% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1991", % volume = "2", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3192 [6]", % isbn = "3-15-003192-3", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1991" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von M. Hirao, am 1. M"arz 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 31. M"arz 2001 % \maerchentitel{KHM 181: Die Nixe im Teich} \markright{KHM 181: Die Nixe im Teich} Es war einmal ein M"uller, der f"uhrte mit seiner Frau ein %S.352 vergn"ugtes Leben. Sie hatten Geld und Gut, und ihr %S.352 Wohlstand nahm von Jahr zu Jahr noch zu. Aber %S.352 Ungl"uck kommt "uber Nacht: wie ihr Reichtum gewachsen %S.352 war, so schwand er von Jahr zu Jahr wieder hin, und %S.352 zuletzt konnte der M"uller kaum noch die M"uhle, in der %S.352 er sa"s, sein Eigentum nennen. Er war voll Kummer, und %S.352 wenn er sich nach der Arbeit des Tags niederlegte, so %S.352 fand er keine Ruhe, sondern w"alzte sich voll Sorgen in %S.352 seinem Bett. Eines Morgens stand er schon vor Tagesanbruch %S.352 auf, ging hinaus ins Freie und dachte, es sollte ihm %S.352 leichter ums Herz werden. Als er "uber dem M"uhldamm %S.352 dahinschritt, brach eben der erste Sonnenstrahl hervor, %S.352 und er h"orte in dem Weiher etwas rauschen. Er wendete %S.352 sich um und erblickte ein sch"ones Weib, das sich langsam %S.352 aus dem Wasser erhob. Ihre langen Haare, die sie "uber %S.352 den Schultern mit ihren zarten H"anden gefa"st hatte, %S.352 flossen an beiden Seiten herab und bedeckten ihren wei"sen %S.352 Leib. Er sah wohl, da"s es die Nixe des Teichs war, %S.352 und wu"ste vor Furcht nicht, ob er davongehen oder %S.353 stehenbleiben sollte. Aber die Nixe lie"s ihre sanfte %S.353 Stimme h"oren, nannte ihn bei Namen und fragte, warum %S.353 er so traurig w"are. Der M"uller war anfangs verstummt, %S.353 als er sie aber so freundlich sprechen h"orte, fa"ste er sich %S.353 ein Herz und erz"ahlte ihr, da"s er sonst in Gl"uck und %S.353 Reichtum gelebt h"atte, aber jetzt so arm w"are, da"s er sich %S.353 nicht zu raten w"u"ste. >>Sei ruhig<<, antwortete die Nixe, %S.353 >>ich will dich reicher und gl"ucklicher machen, als du je %S.353 gewesen bist, nur mu"st du mir versprechen, da"s du mir %S.353 geben willst, was eben in deinem Hause jung geworden %S.353 ist.<< >>Was kann das anders sein<<, dachte der M"uller, >>als %S.353 ein junger Hund oder ein junges K"atzchen?<< Und sagte %S.353 ihr zu, was sie verlangte. Die Nixe stieg wieder in das %S.353 Wasser hinab, und er eilte getr"ostet und gutes Mutes %S.353 nach seiner M"uhle. Noch hatte er sie nicht erreicht, da %S.353 trat die Magd aus der Haust"ure und rief ihm zu, er sollte %S.353 sich freuen, seine Frau h"atte ihm einen kleinen Knaben %S.353 geboren. Der M"uller stand wie vom Blitz ger"uhrt, er sah %S.353 wohl, da"s die t"uckische Nixe das gewu"st und ihn betrogen %S.353 hatte. Mit gesenktem Haupt trat er zu dem Bett %S.353 seiner Frau, und als sie ihn fragte: >>Warum freust du dich %S.353 nicht "uber den sch"onen Knaben?<<, so erz"ahlte er ihr, was %S.353 ihm begegnet war und was f"ur ein Versprechen er der %S.353 Nixe gegeben hatte. >>Was hilft mir Gl"uck und Reichtum<<, %S.353 f"ugte er hinzu, >>wenn ich mein Kind verlieren %S.353 soll? Aber was kann ich tun?