% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1991", % volume = "2", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3192 [6]", % isbn = "3-15-003192-3", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1991" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von A. Ueno, am 31. M"arz 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 2. April 2001 % \maerchentitel{KHM 129: Die vier kunstreichen Br"uder} \markright{KHM 129: Die vier kunstreichen Br"uder} Es war ein armer Mann, der hatte vier S"ohne, wie die %S.201 herangewachsen waren, sprach er zu ihnen: >>Liebe Kinder, %S.201 ihr m"u"st jetzt hinaus in die Welt, ich habe nichts, das %S.201 ich euch geben k"onnte; macht euch auf und geht in die %S.201 Fremde, lernt ein Handwerk und seht, wie ihr euch %S.201 durchschlagt.<< Da ergriffen die vier Br"uder den Wanderstab, %S.202 nahmen Abschied von ihrem Vater und zogen %S.202 zusammen zum Tor hinaus. Als sie eine Zeitlang gewandert %S.202 waren, kamen sie an einen Kreuzweg, der nach vier %S.202 verschiedenen Gegenden f"uhrte. Da sprach der "alteste: %S.202 >>Hier m"ussen wir uns trennen, aber heut "uber vier Jahre %S.202 wollen wir an dieser Stelle wieder zusammentreffen und %S.202 in der Zeit unser Gl"uck versuchen.<< %S.202 Nun ging jeder seinen Weg, und dem "altesten begegnete %S.202 ein Mann, der fragte ihn, wo er hinaus wollte und was er %S.202 vorh"atte. >>Ich will ein Handwerk lernen<<, antwortete er. %S.202 Da sprach der Mann: >>Geh mit mir und werde ein %S.202 Dieb.<< >>Nein<<, antwortete er, >>das gilt f"ur kein ehrliches %S.202 Handwerk mehr, und das Ende vom Lied ist, da"s einer %S.202 als Schwengel in der Feldglocke gebraucht wird.<< >>Oh<<, %S.202 sprach der Mann, >>vor dem Galgen brauchst du dich %S.202 nicht zu f"urchten: ich will dich blo"s lehren, wie du holst, %S.202 was sonst kein Mensch kriegen kann, und wo dir niemand %S.202 auf die Spur kommt.<< Da lie"s er sich "uberreden, %S.202 ward bei dem Manne ein gelernter Dieb und ward so %S.202 geschickt, da"s vor ihm nichts sicher war, was er einmal %S.202 haben wollte. Der zweite Bruder begegnete einem Mann, %S.202 der dieselbe Frage an ihn tat, was er in der Welt lernen %S.202 wollte. >>Ich wei"s es noch nicht<<, antwortete er. >>So geh %S.202 mit mir und werde ein Sterngucker: nichts besser als das, %S.202 es bleibt einem nichts verborgen.<< Er lie"s sich das gefallen %S.202 und ward ein so geschickter Sterngucker, da"s sein %S.202 Meister, als er ausgelernt hatte und weiterziehen wollte, %S.202 ihm ein Fernrohr gab und zu ihm sprach: >>Damit kannst %S.202 du sehen, was auf Erden und am Himmel vorgeht, und %S.202 kann dir nichts verborgen bleiben.<< Den dritten Bruder %S.202 nahm ein J"ager in die Lehre und gab ihm in allem, was %S.202 zur J"agerei geh"ort, so guten Unterricht, da"s er ein ausgelernter %S.202 J"ager ward. Der Meister schenkte ihm beim %S.202 Abschied eine B"uchse und sprach: >>Die fehlt nicht, was %S.202 du damit aufs Korn nimmst, das triffst du sicher.<< Der %S.202 j"ungste Bruder begegnete gleichfalls einem Manne, der %S.203 ihn anredete und nach seinem Vorhaben fragte. >>Hast du %S.203 nicht Lust, ein Schneider zu werden?<< >>Da"s ich nicht %S.203 w"u"ste<<, sprach der Junge, >>das Krummsitzen von morgens %S.203 bis abends, das Hin- und Herfegen mit der Nadel %S.203 und das B"ugeleisen will mir nicht in den Sinn.