% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1991", % volume = "2", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3192 [6]", % isbn = "3-15-003192-3", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1991" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von M. Hirao, am 1. M"arz 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 29. M"arz 2001 % % ck version (input e.g. Dru"cker instead of Drucker) % \maerchentitel{KHM 179: Die G"ansehirtin am Brunnen} \markright{KHM 179: Die G"ansehirtin am Brunnen} Es war einmal ein steinaltes M"utterchen, das lebte mit %S.339 seiner Herde G"anse in einer Ein"ode zwischen Bergen %S.339 und hatte da ein kleines Haus. Die Ein"ode war von einem %S.339 gro"sen Wald umgeben, und jeden Morgen nahm die Alte %S.339 ihre Kr"u"cke und wa"ckelte in den Wald. Da war aber das %S.339 M"utterchen ganz gesch"aftig, mehr, als man ihm bei %S.339 seinen hohen Jahren zugetraut h"atte, sammelte Gras f"ur %S.339 seine G"anse, brach sich das wilde Obst ab, soweit es mit %S.339 den H"anden reichen konnte, und trug alles auf seinem %S.339 R"u"cken heim. Man h"atte meinen sollen, die schwere Last %S.339 m"u"ste sie zu Boden dr"u"cken, aber sie brachte sie immer %S.339 gl"ucklich nach Haus. Wenn ihr jemand begegnete, so %S.339 gr"u"ste sie ganz freundlich: >>Guten Tag, lieber Landsmann, %S.339 heute ist sch"ones Wetter. Ja, Ihr wundert Euch, %S.339 da"s ich das Gras schleppe, aber jeder mu"s seine Last auf %S.339 den R"u"cken nehmen.<< Doch die Leute begegneten ihr %S.339 nicht gerne und nahmen lieber einen Umweg, und wenn %S.339 ein Vater mit seinem Knaben an ihr vor"uberging, so %S.339 sprach er leise zu ihm: >>Nimm dich in acht vor der %S.339 Alten, die hat's faustdick hinter den Ohren: es ist eine %S.339 Hexe.<< %S.339 Eines Morgens ging ein h"ubscher junger Mann durch den %S.339 Wald. Die Sonne schien hell, die V"ogel sangen, und ein %S.339 k"uhles L"uftchen strich durch das Laub, und er war voll %S.339 Freude und Lust. Noch war ihm kein Mensch begegnet, %S.339 als er pl"otzlich die alte Hexe erblickte, die am Boden auf %S.339 den Knien sa"s und Gras mit einer Sichel abschnitt. Eine %S.339 ganze Last hatte sie schon in ihr Tragtuch geschoben, %S.339 und daneben standen zwei K"orbe, die mit wilden Birnen %S.339 und "Apfeln angef"ullt waren. >>Aber, M"utterchen<<, %S.339 sprach er, >>wie kannst du das alles fortschaffen?<< >>Ich %S.339 mu"s sie tragen, lieber Herr<<, antwortete sie, >>reicher %S.339 Leute Kinder brauchen es nicht. Aber beim Bauer %S.340 hei"st's: %S.340 \begin{verse} Schau dich nicht um, \\ %S.340 dein Bu"ckel ist krumm.<< %S.340 \end{verse} >>Wollt Ihr mir helfen?<< sprach sie, als er bei ihr stehenblieb. %S.340 >>Ihr habt noch einen geraden R"u"cken und junge %S.340 Beine, es wird Euch ein leichtes sein. Auch ist mein Haus %S.340 nicht so weit von hier: hinter dem Berge dort steht es auf %S.340 einer Heide. Wie bald seid Ihr da hinaufgesprungen.<< %S.340 Der junge Mann empfand Mitleiden mit der Alten: %S.340 >>Zwar ist mein Vater kein Bauer<<, antwortete er, >>sondern %S.340 ein reicher Graf, aber damit Ihr seht, da"s die %S.340 Bauern nicht allein tragen k"onnen, so will ich Euer %S.340 B"undel aufnehmen.