% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1991", % volume = "2", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3192 [6]", % isbn = "3-15-003192-3", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1991" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von M. Hirao, am 28. Februar 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 29. M"arz 2001 % % nolig_ck version (input e.g. Auf"|lage and Dru"cker % instead of Auflage and Drucker) % \maerchentitel{KHM 178: Meister Pfriem} \markright{KHM 178: Meister Pfriem} Meister Pfriem war ein kleiner, hagerer, aber lebhafter %S.334 Mann, der keinen Augenblick Ruhe hatte. Sein Gesicht, %S.334 aus dem nur die aufgest"ulpte Nase vorragte, war po"ckennarbig %S.334 und leichenbla"s, sein Haar grau und struppig, %S.334 seine Augen klein, aber sie blitzten unaufh"orlich rechts %S.334 und links hin. Er bemerkte alles, tadelte alles, wu"ste alles %S.334 besser und hatte in allem recht. Ging er auf der Stra"se, so %S.335 ruderte er heftig mit beiden Armen, und einmal schlug er %S.335 einem M"adchen, das Wasser trug, den Eimer so hoch in %S.335 die Luft, da"s er selbst davon begossen ward. >>Schafskopf<<, %S.335 rief er ihr zu, indem er sich sch"uttelte, >>konntest %S.335 du nicht sehen, da"s ich hinter dir herkam?<< Seines %S.335 Handwerks war er ein Schuster, und wenn er arbeitete, %S.335 so fuhr er mit dem Draht so gewaltig aus, da"s er jedem, %S.335 der sich nicht weit genug in der Ferne hielt, die Faust in %S.335 den Leib stie"s. Kein Geselle blieb l"anger als einen Monat %S.335 bei ihm, denn er hatte an der besten Arbeit immer etwas %S.335 auszusetzen. Bald waren die Stiche nicht gleich, bald war %S.335 ein Schuh l"anger, bald ein Absatz h"oher als der andere, %S.335 bald war das Leder nicht hinl"anglich geschlagen. %S.335 >>Warte<<, sagte er zu dem Lehrjungen, >>ich will dir schon %S.335 zeigen, wie man die Haut weichschl"agt<<, holte den Riemen %S.335 und gab ihm ein paar Hiebe "uber den R"u"cken. %S.335 Faulenzer nannte er sie alle. Er selber brachte aber doch %S.335 nicht viel vor sich, weil er keine Viertelstunde ruhig %S.335 sitzenblieb. War seine Frau fr"uhmorgens aufgestanden %S.335 und hatte Feuer angez"undet, so sprang er aus dem Bett %S.335 und lief mit blo"sen F"u"sen in die K"uche. >>Wollt Ihr mir %S.335 das Haus anz"unden?<< schrie er. >>Das ist ja ein Feuer, da"s %S.335 man einen Ochsen dabei braten k"onnte! Oder kostet das %S.335 Holz etwa kein Geld?<< Standen die M"agde am Waschfa"s, %S.335 lachten und erz"ahlten sich, was sie wu"sten, so schalt er %S.335 sie aus: >>Da stehen die G"anse und schnattern und vergessen %S.335 "uber dem Geschw"atz ihre Arbeit. Und wozu die %S.335 frische Seife? Heillose Verschwendung und obendrein %S.335 eine sch"andliche Faulheit: sie wollen die H"ande schonen %S.335 und das Zeug nicht ordentlich reiben.