang nicht regen konnte. Nun mu"ste er die %S.365 K"uchlein ohne die Henne h"uten, aber da war die Not %S.365 noch gr"o"ser, das eine lief dahin, das andere dorthin. Da %S.365 meinte er, es klug zu machen, wenn er sie alle zusammen %S.365 an eine Schnur b"ande, weil ihm dann der Habicht keins %S.365 wegstehlen k"onnte. Aber weit gefehlt. Nach ein paar %S.365 Tagen, als er von dem Herumlaufen und vom Hunger %S.365 erm"udet einschlief, kam der Raubvogel und packte eins %S.365 von den K"uchlein, und da die andern daran festhingen, %S.365 so trug er sie alle mit fort, setzte sich auf einen Baum und %S.365 schluckte sie hinunter. Der Bauer kam eben nach Haus, %S.365 und als er das Ungl"uck sah, erboste er sich und schlug %S.365 den Jungen so unbarmherzig, da"s er mehrere Tage im %S.365 Bette liegen mu"ste. %S.365 Als er wieder auf den Beinen war, sprach der Bauer zu %S.366 ihm: >>Du bist mir zu dumm, ich kann dich zum H"uter %S.366 nicht brauchen, du sollst als Bote gehen.<< Da schickte er %S.366 ihn zum Richter, dem er einen Korb voll Trauben bringen %S.366 sollte, und gab ihm noch einen Brief mit. Unterwegs %S.366 plagte Hunger und Durst den armen Jungen so heftig, %S.366 da"s er zwei von den Trauben a"s. Er brachte dem Richter %S.366 den Korb, als dieser aber den Brief gelesen und die %S.366 Trauben gez"ahlt hatte, so sagte er: >>Es fehlen zwei %S.366 St"uck.<< Der Junge gestand ganz ehrlich, da"s er, von %S.366 Hunger und Durst getrieben, die fehlenden verzehrt %S.366 habe. Der Richter schrieb einen Brief an den Bauer und %S.366 verlangte noch einmal so viel Trauben. Auch diese mu"ste %S.366 der Junge mit einem Brief hintragen. Als ihn wieder so %S.366 gewaltig hungerte und durstete, so konnte er sich nicht %S.366 anders helfen, er verzehrte abermals zwei Trauben. Doch %S.366 nahm er vorher den Brief aus dem Korb, legte ihn unter %S.366 einen Stein und setzte sich darauf, damit der Brief nicht %S.366 zusehen und ihn verraten k"onnte. Der Richter aber %S.366 stellte ihn doch der fehlenden St"u"cke wegen zur Rede. %S.366 >>Ach<<, sagte der Junge, >>wie habt Ihr das erfahren? Der %S.366 Brief konnte es nicht wissen, denn ich hatte ihn zuvor %S.366 unter einen Stein gelegt.<< Der Richter mu"ste "uber die %S.366 Einfalt lachen und schickte dem Mann einen Brief, worin %S.366 er ihn ermahnte, den armen Jungen besser zu halten und %S.366 es ihm an Speis und Trank nicht fehlen zu lassen; auch %S.366 m"ochte er ihn lehren, was Recht und Unrecht sei. %S.366 >>Ich will dir den Unterschied schon zeigen<<, sagte der %S.366 harte Mann; >>willst du aber essen, so mu"st du auch %S.366 arbeiten, und tust du etwas Unrechtes, so sollst du durch %S.366 Schl"age hinl"anglich belehrt werden.<< Am folgenden Tag %S.366 stellte er ihn an eine schwere Arbeit. Er sollte ein paar %S.366 Bund Stroh zum Futter f"ur die Pferde schneiden; dabei %S.366 drohte der Mann: >>In f"unf Stunden<<, sprach er, >>bin ich %S.366 wieder zur"uck, wenn dann das Stroh nicht zu H"acksel %S.366 geschnitten ist, so schlage ich dich so lange, bis du kein %S.366 Glied mehr regen kannst.