<< >>Wollt Ihr's versuchen<<, sprach sie, %S.340 >>so soll mir's lieb sein. Eine Stunde weit werdet Ihr %S.340 freilich gehen m"ussen, aber was macht Euch das aus! %S.340 Dort, die "Apfel und Birnen m"u"st Ihr auch tragen.<< Es %S.340 kam dem jungen Grafen doch ein wenig bedenklich vor, %S.340 als er von einer Stunde Wegs h"orte, aber die Alte lie"s ihn %S.340 nicht wieder los, packte ihm das Tragtuch auf den R"u"cken %S.340 und hing ihm die beiden K"orbe an den Arm. >>Seht %S.340 Ihr, es geht ganz leicht<<, sagte sie. >>Nein, es geht nicht %S.340 leicht<<, antwortete der Graf und machte ein schmerzliches %S.340 Gesicht, >>der B"undel dr"uckt ja so schwer, als w"aren %S.340 lauter Wa"ckersteine darin, und die "Apfel und Birnen %S.340 haben ein Gewicht, als w"aren sie von Blei; ich kann %S.340 kaum atmen.<< Er hatte Lust, alles wieder abzulegen, aber %S.340 die Alte lie"s es nicht zu. >>Seht einmal<<, sprach sie %S.340 sp"ottisch, >>der junge Herr will nicht tragen, was ich alte %S.340 Frau schon so oft fortgeschleppt habe. Mit sch"onen %S.340 Worten sind sie bei der Hand, aber wenn's ernst wird, so %S.340 wollen sie sich aus dem Staub machen. Was steht Ihr da<<, %S.340 fuhr sie fort, >>und zaudert, hebt die Beine auf. Es nimmt %S.340 Euch niemand den B"undel wieder ab.<< Solange er auf %S.340 ebener Erde ging, war's noch auszuhalten, aber als sie an %S.340 den Berg kamen und steigen mu"sten und die Steine %S.340 hinter seinen F"u"sen hinabrollten, als w"aren sie lebendig, %S.341 da ging's "uber seine Kr"afte. Die Schwei"stropfen standen %S.341 ihm auf der Stirne und liefen ihm bald hei"s, bald kalt %S.341 "uber den R"u"cken hinab. >>M"utterchen<<, sagte er, >>ich %S.341 kann nicht weiter, ich will ein wenig ruhen.<< >>Nichts %S.341 da<<, antwortete die Alte, >>wenn wir angelangt sind, so %S.341 k"onnt Ihr ausruhen, aber jetzt m"u"st Ihr vorw"arts. Wer %S.341 wei"s, wozu Euch das gut ist.<< >>Alte, du wirst unversch"amt<<, %S.341 sagte der Graf und wollte das Tragtuch abwerfen, %S.341 aber er bem"uhte sich vergeblich: es hing so fest an %S.341 seinem R"u"cken, als wenn es angewachsen w"are. Er %S.341 drehte und wendete sich, aber er konnte es nicht wieder %S.341 loswerden. Die Alte lachte dazu und sprang ganz vergn"ugt %S.341 auf ihrer Kr"u"cke herum. >>Erz"urnt Euch nicht, %S.341 lieber Herr<<, sprach sie, >>Ihr werdet ja so rot im Gesicht, %S.341 wie ein Zinshahn. Tragt Euern B"undel mit Geduld, wenn %S.341 wir zu Hause angelangt sind, so will ich Euch schon ein %S.341 gutes Trinkgeld geben.<< Was wollte er machen? Er %S.341 mu"ste sich in sein Schicksal f"ugen und geduldig hinter %S.341 der Alten herschleichen. Sie schien immer flinker zu %S.341 werden und ihm seine Last immer schwerer. Auf einmal %S.341 tat sie einen Satz, sprang auf das Tragtuch und setzte sich %S.341 oben darauf; wie zaund"urre sie war, so hatte sie doch %S.341 mehr Gewicht als die dickste Bauerndirne. Dem J"unglinge %S.341 zitterten die Knie, aber wenn er nicht fortging, so %S.341 schlug ihn die Alte mit einer Gerte und mit