% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1991", % volume = "2", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3192 [6]", % isbn = "3-15-003192-3", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1991" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von M. Hirao, am 26. Februar 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 29. M"arz 2001 % % ck version (input e.g. Dru"cker instead of Drucker) % \maerchentitel{KHM 171: Der Zaunk"onig} \markright{KHM 171: Der Zaunk"onig} In den alten Zeiten, da hatte jeder Klang noch Sinn und %S.320 Bedeutung. Wenn der Hammer des Schmieds ert"onte, so %S.320 rief er: >>Smiet mi to! Smiet mi to!<< Wenn der Hobel des %S.320 Tischlers schnarrte, so sprach er: >>Dor h"ast! Dor, dor %S.320 h"ast!<< Fing das R"aderwerk der M"uhle an zu klappern, so %S.320 sprach es: >>Help, Herr Gott! Help, Herr Gott!<< Und war %S.320 der M"uller ein Betr"uger und lie"s die M"uhle an, so sprach %S.320 sie Hochdeutsch und fragte erst langsam: >>Wer ist da? %S.320 Wer ist da?<< Dann antwortete sie schnell: >>Der M"uller! %S.320 Der M"uller!<< Und endlich ganz geschwind: >>Stiehlt tapfer, %S.320 stiehlt tapfer, vom Achtel drei Sechter.<< %S.320 Zu dieser Zeit hatten auch die V"ogel ihre eigene Sprache, %S.320 die jedermann verstand, jetzt lautet es nur wie ein Zwitschern, %S.320 Kreischen und Pfeifen, und bei einigen wie %S.321 Musik ohne Worte. Es kam aber den V"ogeln in den Sinn, %S.321 sie wollten nicht l"anger ohne Herrn sein und einen unter %S.321 sich zu ihrem K"onig w"ahlen. Nur einer von ihnen, der %S.321 Kibitz, war dagegen: frei hatte er gelebt, und frei wollte %S.321 er sterben, und angstvoll hin und her fliegend, rief er: %S.321 >>Wo bliew ick? Wo bliew ick?<< Er zog sich zur"uck in %S.321 einsame und unbesuchte S"umpfe und zeigte sich nicht %S.321 wieder unter seinesgleichen. %S.321 Die V"ogel wollten sich nun "uber die Sache besprechen, %S.321 und an einem sch"onen Maimorgen kamen sie alle aus %S.321 W"aldern und Feldern zusammen, Adler und Buchfinke, %S.321 Eule und Kr"ahe, Lerche und Sperling, was soll ich sie alle %S.321 nennen? Selbst der Ku"ckuck kam und der Wiedehopf, %S.321 sein K"uster, der so hei"st, weil er sich immer ein paar %S.321 Tage fr"uher h"oren l"a"st; auch ein ganz kleiner Vogel, der %S.321 noch keinen Namen hatte, mischte sich unter die Schar. %S.321 Das Huhn, das zuf"allig von der ganzen Sache nichts %S.321 geh"ort hatte, verwunderte sich "uber die gro"se Versammlung. %S.321 >>Wat, wat, wat is den dar to don?<< ga"ckerte es, %S.321 aber der Hahn beruhigte seine liebe Henne und sagte: %S.321 >>Luter riek L"ud<<, erz"ahlte ihr auch, was sie vorh"atten. %S.321 Es ward aber beschlossen, da"s der K"onig sein sollte, der %S.321 am h"ochsten fliegen k"onnte. Ein Laubfrosch, der im %S.321 Geb"usche sa"s, rief, als er das h"orte, warnend: >>Natt, %S.321 natt, natt! Natt, natt, natt!<<, weil er meinte, es w"urden %S.321 deshalb viel Tr"anen vergossen werden. Die Kr"ahe aber %S.321 sagte: >>Quark ok!<<, es sollte alles friedlich abgehen. %S.321 Es ward nun beschlossen, sie wollten gleich an diesem %S.321 sch"onen Morgen aufsteigen, damit niemand hinterher %S.321 sagen k"onnte: >>Ich w"are wohl noch h"oher geflogen, aber %S.321 der Abend kam, da konnte ich nicht mehr.<< Auf ein %S.321 gegebenes Zeichen erhob sich also die ganze Schar in die %S.321 L"ufte. Der Staub stieg da von dem Felde auf, es war ein %S.321 gewaltiges Sausen und Brausen und Fittichschlagen, und %S.321 es sah aus, als wenn eine schwarze Wolke dahinz"oge. Die %S.321 kleinern V"ogel aber blieben bald zur"uck, konnten nicht %S.322 weiter und fielen wieder auf die Erde. Die gr"o"sern %S.322 hielten's l"anger aus, aber keiner konnte es dem Adler %S.322 gleichtun, der stieg so hoch, da"s er der Sonne h"atte die %S.322 Augen ausha"cken k"onnen. Und als er sah, da"s die andern %S.322 nicht zu ihm herauf konnten, so dachte er: >>Was willst %S.322 du noch h"oher fliegen, du bist doch der K"onig<<, und fing %S.322 an, sich wieder herabzulassen. Die V"ogel unter ihm %S.322 riefen ihm alle gleich zu: >>Du mu"st unser K"onig sein, %S.322 keiner ist h"oher geflogen als du.