<< Auch die Verwandten, die %S.353 herbeigekommen waren. Gl"uck zu w"unschen, wu"sten %S.353 keinen Rat. %S.353 Indessen kehrte das Gl"uck in das Haus des M"ullers %S.353 wieder ein. Was er unternahm, gelang, es war, als ob %S.353 Kisten und Kasten von selbst sich f"ullten und das Geld %S.353 im Schrank "uber Nacht sich mehrte. Es dauerte nicht %S.353 lange, so war sein Reichtum gr"o"ser als je zuvor. Aber er %S.353 konnte sich nicht ungest"ort dar"uber freuen: die Zusage, %S.353 die er der Nixe getan hatte, qu"alte sein Herz. Sooft er an %S.353 dem Teich vorbeikam, f"urchtete er, sie m"ochte auftauchen %S.354 und ihn an seine Schuld mahnen. Den Knaben %S.354 selbst lie"s er nicht in die N"ahe des Wassers: >>H"ute dich<<, %S.354 sagte er zu ihm, >>wenn du das Wasser ber"uhrst, so %S.354 kommt eine Hand heraus, hascht dich und zieht dich %S.354 hinab.<< Doch als Jahr auf Jahr verging und die Nixe sich %S.354 nicht wieder zeigte, so fing der M"uller an, sich zu %S.354 beruhigen. %S.354 Der Knabe wuchs zum J"ungling heran und kam bei %S.354 einem J"ager in die Lehre. Als er ausgelernt hatte und ein %S.354 t"uchtiger J"ager geworden war, nahm ihn der Herr des %S.354 Dorfes in seine Dienste. In dem Dorf war ein sch"ones %S.354 und treues M"adchen, das gefiel dem J"ager, und als sein %S.354 Herr das bemerkte, schenkte er ihm ein kleines Haus; die %S.354 beiden hielten Hochzeit, lebten ruhig und gl"ucklich und %S.354 liebten sich von Herzen. %S.354 Einsmals verfolgte der J"ager ein Reh. Als das Tier aus %S.354 dem Wald in das freie Feld ausbog, setzte er ihm nach %S.354 und streckte es endlich mit einem Schu"s nieder. Er %S.354 bemerkte nicht, da"s er sich in der N"ahe des gef"ahrlichen %S.354 Weihers befand, und ging, nachdem er das Tier ausgeweidet %S.354 hatte, zu dem Wasser, um seine mit Blut befleckten %S.354 H"ande zu waschen. Kaum aber hatte er sie hineingetaucht, %S.354 als die Nixe emporstieg, lachend mit ihren nassen %S.354 Armen ihn umschlang und so schnell hinabzog, da"s die %S.354 Wellen "uber ihm zusammenschlugen. %S.354 Als es Abend war und der J"ager nicht nach Haus kam, so %S.354 geriet seine Frau in Angst. Sie ging aus, ihn zu suchen, %S.354 und da er ihr oft erz"ahlt hatte, da"s er sich vor den %S.354 Nachstellungen der Nixe in acht nehmen m"u"ste und %S.354 nicht in die N"ahe des Weihers sich wagen d"urfte, so %S.354 ahnte sie schon, was geschehen war. Sie eilte zu dem %S.354 Wasser, und als sie am Ufer seine J"agertasche liegen fand, %S.354 da konnte sie nicht l"anger an dem Ungl"uck zweifeln. %S.354 Wehklagend und h"anderingend rief sie ihren Liebsten %S.354 mit Namen, aber vergeblich; sie eilte hin"uber auf die %S.354 andere Seite des Weihers und rief ihn aufs neue; sie schalt %S.355 die Nixe mit harten Worten, aber keine Antwort %S.355 erfolgte. Der Spiegel des Wassers blieb ruhig, nur das %S.355 halbe Gesicht des Mondes blickte unbeweglich zu ihr %S.355 herauf. %S.355 Die arme Frau verlie"s den Teich nicht. Mit schnellen %S.355 Schritten, ohne Rast und Ruhe, umkreiste sie ihn immer %S.355 von neuem, manchmal still, manchmal einen heftigen %S.355 Schrei aussto"send, manchmal in leisem Wimmern. Endlich %S.355 waren ihre Kr"afte zu Ende: sie sank zur Erde nieder %S.355 und verfiel in einen tiefen Schlaf. Bald "uberkam sie ein %S.355 Traum. %S.355 Sie stieg zwischen gro"sen Felsbl"ocken angstvoll aufw"arts; %S.355 Dornen und Ranken hakten sich an ihre F"u"se, der %S.355 Regen schlug ihr ins Gesicht, und der Wind zauste ihr %S.355 langes Haar. Als sie die Anh"ohe erreicht hatte, bot sich %S.355 ein ganz anderer Anblick dar. Der Himmel war blau, die %S.355 Luft mild, der Boden senkte sich sanft hinab, und auf %S.355 einer gr"unen, bunt bebl"umten Wiese stand eine reinliche %S.355 H"utte. Sie ging darauf zu und "offnete die T"ure, da sa"s %S.355 eine Alte mit wei"sen Haaren, die ihr freundlich winkte. %S.355 In dem Augenblick erwachte die arme Frau. Der Tag war %S.355 schon angebrochen, und sie entschlo"s sich gleich, dem %S.355 Traum Folge zu leisten. Sie stieg m"uhsam den Berg %S.355 hinauf, und es war alles so, wie sie es in der Nacht %S.355 gesehen hatte. Die Alte empfing sie freundlich und zeigte %S.355 ihr einen Stuhl, auf den sie sich setzen sollte. >>Du mu"st %S.355 ein Ungl"uck erlebt haben<<, sagte sie, >>weil du meine %S.355 einsame H"utte aufsuchst.<< Die Frau erz"ahlte ihr unter %S.355 Tr"anen, was ihr begegnet war. >>Tr"oste dich<<, sagte die %S.355 Alte, >>ich will dir helfen: da hast du einen goldenen %S.355 Kamm. Harre, bis der Vollmond aufgestiegen ist, dann %S.355 geh zu dem Weiher, setze dich am Rand nieder und %S.355 str"ahle dein langes schwarzes Haar mit diesem Kamm. %S.355 Wenn du aber fertig bist, so lege ihn am Ufer nieder, und %S.355 du wirst sehen, was geschieht.<< %S.355 Die Frau kehrte zur"uck, aber die Zeit bis zum Vollmond %S.356 verstrich ihr langsam. Endlich erschien die leuchtende %S.356 Scheibe am Himmel, da ging sie hinaus an den Weiher, %S.356 setzte sich nieder und k"ammte ihre langen schwarzen %S.356 Haare mit dem goldenen Kamm, und als sie fertig war, %S.356 legte sie ihn an den Rand des Wassers nieder. Nicht %S.356 lange, so brauste es aus der Tiefe, eine Welle erhob sich, %S.356 rollte an das Ufer und f"uhrte den Kamm mit sich fort. Es %S.356 dauerte nicht l"anger, als der Kamm n"otig hatte, auf den %S.356 Grund zu sinken, so teilte sich der Wasserspiegel, und %S.356 der Kopf des J"agers stieg in die H"ohe. Er sprach nicht, %S.356 schaute aber seine Frau mit traurigen Blicken an. In %S.356 demselben Augenblick kam eine zweite Welle herangerauscht %S.356 und bedeckte das Haupt des Mannes. Alles war %S.356 verschwunden, der Weiher lag so ruhig wie zuvor, und %S.356 nur das Gesicht des Vollmondes gl"anzte darauf. %S.356 Trostlos kehrte die Frau zur"uck, doch der Traum %S.356 zeigte ihr die H"utte der Alten. Abermals machte sie %S.356 sich am n"achsten Morgen auf den Weg und klagte der %S.356 weisen Frau ihr Leid. Die Alte gab ihr eine goldene %S.356 Fl"ote und sprach: >>Harre, bis der Vollmond wiederkommt, %S.356 dann nimm diese Fl"ote, setze dich an das %S.356 Ufer, blas ein sch"ones Lied darauf, und wenn du damit %S.356 fertig bist, so lege sie auf den Sand; du wirst sehen, %S.356 was geschieht.<< %S.356 Die Frau tat, wie die Alte gesagt hatte. Kaum lag die %S.356 Fl"ote auf dem Sand, so brauste es aus der Tiefe: eine %S.356 Welle erhob sich, zog heran und f"uhrte die Fl"ote mit sich %S.356 fort. Bald darauf teilte sich das Wasser, und nicht blo"s %S.356 der Kopf, auch der Mann bis zur H"alfte des Leibes stieg %S.356 hervor. Er breitete voll Verlangen seine Arme nach ihr %S.356 aus, aber eine zweite Welle rauschte heran, bedeckte ihn %S.356 und zog ihn wieder hinab. %S.356 >>Ach, was hilft es mir<<, sagte die Ungl"uckliche, >>da"s ich %S.356 meinen Liebsten nur erblicke, um ihn wieder zu verlieren.