% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1991", % volume = "2", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3192 [6]", % isbn = "3-15-003192-3", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1991" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von A. Ueno, am 13. Februar 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 1. April 2001 % % ck version (input e.g. Dru"cker instead of Drucker) % \maerchentitel{KHM 121: Der K"onigssohn, der sich vor nichts f"urchtet} \markright{KHM 121: Der K"onigssohn, der sich vor nichts f"urchtet} Es war einmal ein K"onigssohn, dem gefiel's nicht mehr %S.166 daheim in seines Vaters Haus, und weil er vor nichts %S.166 Furcht hatte, so dachte er: >>Ich will in die weite Welt %S.166 gehen, da wird mir Zeit und Weile nicht lang, und ich %S.166 werde wunderliche Dinge genug sehen.<< Also nahm er %S.166 von seinen Eltern Abschied und ging fort, immer zu, von %S.166 Morgen bis Abend, und es war ihm einerlei, wohinaus %S.166 ihn der Weg f"uhrte. Es trug sich zu, da"s er vor eines %S.166 Riesen Haus kam, und weil er m"ude war, setzte er sich %S.166 vor die T"ure und ruhte. Und als er seine Augen so hin %S.166 und her gehen lie"s, sah er auf dem Hof des Riesen Spielwerk %S.166 liegen: das waren ein paar m"achtige Kugeln und %S.166 Kegel, so gro"s als ein Mensch. "Uber ein Weilchen bekam %S.166 er Lust, stellte die Kegel auf und schob mit den Kugeln %S.166 danach, schrie und rief, wenn die Kegel fielen, und war %S.166 guter Dinge. Der Riese h"orte den L"arm, streckte seinen %S.166 Kopf zum Fenster heraus und erblickte einen Menschen, %S.166 der nicht gr"o"ser war als andere und doch mit seinen %S.166 Kegeln spielte. >>W"urmchen<<, rief er, >>was kegelst du mit %S.166 meinen Kegeln? Wer hat dir die St"arke dazu gegeben?<< %S.166 Der K"onigssohn schaute auf, sah den Riesen an und %S.167 sprach: >>O du Klotz, du meinst wohl, du h"attest allein %S.167 starke Arme? Ich kann alles, wozu ich Lust habe.<< Der %S.167 Riese kam herab, sah dem Kegeln ganz verwundert zu %S.167 und sprach: >>Menschenkind, wenn du der Art bist, so %S.167 geh und hol mir einen Apfel vom Baum des Lebens.<< %S.167 >>Was willst du damit?<< sprach der K"onigssohn. >>Ich will %S.167 den Apfel nicht f"ur mich<<, antwortete der Riese, >>aber %S.167 ich habe eine Braut, die verlangt danach; ich bin weit in %S.167 der Welt umhergegangen und kann den Baum nicht %S.167 finden.<< >>Ich will ihn schon finden<<, sagte der K"onigssohn, %S.167 >>und ich wei"s nicht, was mich abhalten soll, den %S.167 Apfel herunterzuholen.<< Der Riese sprach: >>Du meinst %S.167 wohl, das w"are so leicht? Der Garten, worin der Baum %S.167 steht, ist von einem eisernen Gitter umgeben, und vor %S.167 dem Gitter liegen wilde Tiere, eins neben dem andern, %S.167 die halten Wache und lassen keinen Menschen hinein.<< %S.167 >>Mich werden sie schon einlassen<<, sagte der K"onigssohn. %S.167 >>Ja, gelangst du auch in den Garten und siehst den %S.167 Apfel am Baum h"angen, so ist er doch noch nicht dein: es %S.167 h"angt ein Ring davor, durch den mu"s einer die Hand %S.167 ste"cken, wenn er den Apfel erreichen und abbrechen %S.167 will, und das ist noch keinem gegl"uckt.