<< >>Ei was<<, %S.203 antwortete der Mann, >>du sprichst wie du's verstehst: bei %S.203 mir lernst du eine ganz andere Schneiderkunst, die ist %S.203 anst"andig und ziemlich, zum Teil sehr ehrenvoll.<< Da %S.203 lie"s er sich "uberreden, ging mit und lernte die Kunst des %S.203 Mannes aus dem Fundament. Beim Abschied gab ihm %S.203 dieser eine Nadel und sprach: >>Damit kannst du zusammenn"ahen, %S.203 was dir vorkommt, es sei so weich wie ein Ei %S.203 oder so hart als Stahl; und es wird ganz zu einem St"uck, %S.203 da"s keine Naht mehr zu sehen ist.<< %S.203 Als die bestimmten vier Jahre herum waren, kamen die %S.203 vier Br"uder zu gleicher Zeit an dem Kreuzwege zusammen, %S.203 herzten und k"u"sten sich und kehrten heim zu %S.203 ihrem Vater. >>Nun<<, sprach dieser ganz vergn"ugt, >>hat %S.203 euch der Wind wieder zu mir geweht?<< Sie erz"ahlten, wie %S.203 es ihnen ergangen war und da"s jeder das seinige gelernt %S.203 h"atte. Nun sa"sen sie gerade vor dem Haus unter einem %S.203 gro"sen Baum, da sprach der Vater: >>Jetzt will ich euch %S.203 auf die Probe stellen und sehen, was ihr k"onnt.<< Danach %S.203 schaute er auf und sagte zu dem zweiten Sohne: >>Oben %S.203 im Gipfel dieses Baums sitzt zwischen zwei "Asten ein %S.203 Buchfinkennest, sag mir, wieviel Eier liegen darin?<< Der %S.203 Sterngucker nahm sein Glas, schaute hinauf und sagte: %S.203 >>F"unfe sind's.<< Sprach der Vater zum "altesten: >>Hol du %S.203 die Eier herunter, ohne da"s der Vogel, der daraufsitzt %S.203 und br"utet, gest"ort wird.<< Der kunstreiche Dieb stieg %S.203 hinauf und nahm dem V"oglein, das gar nichts davon %S.203 merkte und ruhig sitzenblieb, die f"unf Eier unter dem %S.203 Leib weg und brachte sie dem Vater herab. Der Vater %S.203 nahm sie, legte an jede Ecke des Tisches eins und das %S.203 f"unfte in die Mitte und sprach zum J"ager: >>Du schie"sest %S.203 mir mit einem Schu"s die f"unf Eier in der Mitte entzwei.<< %S.204 Der J"ager legte seine B"uchse an und scho"s die Eier, wie %S.204 es der Vater verlangt hatte, alle f"unfe, und zwar in einem %S.204 Schu"s. Der hatte gewi"s von dem Pulver, das um die Ecke %S.204 schie"st. >>Nun kommt die Reihe an dich<<, sprach der %S.204 Vater zu dem vierten Sohn, >>du n"ahst die Eier wieder %S.204 zusammen und auch die jungen V"oglein, die darin sind, %S.204 und zwar so, da"s ihnen der Schu"s nichts schadet.<< Der %S.204 Schneider holte seine Nadel und n"ahte, wie's der Vater %S.204 verlangt hatte. Als er fertig war, mu"ste der Dieb die Eier %S.204 wieder auf den Baum ins Nest tragen und dem Vogel, %S.204 ohne da"s er etwas merkte, wieder unterlegen. Das Tierchen %S.204 br"utete sie vollends aus, und nach ein paar Tagen %S.204 krochen die Jungen hervor und hatten da, wo sie vom %S.204 Schneider zusammengen"aht waren, ein rotes Streifchen %S.204 um den Hals. %S.204 >>Ja<<, sprach der Alte zu seinen S"ohnen, >>ich mu"s euch %S.204 "uber den gr"unen Klee loben, ihr habt eure Zeit wohl %S.204 benutzt und was Rechtschaffenes gelernt: ich kann nicht %S.204 sagen, wem von euch der Vorzug geb"uhrt. Wenn ihr nur %S.204 bald Gelegenheit habt, eure Kunst anzuwenden, da wird %S.204 sich's ausweisen.