Brennesseln %S.341 auf die Beine. Unter best"andigem "Achzen stieg er den %S.341 Berg hinauf und langte endlich bei dem Haus der Alten %S.341 an, als er eben niedersinken wollte. Als die G"anse die %S.341 Alte erblickten, streckten sie die Fl"ugel in die H"ohe und %S.341 die H"alse voraus, liefen ihr entgegen und schrien ihr %S.341 >>wulle, wulle<<. Hinter der Herde mit einer Rute in der %S.341 Hand ging eine bejahrte Trulle, stark und gro"s, aber %S.341 h"a"slich wie die Nacht. >>Frau Mutter<<, sprach sie zur %S.341 Alten, >>ist Euch etwas begegnet? Ihr seid so lange ausgeblieben.<< %S.341 >>Bewahre, mein T"ochterchen<<, erwiderte sie, %S.341 >>mir ist nichts B"oses begegnet, im Gegenteil, der liebe %S.342 Herr da hat mir meine Last getragen; denk dir, als ich %S.342 m"ude war, hat er mich selbst noch auf den R"u"cken %S.342 genommen. Der Weg ist uns auch gar nicht lang geworden, %S.342 wir sind lustig gewesen und haben immer Spa"s %S.342 miteinander gemacht.<< Endlich rutschte die Alte herab, %S.342 nahm dem jungen Mann den B"undel vom R"u"cken und %S.342 die K"orbe vom Arm, sah ihn ganz freundlich an und %S.342 sprach: >>Nun setzt Euch auf die Bank vor die T"ure und %S.342 ruht Euch aus. Ihr habt Euern Lohn redlich verdient, der %S.342 soll auch nicht ausbleiben.<< Dann sprach sie zu der %S.342 G"ansehirtin: >>Geh du ins Haus hinein, mein T"ochterchen, %S.342 es schickt sich nicht, da"s du mit einem jungen %S.342 Herrn allein bist, man mu"s nicht "Ol ins Feuer gie"sen; er %S.342 k"onnte sich in dich verlieben.<< Der Graf wu"ste nicht, ob %S.342 er weinen oder lachen sollte. >>Solch ein Sch"atzchen<<, %S.342 dachte er, >>und wenn es drei"sig Jahre j"unger w"are, %S.342 k"onnte doch mein Herz nicht r"uhren.<< Indessen h"atschelte %S.342 und streichelte die Alte ihre G"anse wie Kinder %S.342 und ging dann mit ihrer Tochter in das Haus. Der %S.342 J"ungling streckte sich auf die Bank unter einem wilden %S.342 Apfelbaum. Die Luft war lau und mild; ringsumher %S.342 breitete sich eine gr"une Wiese aus, die mit Himmelsschl"usseln, %S.342 wildem Thymian und tausend andern Blumen %S.342 "ubers"at war; mittendurch rauschte ein klarer Bach, auf %S.342 dem die Sonne glitzerte; und die wei"sen G"anse gingen %S.342 auf und ab spazieren oder pudelten sich im Wasser. >>Es %S.342 ist recht lieblich hier<<, sagte er, >>aber ich bin so m"ude, %S.342 da"s ich die Augen nicht aufbehalten mag: ich will ein %S.342 wenig schlafen. Wenn nur kein Windsto"s kommt und %S.342 bl"ast mir meine Beine vom Leib weg, denn sie sind m"urb %S.342 wie Zunder.<< %S.342 Als er ein Weilchen geschlafen hatte, kam die Alte und %S.342 sch"uttelte ihn wach. >>Steh auf<<, sagte sie, >>hier kannst du %S.342 nicht bleiben. Freilich habe ich dir's sauer genug %S.342 gemacht, aber das Leben hat's doch nicht gekostet. Jetzt %S.342 will ich dir deinen Lohn geben, Geld und Gut brauchst %S.343 du nicht, da hast du etwas anderes.<< Damit steckte sie %S.343 ihm ein B"uchslein in die Hand, das aus einem einzigen %S.343 Smaragd geschnitten war. >>Bewahr's wohl<<, setzte sie %S.343 hinzu, >>es wird dir Gl"uck bringen.