<< >>Mir soll's %S.167 schon gl"u"cken<<, sprach der K"onigssohn. %S.167 Da nahm er Abschied von dem Riesen, ging fort "uber %S.167 Berg und Tal, durch Felder und W"alder, bis er endlich %S.167 den Wundergarten fand. Die Tiere lagen ringsherum, %S.167 aber sie hatten die K"opfe gesenkt und schliefen. Sie %S.167 erwachten auch nicht, als er herankam, sondern er trat %S.167 "uber sie weg, stieg "uber das Gitter und kam gl"ucklich in %S.167 den Garten. Da stand mitteninne der Baum des Lebens, %S.167 und die roten "Apfel leuchteten an den "Asten. Er kletterte %S.167 an dem Stamm in die H"ohe, und wie er nach einem Apfel %S.167 reichen wollte, sah er einen Ring davorh"angen, aber er %S.167 steckte seine Hand ohne M"uhe hindurch und brach den %S.167 Apfel. Der Ring schlo"s sich fest an seinen Arm, und er %S.167 f"uhlte, wie auf einmal eine gewaltige Kraft durch seine %S.168 Adern drang. Als er mit dem Apfel von dem Baum %S.168 wieder herabgestiegen war, wollte er nicht "uber das %S.168 Gitter klettern, sondern fa"ste das gro"se Tor und %S.168 brauchte nur einmal daran zu sch"utteln, so sprang es mit %S.168 Krachen auf. Da ging er hinaus, und der L"owe, der %S.168 davorgelegen hatte, war wach geworden und sprang ihm %S.168 nach, aber nicht in Wut und Wildheit, sondern er folgte %S.168 ihm dem"utig als seinem Herrn. %S.168 Der K"onigssohn brachte dem Riesen den versprochenen %S.168 Apfel und sprach: >>Siehst du, ich habe ihn ohne M"uhe %S.168 geholt.<< Der Riese war froh, da"s sein Wunsch so bald %S.168 erf"ullt war, eilte zu seiner Braut und gab ihr den Apfel, %S.168 den sie verlangt hatte. Es war eine sch"one und kluge %S.168 Jungfrau, und da sie den Ring nicht an seinem Arm sah, %S.168 sprach sie: >>Ich glaube nicht eher, da"s du den Apfel %S.168 geholt hast, als bis ich den Ring an deinem Arm %S.168 erbli"cke.<< Der Riese sagte: >>Ich brauche nur heimzugehen %S.168 und ihn zu holen<<, und meinte, es w"are ein leichtes, %S.168 dem schwachen Menschen mit Gewalt wegzunehmen, %S.168 was er nicht gutwillig geben wollte. Er forderte also den %S.168 Ring von ihm, aber der K"onigssohn weigerte sich. >>Wo %S.168 der Apfel ist, mu"s auch der Ring sein<<, sprach der Riese, %S.168 >>gibst du ihn nicht gutwillig, so mu"st du mit mir darum %S.168 k"ampfen.<< %S.168 Sie rangen lange Zeit miteinander, aber der Riese konnte %S.168 dem K"onigssohn, den die Zauberkraft des Ringes %S.168 st"arkte, nichts anhaben. Da sann der Riese auf eine List %S.168 und sprach: >>Mir ist warm geworden bei dem Kampf, %S.168 und dir auch, wir wollen im Flusse baden und uns %S.168 abk"uhlen, eh wir wieder anfangen.<< Der K"onigssohn, %S.168 der von Falschheit nichts wu"ste, ging mit ihm zu dem %S.168 Wasser, streifte mit seinen Kleidern auch den Ring vom %S.168 Arm und sprang in den Flu"s. Alsbald griff der Riese nach %S.168 dem Ring und lief damit fort, aber der L"owe, der den %S.168 Diebstahl bemerkt hatte, setzte dem Riesen nach, ri"s den %S.168 Ring ihm aus der Hand und brachte ihn seinem Herrn %S.169 zur"uck. Da stellte sich der Riese hinter einen Eichbaum, %S.169 und als der K"onigssohn besch"aftigt war, seine Kleider %S.169 wieder anzuziehen, "uberfiel er ihn und stach ihm beide %S.169 Augen aus. %S.169 Nun stand da der arme K"onigssohn, war blind und %S.169 wu"ste sich nicht zu helfen. Da kam der Riese wieder %S.169 herbei, fa"ste ihn bei der Hand, wie jemand, der ihn leiten %S.169 wollte, und f"uhrte ihn auf die Spitze eines hohen Felsens. %S.169 Dann lie"s er ihn stehen und dachte: >>Noch ein paar %S.169 Schritte weiter, so st"urzt er sich tot, und ich kann ihm %S.169 den Ring abziehen.