<< Er sprang fort, %S.335 stie"s aber einen Eimer voll Lauge um, so da"s die ganze %S.335 K"uche "uberschwemmt ward. Richtete man ein neues %S.335 Haus auf, so lief er ans Fenster und sah zu. >>Da vermauern %S.335 sie wieder den roten Sandstein<<, rief er, >>der niemals %S.335 austrocknet; in dem Haus bleibt kein Mensch gesund. %S.335 Und seht einmal, wie schlecht die Gesellen die Steine %S.336 aufsetzen. Der M"ortel taugt auch nichts: Kies mu"s hinein, %S.336 nicht Sand. Ich erlebe noch, da"s den Leuten das %S.336 Haus "uber dem Kopf zusammenf"allt.<< Er setzte sich und %S.336 tat ein paar Stiche, dann sprang er wieder auf, hakte sein %S.336 Schurzfell los und rief: >>Ich will nur hinaus und den %S.336 Menschen ins Gewissen reden.<< Er geriet aber an die %S.336 Zimmerleute. >>Was ist das?<< rief er. >>Ihr haut ja nicht %S.336 nach der Schnur. Meint ihr, die Balken w"urden geradstehen? %S.336 Es weicht einmal alles aus den Fugen.<< Er ri"s %S.336 einem Zimmermann die Axt aus der Hand und wollte %S.336 ihm zeigen, wie er hauen m"u"ste, als aber ein mit Lehm %S.336 beladener Wagen herangefahren kam, warf er die Axt %S.336 weg und sprang zu dem Bauer, der nebenherging. >>Ihr %S.336 seid nicht recht bei Trost<<, rief er, >>wer spannt junge %S.336 Pferde vor einen schwerbeladenen Wagen? Die armen %S.336 Tiere werden Euch auf dem Platz umfallen.<< Der Bauer %S.336 gab ihm keine Antwort, und Pfriem lief vor "Arger in %S.336 seine Werkst"atte zur"uck. Als er sich wieder zur Arbeit %S.336 setzen wollte, reichte ihm der Lehrjunge einen Schuh. %S.336 >>Was ist das wieder?<< schrie er ihn an. >>Habe ich Euch %S.336 nicht gesagt, Ihr solltet die Schuhe nicht so weit ausschneiden? %S.336 Wer wird einen solchen Schuh kaufen, an %S.336 dem fast nichts ist als die Sohle? Ich verlange, da"s meine %S.336 Befehle unmangelhaft befolgt werden.<< >>Meister<<, antwortete %S.336 der Lehrjunge, >>Ihr m"ogt wohl recht haben, da"s %S.336 der Schuh nichts taugt, aber es ist derselbe, den Ihr %S.336 zugeschnitten und selbst in Arbeit genommen habt. Als %S.336 Ihr vorhin aufgesprungen seid, habt Ihr ihn vom Tisch %S.336 herabgeworfen, und ich habe ihn nur aufgehoben. Euch %S.336 k"onnte es aber ein Engel vom Himmel nicht recht machen.<< %S.336 Meister Pfriem tr"aumte in einer Nacht, er w"are gestorben %S.336 und bef"ande sich auf dem Weg nach dem Himmel. Als er %S.336 anlangte, klopfte er heftig an die Pforte: >>Es wundert %S.336 mich<<, sprach er, >>da"s sie nicht einen Ring am Tor %S.336 haben, man klopft sich die Kn"ochel wund.<< Der Apostel %S.337 Petrus "offnete und wollte sehen, wer so ungest"um Einla"s %S.337 begehrte. >>Ach, Ihr seid's, Meister Pfriem<<, sagte er, %S.337 >>ich will Euch wohl einlassen, aber ich warne Euch, da"s %S.337 Ihr von Eurer Gewohnheit abla"st und nichts tadelt, was %S.337 Ihr im Himmel seht: es k"onnte Euch "ubel bekommen.<< %S.337 >>Ihr h"attet Euch die Ermahnung sparen k"onnen<<, erwiderte %S.337 Pfriem, >>ich wei"s schon, was sich ziemt, und hier %S.337 ist, Gott sei Dank, alles vollkommen und nichts zu %S.337 tadeln wie auf Erden.