<< Der Graf sprang %S.343 auf, und da er f"uhlte, da"s er ganz frisch und wieder bei %S.343 Kr"aften war, so dankte er der Alten f"ur ihr Geschenk %S.343 und machte sich auf den Weg, ohne nach dem sch"onen %S.343 T"ochterchen auch nur einmal umzubli"cken. Als er schon %S.343 eine Stre"cke weg war, h"orte er noch aus der Ferne das %S.343 lustige Geschrei der G"anse. %S.343 Der Graf mu"ste drei Tage in der Wildnis herumirren, %S.343 ehe er sich herausfinden konnte. Da kam er in eine gro"se %S.343 Stadt, und weil ihn niemand kannte, ward er in das %S.343 k"onigliche Schlo"s gef"uhrt, wo der K"onig und die K"onigin %S.343 auf dem Thron sa"sen. Der Graf lie"s sich auf ein Knie %S.343 nieder, zog das smaragdene Gef"a"s aus der Tasche und %S.343 legte es der K"onigin zu F"u"sen. Sie hie"s ihn aufstehen, %S.343 und er mu"ste ihr das B"uchslein hinaufreichen. Kaum %S.343 aber hatte sie es ge"offnet und hineingeblickt, so fiel sie %S.343 wie tot zur Erde. Der Graf ward von den Dienern des %S.343 K"onigs festgehalten und sollte in das Gef"angnis gef"uhrt %S.343 werden, da schlug die K"onigin die Augen auf und rief, sie %S.343 sollten ihn freilassen, und jedermann sollte hinausgehen, %S.343 sie wollte insgeheim mit ihm reden. %S.343 Als die K"onigin allein war, fing sie bitterlich an zu %S.343 weinen und sprach: >>Was hilft mir Glanz und Ehre, die %S.343 mich umgeben, jeden Morgen erwache ich mit Sorgen %S.343 und Kummer. Ich habe drei T"ochter gehabt, davon war %S.343 die j"ungste so sch"on, da"s sie alle Welt f"ur ein Wunder %S.343 hielt. Sie war so wei"s wie Schnee, so rot wie Apfelbl"ute %S.343 und ihr Haar so gl"anzend wie Sonnenstrahlen. Wenn sie %S.343 weinte, so fielen nicht Tr"anen aus ihren Augen, sondern %S.343 lauter Perlen und Edelsteine. Als sie f"unfzehn Jahr alt %S.343 war, da lie"s der K"onig alle drei Schwestern vor seinen %S.343 Thron kommen. Da h"attet Ihr sehen sollen, was die %S.343 Leute f"ur Augen machten, als die j"ungste eintrat, es war, %S.344 als wenn die Sonne aufging. Der K"onig sprach: {\frq}Meine %S.344 T"ochter, ich wei"s nicht, wann mein letzter Tag kommt, %S.344 ich will heute bestimmen, was eine jede nach meinem %S.344 Tode erhalten soll. Ihr alle habt mich lieb, aber welche %S.344 mich von euch am liebsten hat, die soll das Beste haben.{\flq} %S.344 Jede sagte, sie h"atte ihn am liebsten. {\frq}K"onnt ihr mir's %S.344 nicht ausdr"u"cken{\flq}, erwiderte der K"onig, {\frq}wie lieb ihr %S.344 mich habt? Daran werde ich's sehen, wie ihr's meint.{\flq} %S.344 Die "alteste sprach: {\frq}Ich habe den Vater so lieb wie den %S.344 s"u"sesten Zu"cker.{\flq} Die zweite: {\frq}Ich habe den Vater so lieb %S.344 wie mein sch"onstes Kleid.{\flq} Die j"ungste aber schwieg. Da %S.344 fragte der Vater: {\frq}Und du, mein liebstes Kind, wie lieb %S.344 hast du mich?{\flq} {\frq}Ich wei"s es nicht{\flq}, antwortete sie, {\frq}und %S.344 kann meine Liebe mit nichts vergleichen.{\flq} Aber der Vater %S.344 bestand darauf, sie m"u"ste etwas nennen. Da sagte sie %S.344 endlich: {\frq}Die beste Speise schmeckt mir nicht ohne Salz, %S.344 darum habe ich den Vater so lieb wie Salz.