<< Aber der treue L"owe hatte seinen %S.169 Herrn nicht verlassen, hielt ihn am Kleide fest und zog %S.169 ihn allm"ahlich wieder zur"uck. Als der Riese kam und den %S.169 Toten berauben wollte, sah er, da"s seine List vergeblich %S.169 gewesen war. >>Ist denn ein so schwaches Menschenkind %S.169 nicht zu verderben!<< sprach er zornig zu sich selbst, %S.169 fa"ste den K"onigssohn und f"uhrte ihn auf einem andern %S.169 Weg nochmals zu dem Abgrund; aber der L"owe, der die %S.169 b"ose Absicht merkte, half seinem Herrn auch hier aus %S.169 der Gefahr. Als sie nahe zum Rand gekommen waren, %S.169 lie"s der Riese die Hand des Blinden fahren und wollte %S.169 ihn allein zur"ucklassen, aber der L"owe stie"s den Riesen, %S.169 da"s er hinabst"urzte und zerschmettert auf den Boden %S.169 fiel. %S.169 Das treue Tier zog seinen Herrn wieder von dem %S.169 Abgrund zur"uck und leitete ihn zu einem Baum, an dem %S.169 ein klarer Bach flo"s. Der K"onigssohn setzte sich da %S.169 nieder, der L"owe aber legte sich und spritzte mit seiner %S.169 Tatze ihm das Wasser ins Antlitz. Kaum hatten ein paar %S.169 Tr"opfchen die Augenh"ohlen benetzt, so konnte er wieder %S.169 etwas sehen und bemerkte ein V"oglein, das flog ganz %S.169 nah vorbei, stie"s sich aber an einen Baumstamm; hierauf %S.169 lie"s es sich in das Wasser herab und badete sich darin, %S.169 dann flog es auf, strich, ohne anzusto"sen, zwischen den %S.169 B"aumen hin, als h"atte es sein Gesicht wiederbekommen. %S.169 Da erkannte der K"onigssohn den Wink Gottes, neigte %S.170 sich herab zu dem Wasser und wusch und badete sich %S.170 darin das Gesicht. Und als er sich aufrichtete, hatte er %S.170 seine Augen wieder so hell und rein, wie sie nie gewesen %S.170 waren. %S.170 Der K"onigssohn dankte Gott f"ur die gro"se Gnade und %S.170 zog mit seinem L"owen weiter in der Welt herum. Nun %S.170 trug es sich zu, da"s er vor ein Schlo"s kam, welches %S.170 verw"unscht war. In dem Tor stand eine Jungfrau von %S.170 sch"oner Gestalt und feinem Antlitz, aber sie war ganz %S.170 schwarz. Sie redete ihn an und sprach: >>Ach, k"onntest %S.170 du mich erl"osen aus dem b"osen Zauber, der "uber mich %S.170 geworfen ist.<< >>Was soll ich tun?<< sprach der K"onigssohn. %S.170 Die Jungfrau antwortete: >>Drei N"achte mu"st du in %S.170 dem gro"sen Saal des verw"unschten Schlosses zubringen, %S.170 aber es darf keine Furcht in dein Herz kommen. Wenn %S.170 sie dich auf das "argste qu"alen und du h"altst es aus, ohne %S.170 einen Laut von dir zu geben, so bin ich erl"ost; das Leben %S.170 d"urfen sie dir nicht nehmen.<< Da sprach der K"onigssohn: %S.170 >>Ich f"urchte mich nicht, ich will's mit Gottes H"ulfe %S.170 versuchen.<< Also ging er fr"ohlich in das Schlo"s, und als %S.170 es dunkel ward, setzte er sich in den gro"sen Saal und %S.170 wartete. Es war aber still bis Mitternacht, da fing pl"otzlich %S.170 ein gro"ser L"arm an, und aus allen E"cken und Winkeln %S.170 kamen kleine Teufel herbei. Sie taten, als ob sie ihn %S.170 nicht s"ahen, setzten sich mitten in die Stube, machten ein %S.170 Feuer an und fingen an zu spielen. Wenn einer verlor, %S.170 sprach er: >>Es ist nicht richtig, es ist einer da, der nicht %S.170 zu uns geh"ort, der ist schuld, da"s ich verliere.