<< >>Ausgenommen ich<<, %S.322 schrie der kleine Kerl ohne Namen, der sich in die %S.322 Brustfedern des Adlers verkrochen hatte. Und da er %S.322 nicht m"ude war, so stieg er auf und stieg so hoch, da"s er %S.322 Gott auf seinem Stuhle konnte sitzen sehen. Als er aber %S.322 so weit gekommen war, legte er seine Fl"ugel zusammen, %S.322 sank herab und rief unten mit feiner, durchdringender %S.322 Stimme: >>K"onig b"un ick! K"onig b"un ick!<< %S.322 >>Du unser K"onig?<< schrien die V"ogel zornig, >>durch %S.322 R"anke und Listen hast du es dahin gebracht.<< Sie machten %S.322 eine andere Bedingung, der sollte ihr K"onig sein, der %S.322 am tiefsten in die Erde fallen k"onnte. Wie klatschte da die %S.322 Gans mit ihrer breiten Brust wieder auf das Land! Wie %S.322 scharrte der Hahn schnell ein Loch! Die Ente kam am %S.322 schlimmsten weg, sie sprang in einen Graben, verrenkte %S.322 sich aber die Beine und watschelte fort zum nahen Teiche %S.322 mit dem Ausruf >>Pracherwerk! Pracherwerk!<<. Der %S.322 Kleine ohne Namen aber suchte ein M"auseloch, %S.322 schl"upfte hinab und rief mit seiner feinen Stimme heraus: %S.322 >>K"onig b"un ick! K"onig b"un ick!<< %S.322 >>Du unser K"onig?<< riefen die V"ogel noch zorniger. %S.322 >>Meinst du, deine Listen sollten gelten?<< Sie beschlossen, %S.322 ihn in seinem Loch gefangenzuhalten und auszuhungern. %S.322 Die Eule ward als Wache davorgestellt: sie %S.322 sollte den Schelm nicht herauslassen, so lieb ihr das %S.322 Leben w"are. Als es aber Abend geworden war und die %S.322 V"ogel von der Anstrengung beim Fliegen gro"se M"udigkeit %S.322 empfanden, so gingen sie mit Weib und Kind zu %S.323 Bett. Die Eule allein blieb bei dem M"auseloch stehen und %S.323 blickte mit ihren gro"sen Augen unverwandt hinein. %S.323 Indessen war sie auch m"ude geworden und dachte: >>Ein %S.323 Auge kannst du wohl zutun, du wachst ja noch mit dem %S.323 andern, und der kleine B"osewicht soll nicht aus seinem %S.323 Loch heraus.<< Also tat sie das eine Auge zu und schaute %S.323 mit dem andern steif auf das M"auseloch. Der kleine Kerl %S.323 guckte mit dem Kopf heraus und wollte wegwitschen, %S.323 aber die Eule trat gleich davor, und er zog den Kopf %S.323 wieder zur"uck. Dann tat die Eule das eine Auge wieder %S.323 auf und das andere zu und wollte so die ganze Nacht %S.323 abwechseln. Aber als sie das eine Auge wieder zumachte, %S.323 verga"s sie, das andere aufzutun, und sobald die beiden %S.323 Augen zu waren, schlief sie ein. Der Kleine merkte das %S.323 bald und schl"upfte weg. %S.323 Von der Zeit an darf sich die Eule nicht mehr am Tage %S.323 sehen lassen, sonst sind die andern V"ogel hinter ihr her %S.323 und zerzausen ihr das Fell. Sie fliegt nur zur Nachtzeit %S.323 aus, ha"st aber und verfolgt die M"ause, weil sie solche %S.323 b"ose L"ocher machen. Auch der kleine Vogel l"a"st sich %S.323 nicht gerne sehen, weil er f"urchtet, es ginge ihm an den %S.323 Kragen, wenn er erwischt w"urde. Er schl"upft in den %S.323 Z"aunen herum, und wenn er ganz sicher ist, ruft er wohl %S.323 zuweilen: >>K"onig b"un ick!<< Und deshalb nennen ihn die %S.323 andern V"ogel aus Spott \emph{Zaunk"onig}. %S.323 Niemand aber war froher als die Lerche, da"s sie dem %S.323 Zaunk"onig nicht zu gehorchen brauchte. Wie sich die %S.323 Sonne bli"cken l"a"st, steigt sie in die L"ufte und ruft: >>Ach, %S.323 wo ist dat sch"on! Sch"on is dat! Sch"on! Sch"on! Ach, wo is %S.323 dat sch"on!<< %S.323