{\flq} Als der K"onig %S.344 das h"orte, geriet er in Zorn und sprach: {\frq}Wenn du mich %S.344 so liebst als Salz, so soll deine Liebe auch mit Salz %S.344 belohnt werden.{\flq} Da teilte er das Reich zwischen den %S.344 beiden "altesten, der j"ungsten aber lie"s er einen Sack mit %S.344 Salz auf den R"u"cken binden, und zwei Knechte mu"sten %S.344 sie hinaus in den wilden Wald f"uhren. Wir haben alle f"ur %S.344 sie gefleht und gebeten<<, sagte die K"onigin, >>aber der %S.344 Zorn des K"onigs war nicht zu erweichen. Wie hat sie %S.344 geweint, als sie uns verlassen mu"ste! Der ganze Weg ist %S.344 mit Perlen bes"at worden, die ihr aus den Augen geflossen %S.344 sind. Den K"onig hat bald hernach seine gro"se H"arte %S.344 gereut, und hat das arme Kind in dem ganzen Wald %S.344 suchen lassen, aber niemand konnte sie finden. Wenn %S.344 ich denke, da"s sie die wilden Tiere gefressen haben, %S.344 so wei"s ich mich vor Traurigkeit nicht zu fassen; %S.344 manchmal tr"oste ich mich mit der Hoffnung, sie sei %S.344 noch am Leben und habe sich in einer H"ohle versteckt %S.344 oder bei mitleidigen Menschen Schutz gefunden. %S.344 Aber stellt Euch vor, als ich Euer Smaragdb"uchslein %S.345 aufmachte, so lag eine Perle darin, gerade der Art, wie sie %S.345 meiner Tochter aus den Augen geflossen sind, und da %S.345 k"onnt Ihr Euch vorstellen, wie mir der Anblick das Herz %S.345 bewegt hat. Ihr sollt mir sagen, wie Ihr zu der Perle %S.345 gekommen seid.<< Der Graf erz"ahlte ihr, da"s er sie von %S.345 der Alten im Walde erhalten h"atte, die ihm nicht geheuer %S.345 vorgekommen w"are und eine Hexe sein m"u"ste; von %S.345 ihrem Kinde aber h"atte er nichts geh"ort und gesehen. Der %S.345 K"onig und die K"onigin fa"sten den Entschlu"s, die Alte %S.345 aufzusuchen; sie dachten, wo die Perle gewesen w"are, da %S.345 m"u"sten sie auch Nachricht von ihrer Tochter finden. %S.345 Die Alte sa"s drau"sen in der Ein"ode bei ihrem Spinnrad %S.345 und spann. Es war schon dunkel geworden, und ein %S.345 Span, der unten am Herd brannte, gab ein sparsames %S.345 Licht. Auf einmal ward's drau"sen laut, die G"anse kamen %S.345 heim von der Weide und lie"sen ihr heiseres Gekreisch %S.345 h"oren. Bald hernach trat auch die Tochter herein. Aber %S.345 die Alte dankte ihr kaum und sch"uttelte nur ein wenig %S.345 mit dem Kopf. Die Tochter setzte sich zu ihr nieder, %S.345 nahm ihr Spinnrad und drehte den Faden so flink wie ein %S.345 junges M"adchen. So sa"sen beide zwei Stunden und sprachen %S.345 kein Wort miteinander. Endlich raschelte etwas am %S.345 Fenster, und zwei feurige Augen glotzten herein. Es war %S.345 eine alte Nachteule, die dreimal uhu schrie. Die Alte %S.345 schaute nur ein wenig in die H"ohe, dann sprach sie: %S.345 >>Jetzt ist's Zeit, T"ochterchen, da"s du hinausgehst, tu %S.345 deine Arbeit.<< %S.345 Sie stand auf und ging hinaus. >>Wo ist sie denn hingegangen?