<< Nicht lange danach kam gro"ser L"arm %S.204 ins Land, die K"onigstochter w"are von einem Drachen %S.204 entf"uhrt worden. Der K"onig war Tag und Nacht dar"uber %S.204 in Sorgen und lie"s bekanntmachen, wer sie zur"uckbr"achte, %S.204 sollte sie zur Gemahlin haben. Die vier Br"uder %S.204 sprachen untereinander: >>Das w"are eine Gelegenheit, wo %S.204 wir uns k"onnten sehen lassen<<, wollten zusammen ausziehen %S.204 und die K"onigstochter befreien. >>Wo sie ist, will %S.204 ich bald wissen<<, sprach der Sterngucker, schaute durch %S.204 sein Fernrohr und sprach: >>Ich sehe sie schon, sie sitzt %S.204 weit von hier auf einem Felsen im Meer und neben ihr %S.204 der Drache, der sie bewacht.<< Da ging er zu dem K"onig %S.204 und bat um ein Schiff f"ur sich und seine Br"uder und fuhr %S.204 mit ihnen "uber das Meer, bis sie zu dem Felsen hinkamen. %S.204 Die K"onigstochter sa"s da, aber der Drache lag in %S.204 ihrem Scho"s und schlief. Der J"ager sprach: >>Ich darf %S.205 nicht schie"sen, ich w"urde die sch"one Jungfrau zugleich %S.205 t"oten.<< >>So will ich mein Heil versuchen<<, sagte der %S.205 Dieb, schlich sich heran und stahl sie unter dem Drachen %S.205 weg, aber so leis und behend, da"s das Untier nichts %S.205 merkte, sondern fortschnarchte. Sie eilten voll Freude %S.205 mit ihr aufs Schiff und steuerten in die offene See; aber %S.205 der Drache, der bei seinem Erwachen die K"onigstochter %S.205 nicht mehr gefunden hatte, [flog] hinter ihnen her und %S.205 schnaubte w"utend durch die Luft. Als er gerade "uber %S.205 dem Schiff schwebte und sich herablassen wollte, legte %S.205 der J"ager seine B"uchse an und scho"s ihm mitten ins %S.205 Herz. Das Untier fiel tot herab, war aber so gro"s und %S.205 gewaltig, da"s es im Herabfallen das ganze Schiff zertr"ummerte. %S.205 Sie erhaschten gl"ucklich noch ein paar Bretter %S.205 und schwammen auf dem weiten Meer umher. Da %S.205 war wieder gro"se Not, aber der Schneider, nicht faul, %S.205 nahm seine wunderbare Nadel, n"ahte die Bretter mit ein %S.205 paar gro"sen Stichen in der Eile zusammen, setzte sich %S.205 darauf und sammelte alle St"ucke des Schiffs. Dann n"ahte %S.205 er auch diese so geschickt zusammen, da"s in kurzer Zeit %S.205 das Schiff wieder segelfertig war und sie gl"ucklich heimfahren %S.205 konnten. %S.205 Als der K"onig seine Tochter wiedererblickte, war gro"se %S.205 Freude. Er sprach zu den vier Br"udern: >>Einer von euch %S.205 soll sie zur Gemahlin haben, aber welcher das ist, macht %S.205 unter euch aus.<< Da entstand ein heftiger Streit unter %S.205 ihnen, denn jeder machte Anspr"uche. Der Sterngucker %S.205 sprach: >>H"att ich nicht die K"onigstochter gesehen, so %S.205 w"aren alle eure K"unste umsonst gewesen: darum ist sie %S.205 mein.<< Der Dieb sprach: >>Was h"atte das Sehen geholfen, %S.205 wenn ich sie nicht unter dem Drachen weggeholt h"atte: %S.205 darum ist sie mein.<< Der J"ager sprach: >>Ihr w"art doch %S.205 samt der K"onigstochter von dem Untier zerrissen worden, %S.205 h"atte es meine Kugel nicht getroffen: darum ist sie %S.205 mein.<< Der Schneider sprach: >>Und h"atte ich euch mit %S.205 meiner Kunst nicht das Schiff wieder zusammengeflickt, %S.206 ihr w"art alle j"ammerlich ertrunken: darum ist sie mein.<< %S.206 Da tat der K"onig den Ausspruch: >>Jeder von euch hat ein %S.206 gleiches Recht, und weil ein jeder die Jungfrau nicht %S.206 haben kann, so soll sie keiner von euch haben, aber ich %S.206 will jedem zur Belohnung ein halbes K"onigreich geben.<< %S.206 Den Br"udern gefiel diese Entscheidung, und sie sprachen: %S.206 >>Es ist besser so, als da"s wir uneins werden.<< Da %S.206 erhielt jeder ein halbes K"onigreich, und sie lebten mit %S.206 ihrem Vater in aller Gl"uckseligkeit, solange es Gott %S.206 gefiel. %S.206