<< Er trat also ein und ging in den %S.337 weiten R"aumen des Himmels auf und ab. Er sah sich um, %S.337 rechts und links, sch"uttelte aber zuweilen mit dem Kopf %S.337 oder brummte etwas vor sich hin. Indem erblickte er %S.337 zwei Engel, die einen Balken wegtrugen. Es war der %S.337 Balken, den einer im Auge gehabt hatte, w"ahrend er nach %S.337 dem Splitter in den Augen anderer suchte. Sie trugen %S.337 aber den Balken nicht der L"ange nach, sondern quer. %S.337 >>Hat man je einen solchen Unverstand gesehen?<< dachte %S.337 Meister Pfriem; doch schwieg er und gab sich zufrieden: %S.337 >>Es ist im Grunde einerlei, wie man den Balken tr"agt, %S.337 geradeaus oder quer, wenn man nur damit durchkommt, %S.337 und wahrhaftig, ich sehe, sie sto"sen nirgend an.<< Bald %S.337 hernach erblickte er zwei Engel, welche Wasser aus %S.337 einem Brunnen in ein Fa"s sch"opften, zugleich bemerkte %S.337 er, da"s das Fa"s durchl"ochert war und das Wasser von %S.337 allen Seiten herauslief. Sie tr"ankten die Erde mit Regen. %S.337 >>Alle Hagel!<< platzte er heraus, besann sich aber gl"ucklicherweise %S.337 und dachte: >>Vielleicht ist's blo"ser Zeitvertreib; %S.337 macht's einem Spa"s, so kann man dergleichen %S.337 unn"utze Dinge tun, zumal hier im Himmel, wo man, wie %S.337 ich schon bemerkt habe, doch nur faulenzt.<< Er ging %S.337 weiter und sah einen Wagen, der in einem tiefen Loch %S.337 ste"ckengeblieben war. >>Kein Wunder<<, sprach er zu dem %S.337 Mann, der dabeistand, >>wer wird so unvern"unftig auf"|laden? %S.337 Was habt Ihr da?<< >>Fromme W"unsche<<, antwortete %S.337 der Mann, >>ich konnte damit nicht auf den rechten Weg %S.337 kommen, aber ich habe den Wagen noch gl"ucklich heraufgeschoben, %S.338 und hier werden sie mich nicht ste"ckenlassen.<< %S.338 Wirklich kam ein Engel und spannte zwei %S.338 Pferde vor. >>Ganz gut<<, meinte Pfriem, >>aber zwei %S.338 Pferde bringen den Wagen nicht heraus, viere m"ussen %S.338 wenigstens davor.<< Ein anderer Engel kam und f"uhrte %S.338 noch zwei Pferde herbei, spannte sie aber nicht vorn, %S.338 sondern hinten an. Das war dem Meister Pfriem zu %S.338 viel. >>Talpatsch<<, brach er los, >>was machst du da? %S.338 Hat man je, solange die Welt steht, auf diese Weise %S.338 einen Wagen herausgezogen? Da meinen sie aber in %S.338 ihrem d"unkelhaften "Ubermut, alles besser zu wissen.<< %S.338 Er wollte weiterreden, aber einer von den Himmelsbewohnern %S.338 hatte ihn am Kragen gepackt und schob ihn %S.338 mit unwiderstehlicher Gewalt hinaus. Unter der Pforte %S.338 drehte der Meister noch einmal den Kopf nach dem %S.338 Wagen und sah, wie er von vier Fl"ugelpferden in die %S.338 H"ohe gehoben ward. %S.338 In diesem Augenblick erwachte Meister Pfriem. >>Es geht %S.338 freilich im Himmel etwas anders her als auf Erden<<, %S.338 sprach er zu sich selbst, >>und da l"a"st sich manches %S.338 entschuldigen, aber wer kann geduldig mit ansehen, da"s %S.338 man die Pferde zugleich hinten und vorn anspannt? %S.338 Freilich, sie hatten Fl"ugel, aber wer kann das wissen? Es %S.338 ist "ubrigens eine gewaltige Dummheit, Pferden, die vier %S.338 Beine zum Laufen haben, noch ein paar Fl"ugel anzuheften. %S.338 Aber ich mu"s aufstehen, sonst machen sie mir im %S.338 Haus lauter verkehrtes Zeug. Es ist nur ein Gl"uck, da"s %S.338 ich nicht wirklich gestorben bin.<< %S.338