<< >>Wart, %S.170 ich komme, du hinter dem Ofen<<, sagte ein anderer. Das %S.170 Schreien ward immer gr"o"ser, so da"s es niemand ohne %S.170 Schre"cken h"atte anh"oren k"onnen. Der K"onigssohn blieb %S.170 ganz ruhig sitzen und hatte keine Furcht; doch endlich %S.170 sprangen die Teufel von der Erde auf und fielen "uber ihn %S.170 her, und es waren so viele, da"s er sich ihrer nicht %S.170 erwehren konnte. Sie zerrten ihn auf dem Boden herum, %S.170 zwickten, stachen, schlugen und qu"alten ihn, aber er gab %S.171 keinen Laut von sich. Gegen Morgen verschwanden sie, %S.171 und er war so abgemattet, da"s er kaum seine Glieder %S.171 regen konnte; als aber der Tag anbrach, da trat die %S.171 schwarze Jungfrau zu ihm herein. Sie trug in ihrer Hand %S.171 eine kleine Flasche, worin Wasser des Lebens war, damit %S.171 wusch sie ihn, und alsbald f"uhlte er, wie alle Schmerzen %S.171 verschwanden und frische Kraft in seine Adern drang. %S.171 Sie sprach: >>Eine Nacht hast du gl"ucklich ausgehalten, %S.171 aber noch zwei stehen dir bevor.<< Da ging sie wieder %S.171 weg, und im Weggehen bemerkte er, da"s ihre F"u"se wei"s %S.171 geworden waren. In der folgenden Nacht kamen die %S.171 Teufel und fingen ihr Spiel aufs neue an: sie fielen "uber %S.171 den K"onigssohn her und schlugen ihn viel h"arter als in %S.171 der vorigen Nacht, da"s sein Leib voll Wunden war. %S.171 Doch da er alles still ertrug, mu"sten sie von ihm lassen, %S.171 und als die Morgenr"ote anbrach, erschien die Jungfrau %S.171 und heilte ihn mit dem Lebenswasser. Und als sie wegging, %S.171 sah er mit Freuden, da"s sie schon wei"s geworden %S.171 war bis zu den Fingerspitzen. Nun hatte er nur noch eine %S.171 Nacht auszuhalten, aber die war die schlimmste. Der %S.171 Teufelsspuk kam wieder: >>Bist du noch da?<< schrien sie. %S.171 >>Du sollst gepeinigt werden, da"s dir der Atem stehenbleibt.<< %S.171 Sie stachen und schlugen ihn, warfen ihn hin und %S.171 her und zogen ihn an Armen und Beinen, als wollten sie %S.171 ihn zerrei"sen; aber er duldete alles und gab keinen Laut %S.171 von sich. Endlich verschwanden die Teufel, aber er lag da %S.171 ohnm"achtig und regte sich nicht: er konnte auch nicht %S.171 die Augen aufheben, um die Jungfrau zu sehen, die %S.171 hereinkam und ihn mit dem Wasser des Lebens benetzte %S.171 und bego"s. Aber auf einmal war er von allen Schmerzen %S.171 befreit und f"uhlte sich frisch und gesund, als w"are er aus %S.171 einem Schlaf erwacht, und wie er die Augen aufschlug, %S.171 so sah er die Jungfrau neben sich stehen, die war schneewei"s %S.171 und sch"on wie der helle Tag. >>Steh auf<<, sprach sie, %S.171 >>und schwing dein Schwert dreimal "uber die Treppe, %S.171 so ist alles erl"ost.<< Und als er das getan hatte, da war das %S.172 ganze Schlo"s vom Zauber befreit, und die Jungfrau war %S.172 eine reiche K"onigstochter. Die Diener kamen und sagten, %S.172 im gro"sen Saale w"are die Tafel schon zubereitet und %S.172 die Speisen aufgetragen. Da setzten sie sich nieder, a"sen %S.172 und tranken zusammen, und abends ward in gro"sen %S.172 Freuden die Hochzeit gefeiert. %S.172