<< %S.345 "Uber die Wiesen immer weiter bis in das Tal. %S.345 Endlich kam sie zu einem Brunnen, bei dem drei alte %S.345 Eichb"aume standen. Der Mond war indessen rund und %S.345 gro"s "uber dem Berg aufgestiegen, und es war so hell, da"s %S.345 man eine Stecknadel h"atte finden k"onnen. Sie zog eine %S.345 Haut ab, die auf ihrem Gesicht lag, b"uckte sich dann zu %S.345 dem Brunnen und fing an, sich zu waschen. Als sie fertig %S.345 war, tauchte sie auch die Haut in das Wasser und legte sie %S.346 dann auf die Wiese, damit sie wieder im Mondschein %S.346 bleichen und trocknen sollte. Aber wie war das M"adchen %S.346 verwandelt! So was habt ihr nie gesehen! Als der graue %S.346 Zopf abfiel, da quollen die goldenen Haare wie Sonnenstrahlen %S.346 hervor und breiteten sich, als w"ar's ein Mantel, %S.346 "uber ihre ganze Gestalt. Nur die Augen blitzten heraus, %S.346 so gl"anzend wie die Sterne am Himmel, und die Wangen %S.346 schimmerten in sanfter R"ote wie die Apfelbl"ute. %S.346 Aber das sch"one M"adchen war traurig. Es setzte sich %S.346 nieder und weinte bitterlich. Eine Tr"ane nach der andern %S.346 drang aus seinen Augen und rollte zwischen den langen %S.346 Haaren auf den Boden. So sa"s es da und w"are lang %S.346 sitzengeblieben, wenn es nicht in den "Asten des nahe %S.346 stehenden Baumes geknittert und gerauscht h"atte. Sie %S.346 sprang auf wie ein Reh, das den Schu"s des J"agers vernimmt. %S.346 Der Mond ward gerade von einer schwarzen %S.346 Wolke bedeckt, und im Augenblick war das M"adchen %S.346 wieder in die alte Haut geschl"upft und verschwand wie %S.346 ein Licht, das der Wind ausbl"ast. %S.346 Zitternd wie ein Espenlaub lief sie zu dem Haus zur"uck. %S.346 Die Alte stand vor der T"ure, und das M"adchen wollte ihr %S.346 erz"ahlen, was ihm begegnet war, aber die Alte lachte %S.346 freundlich und sagte: >>Ich wei"s schon alles.<< Sie f"uhrte %S.346 es in die Stube und z"undete einen neuen Span an. Aber %S.346 sie setzte sich nicht wieder zu dem Spinnrad, sondern sie %S.346 holte einen Besen und fing an zu kehren und zu scheuern. %S.346 >>Es mu"s alles rein und sauber sein<<, sagte sie zu %S.346 dem M"adchen. >>Aber, Mutter<<, sprach das M"adchen, %S.346 >>warum fangt Ihr in so sp"ater Stunde die Arbeit an? Was %S.346 habt Ihr vor?<< >>Wei"st du denn, welche Stunde es ist?<< %S.346 fragte die Alte. >>Noch nicht Mitternacht<<, antwortete %S.346 das M"adchen, >>aber schon elf Uhr vorbei.<< >>Denkst du %S.346 nicht daran<<, fuhr die Alte fort, >>da"s du heute vor drei %S.346 Jahren zu mir gekommen bist? Deine Zeit ist aus, wir %S.346 k"onnen nicht l"anger beisammenbleiben.<< Das M"adchen %S.346 erschrak und sagte: >>Ach, liebe Mutter, wollt Ihr mich %S.347 versto"sen? Wo soll ich hin? Ich habe keine Freunde und %S.347 keine Heimat, wohin ich mich wenden kann. Ich habe %S.347 alles getan, was Ihr verlangt habt, und Ihr seid immer %S.347 zufrieden mit mir gewesen: schickt mich nicht fort.<< Die %S.347 Alte wollte dem M"adchen nicht sagen, was ihm bevorstand. %S.347 >>Meines Bleibens ist nicht l"anger hier<<, sprach sie %S.347 zu ihm, >>wenn ich aber ausziehe, mu"s Haus und Stube %S.347 sauber sein: darum halt mich nicht auf in meiner Arbeit. %S.347 Deinetwegen sei ohne Sorgen, du sollst ein Dach finden, %S.347 unter dem du wohnen kannst, und mit dem Lohn, den %S.347 ich dir geben will, wirst du auch zufrieden sein.