<< %S.356 Der Gram erf"ullte aufs neue ihr Herz, aber der %S.356 Traum f"uhrte sie zum drittenmal in das Haus der Alten. %S.357 Sie machte sich auf den Weg, und die weise Frau gab ihr %S.357 ein goldenes Spinnrad, tr"ostete sie und sprach: >>Es ist %S.357 noch nicht alles vollbracht, harre, bis der Vollmond %S.357 kommt, dann nimm das Spinnrad, setze dich an das Ufer %S.357 und spinn die Spule voll, und wenn du fertig bist, so %S.357 stelle das Spinnrad nahe an das Wasser, und du wirst %S.357 sehen, was geschieht.<< %S.357 Die Frau befolgte alles genau. Sobald der Vollmond sich %S.357 zeigte, trug sie das goldene Spinnrad an das Ufer und %S.357 spann emsig, bis der Flachs zu Ende und die Spule mit %S.357 dem Faden ganz angef"ullt war. Kaum aber stand das Rad %S.357 am Ufer, so brauste es noch heftiger als sonst in der Tiefe %S.357 des Wassers, eine m"achtige Welle eilte herbei und trug %S.357 das Rad mit sich fort. Alsbald stieg mit einem Wasserstrahl %S.357 der Kopf und der ganze Leib des Mannes in die %S.357 H"ohe. Schnell sprang er ans Ufer, fa"ste seine Frau an der %S.357 Hand und entfloh. Aber kaum hatten sie sich eine kleine %S.357 Strecke entfernt, so erhob sich mit entsetzlichem Brausen %S.357 der ganze Weiher und str"omte mit rei"sender Gewalt in %S.357 das weite Feld hinein. Schon sahen die Fliehenden ihren %S.357 Tod vor Augen, da rief die Frau in ihrer Angst die Hilfe %S.357 der Alten an, und in dem Augenblick waren sie verwandelt, %S.357 sie in eine Kr"ote, er in einen Frosch. Die Flut, die %S.357 sie erreicht hatte, konnte sie nicht t"oten, aber sie ri"s sie %S.357 beide voneinander und f"uhrte sie weit weg. %S.357 Als das Wasser sich verlaufen hatte und beide wieder den %S.357 trocknen Boden ber"uhrten, so kam ihre menschliche %S.357 Gestalt zur"uck. Aber keiner wu"ste, wo das andere %S.357 geblieben war; sie befanden sich unter fremden Menschen, %S.357 die ihre Heimat nicht kannten. Hohe Berge und %S.357 tiefe T"aler lagen zwischen ihnen. Um sich das Leben zu %S.357 erhalten, mu"sten beide die Schafe h"uten. Sie trieben %S.357 lange Jahre ihre Herden durch Feld und Wald und waren %S.357 voll Trauer und Sehnsucht. %S.357 Als wieder einmal der Fr"uhling aus der Erde hervorgebrochen %S.357 war, zogen beide an einem Tag mit ihren Herden %S.358 aus, und der Zufall wollte, da"s sie einander entgegenzogen. %S.358 Er erblickte an einem fernen Bergesabhang %S.358 eine Herde und trieb seine Schafe nach der Gegend hin. %S.358 Sie kamen in einem Tal zusammen, aber sie erkannten %S.358 sich nicht, doch freuten sie sich, da"s sie nicht mehr so %S.358 einsam waren. Von nun an trieben sie jeden Tag ihre %S.358 Herde nebeneinander; sie sprachen nicht viel, aber sie %S.358 f"uhlten sich getr"ostet. Eines Abends, als der Vollmond %S.358 am Himmel schien und die Schafe schon ruhten, holte %S.358 der Sch"afer die Fl"ote aus seiner Tasche und blies ein %S.358 sch"ones, aber trauriges Lied. Als er fertig war, bemerkte %S.358 er, da"s die Sch"aferin bitterlich weinte. >>Warum weinst %S.358 du?<< fragte er. >>Ach<<, antwortete sie, >>so schien auch %S.358 der Vollmond, als ich zum letztenmal dieses Lied auf der %S.358 Fl"ote blies und das Haupt meines Liebsten aus dem %S.358 Wasser hervorkam.<< Er sah sie an, und es war ihm, als %S.358 fiele eine Decke von den Augen, er erkannte seine liebste %S.358 Frau; und als sie ihn anschaute und der Mond auf sein %S.358 Gesicht schien, erkannte sie ihn auch. Sie umarmten und %S.358 k"u"sten sich, und ob sie gl"uckselig waren, braucht keiner %S.358 zu fragen. %S.358