<< Der Bauer ging mit seiner %S.367 Frau, dem Knecht und der Magd auf den Jahrmarkt und %S.367 lie"s dem Jungen nichts zur"uck als ein kleines St"uck Brot. %S.367 Der Junge stellte sich an den Strohstuhl und fing an, aus %S.367 allen Leibeskr"aften zu arbeiten. Da ihm dabei hei"s ward, %S.367 so zog er sein R"ocklein aus und warf's auf das Stroh. In %S.367 der Angst, nicht fertig zu werden, schnitt er immerzu, %S.367 und in seinem Eifer zerschnitt er unvermerkt mit dem %S.367 Stroh auch sein R"ocklein. Zu sp"at ward er das Ungl"uck %S.367 gewahr, das sich nicht wiedergutmachen lie"s. >>Ach<<, rief %S.367 er, >>jetzt ist es aus mit mir. Der b"ose Mann hat mir nicht %S.367 umsonst gedroht, kommt er zur"uck und sieht, was ich %S.367 getan habe, so schl"agt er mich tot. Lieber will ich mir %S.367 selbst das Leben nehmen.<< %S.367 Der Junge hatte einmal geh"ort, wie die B"auerin sprach: %S.367 >>Unter dem Bett habe ich einen Topf mit Gift stehen.<< %S.367 Sie hatte es aber nur gesagt, um die N"ascher zur"uckzuhalten, %S.367 denn es war Honig darin. Der Junge kroch unter %S.367 das Bett, holte den Topf hervor und a"s ihn ganz aus. %S.367 >>Ich wei"s nicht<<, sprach er, >>die Leute sagen, der Tod %S.367 sei bitter, mir schmeckt er s"u"s. Kein Wunder, da"s die %S.367 B"auerin sich so oft den Tod w"unscht.<< Er setzte sich auf %S.367 ein St"uhlchen und war gefa"st zu sterben. Aber statt da"s %S.367 er schw"acher werden sollte, f"uhlte er sich von der nahrhaften %S.367 Speise gest"arkt. >>Es mu"s kein Gift gewesen sein<<, %S.367 sagte er, >>aber der Bauer hat einmal gesagt, in seinem %S.367 Kleiderkasten l"age ein Fl"aschchen mit Fliegengift, das %S.367 wird wohl das wahre Gift sein und mir den Tod bringen.<< %S.367 Es war aber kein Fliegengift, sondern Ungarwein. %S.367 Der Junge holte die Flasche heraus und trank sie aus. %S.367 >>Auch dieser Tod schmeckt s"u"s<<, sagte er, doch als bald %S.367 hernach der Wein anfing, ihm ins Gehirn zu steigen und %S.367 ihn zu bet"auben, so meinte er, sein Ende nahte sich %S.367 heran. >>Ich f"uhle, da"s ich sterben mu"s<<, sprach er, >>ich %S.367 will hinaus auf den Kirchhof gehen und ein Grab %S.367 suchen.<< Er taumelte fort, erreichte den Kirchhof und %S.367 legte sich in ein frisch ge"offnetes Grab. Die Sinne verschwanden %S.368 ihm immer mehr. In der N"ahe stand ein %S.368 Wirtshaus, wo eine Hochzeit gefeiert wurde; als er die %S.368 Musik h"orte, d"auchte er sich schon im Paradies zu sein, %S.368 bis er endlich alle Besinnung verlor. Der arme Junge %S.368 erwachte nicht wieder, die Glut des hei"sen Weins und %S.368 der kalte Tau der Nacht nahmen ihm das Leben, und er %S.368 verblieb in dem Grab, in das er sich selbst gelegt hatte. %S.368 Als der Bauer die Nachricht von dem Tod des Jungen %S.368 erhielt, erschrak er und f"urchtete, vor das Gericht %S.368 gef"uhrt zu werden: ja, die Angst fa"ste ihn so gewaltig, %S.368 da"s er ohnm"achtig zur Erde sank. Die Frau, die mit einer %S.368 Pfanne voll Schmalz am Herde stand, lief herzu, um ihm %S.368 Beistand zu leisten. Aber das Feuer schlug in die Pfanne, %S.368 ergriff das ganze Haus, und nach wenigen Stunden lag es %S.368 schon in Asche. Die Jahre, die sie noch zu leben hatten, %S.368 brachten sie, von Gewissensbissen geplagt, in Armut und %S.368 Elend zu. %S.368