<< >>Aber %S.347 sagt mir nur, was ist vor?<< fragte das M"adchen weiter. %S.347 >>Ich sage dir nochmals, st"ore mich nicht in meiner %S.347 Arbeit. Rede kein Wort weiter, geh in deine Kammer, %S.347 nimm die Haut vom Gesicht und zieh das seidene Kleid %S.347 an, das du trugst, als du zu mir kamst, und dann harre in %S.347 deiner Kammer, bis ich dich rufe.<< %S.347 Aber ich mu"s wieder von dem K"onig und der K"onigin %S.347 erz"ahlen, die mit dem Grafen ausgezogen waren und die %S.347 Alte in der Ein"ode aufsuchen wollten. Der Graf war %S.347 nachts in dem Walde von ihnen abgekommen und mu"ste %S.347 allein weitergehen. Am andern Tag kam es ihm vor, als %S.347 bef"ande er sich auf dem rechten Weg. Er ging immerfort, %S.347 bis die Dunkelheit einbrach, da stieg er auf einen Baum %S.347 und wollte da "ubernachten, denn er war besorgt, er %S.347 m"ochte sich verirren. Als der Mond die Gegend erhellte, %S.347 so erblickte er eine Gestalt, die den Berg herabwandelte. %S.347 Sie hatte keine Rute in der Hand, aber er konnte doch %S.347 sehen, da"s es die G"ansehirtin war, die er fr"uher bei dem %S.347 Haus der Alten gesehen hatte. >>Oho!<< rief er, >>da %S.347 kommt sie, und habe ich erst die eine Hexe, so soll mir %S.347 die andere auch nicht entgehen.<< Wie erstaunte er aber, %S.347 als sie zu dem Brunnen trat, die Haut ablegte und sich %S.347 wusch, als die goldenen Haare "uber sie herabfielen und %S.347 sie so sch"on war, wie er noch niemand auf der Welt %S.347 gesehen hatte. Kaum da"s er zu atmen wagte, aber er %S.348 streckte den Hals zwischen dem Laub so weit vor, als er %S.348 nur konnte, und schaute sie mit unverwandten Bli"cken %S.348 an. Ob er sich zu weit "uberbog oder was sonst schuld %S.348 war, pl"otzlich krachte der Ast, und in demselben Augenblick %S.348 schl"upfte das M"adchen in die Haut, sprang wie ein %S.348 Reh davon, und da der Mond sich zugleich bedeckte, so %S.348 war sie seinen Bli"cken entzogen. %S.348 Kaum war sie verschwunden, so stieg der Graf von dem %S.348 Baum herab und eilte ihr mit behenden Schritten nach. %S.348 Er war noch nicht lange gegangen, so sah er in der %S.348 D"ammerung zwei Gestalten "uber die Wiese wandeln. Es %S.348 war der K"onig und die K"onigin, die hatten aus der Ferne %S.348 das Licht in dem H"auschen der Alten erblickt und waren %S.348 drauf zugegangen. Der Graf erz"ahlte ihnen, was er f"ur %S.348 Wunderdinge bei dem Brunnen gesehen h"atte, und sie %S.348 zweifelten nicht, da"s das ihre verlorene Tochter gewesen %S.348 w"are. Voll Freude gingen sie weiter und kamen bald bei %S.348 dem H"auschen an; die G"anse sa"sen ringsherum, hatten %S.348 den Kopf in die Fl"ugel gesteckt und schliefen, und keine %S.348 regte sich nicht. Sie schauten zum Fenster hinein, da sa"s %S.348 die Alte ganz still und spann, nickte mit dem Kopf und %S.348 sah sich nicht um. Es war ganz sauber in der Stube, als %S.348 wenn da die kleinen Nebelm"annlein wohnten, die keinen %S.348 Staub auf den F"u"sen tragen. Ihre Tochter aber sahen sie %S.348 nicht. Sie schauten das alles eine Zeitlang an, endlich %S.348 fa"sten sie ein Herz und klopften leise ans Fenster. Die %S.348 Alte schien sie erwartet zu haben, sie stand auf und rief %S.348 ganz freundlich: >>Nur herein, ich kenne euch schon.<< %S.348 Als sie in die Stube eingetreten waren, sprach die Alte: %S.348 >>Den weiten Weg h"attet Ihr Euch sparen k"onnen, wenn %S.348 Ihr Euer Kind, das so gut und liebreich ist, nicht vor drei %S.348 Jahren ungerechterweise versto"sen h"attet. Ihr hat's %S.348 nichts geschadet, sie hat drei Jahre lang die G"anse h"uten %S.348 m"ussen: sie hat nichts B"oses dabei gelernt, sondern ihr %S.348 reines Herz behalten. Ihr aber seid durch die Angst, in %S.348 der Ihr gelebt habt, hinl"anglich gestraft.<< Dann ging sie %S.349 an die Kammer und rief: >>Komm heraus, mein T"ochterchen.<< %S.349 Da ging die T"ure auf, und die K"onigstochter trat %S.349 heraus in ihrem seidenen Gewand mit ihren goldenen %S.349 Haaren und ihren leuchtenden Augen, und es war, als ob %S.349 ein Engel vom Himmel k"ame. %S.349 Sie ging auf ihren Vater und ihre Mutter zu, fiel ihnen um %S.349 den Hals und k"u"ste sie; es war nicht anders, sie mu"sten %S.349 alle vor Freude weinen. Der junge Graf stand neben %S.349 ihnen, und als sie ihn erblickte, ward sie so rot im %S.349 Gesicht wie eine Moosrose; sie wu"ste selbst nicht %S.349 warum. Der K"onig sprach: >>Liebes Kind, mein K"onigreich %S.349 habe ich verschenkt, was soll ich dir geben?<< >>Sie %S.349 braucht nichts<<, sagte die Alte, >>ich schenke ihr die %S.349 Tr"anen, die sie um Euch geweint hat, das sind lauter %S.349 Perlen, sch"oner, als sie im Meer gefunden werden, und %S.349 sind mehr wert als Euer ganzes K"onigreich. Und zum %S.349 Lohn f"ur ihre Dienste gebe ich ihr mein H"auschen.<< Als %S.349 die Alte das gesagt hatte, verschwand sie vor ihren %S.349 Augen. Es knatterte ein wenig in den W"anden, und als %S.349 sie sich umsahen, war das H"auschen in einen pr"achtigen %S.349 Palast verwandelt, und eine k"onigliche Tafel war gedeckt, %S.349 und die Bedienten liefen hin und her. %S.349 Die Geschichte geht noch weiter, aber meiner Gro"smutter, %S.349 die sie mir erz"ahlt hat, war das Ged"achtnis schwach %S.349 geworden: sie hatte das "ubrige vergessen. Ich glaube %S.349 immer, die sch"one K"onigstochter ist mit dem Grafen %S.349 verm"ahlt worden, und sie sind zusammen in dem Schlo"s %S.349 geblieben und haben da in aller Gl"uckseligkeit gelebt, %S.349 solange Gott wollte. Ob die schneewei"sen G"anse, die bei %S.349 dem H"auschen geh"utet wurden, lauter M"adchen waren %S.349 (es braucht's niemand "ubelzunehmen), welche die Alte %S.349 zu sich genommen hatte, und ob sie jetzt ihre menschliche %S.349 Gestalt wiedererhielten und als Dienerinnen bei der %S.349 jungen K"onigin blieben, das wei"s ich nicht genau, aber %S.349 ich vermute es doch. So viel ist gewi"s, da"s die Alte keine %S.349 Hexe war, wie die Leute glaubten, sondern eine weise %S.350 Frau, die es gut meinte. Wahrscheinlich ist sie es auch %S.350 gewesen, die der K"onigstochter schon bei der Geburt die %S.350 Gabe verliehen hat, Perlen zu weinen statt der Tr"anen. %S.350 Heutzutage kommt das nicht mehr vor, sonst k"onnten %S.350 die Armen bald reich werden. %S.350