% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1991", % volume = "2", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3192 [6]", % isbn = "3-15-003192-3", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1991" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von Y. Nagata, am 01. April 2001 % % ck version (input e.g. Dru"cker instead of Drucker) % \maerchentitel{KHM 93: Die Rabe} \markright{KHM 93: Die Rabe} Es war einmal eine K"onigin, die hatte ein T"ochterchen, %S.51 das war noch klein und mu"ste noch auf dem Arm %S.51 getragen werden. Zu einer Zeit war das Kind unartig, %S.51 und die Mutter mochte sagen, was sie wollte, es hielt %S.51 nicht Ruhe. Da ward sie ungeduldig, und weil die Raben %S.51 so um das Schlo"s herumflogen, "offnete sie das Fenster %S.51 und sagte: >>Ich wollte, du w"arst eine Rabe und fl"ogst %S.51 fort, so h"att ich Ruhe.<< Kaum hatte sie das Wort gesagt, %S.51 so war das Kind in eine Rabe verwandelt und flog von %S.51 ihrem Arm zum Fenster hinaus. Sie flog aber in einen %S.51 dunkeln Wald und blieb lange Zeit darin, und die Eltern %S.51 h"orten nichts von ihr. Danach f"uhrte einmal einen Mann %S.51 sein Weg in diesen Wald, der h"orte die Rabe rufen und %S.51 ging der Stimme nach; und als er n"aher kam, sprach die %S.51 Rabe: >>Ich bin eine K"onigstochter von Geburt und bin %S.51 verw"unscht worden, du aber kannst mich erl"osen.<< >>Was %S.51 soll ich tun?<< fragte er. Sie sagte: >>Geh weiter in den %S.51 Wald, und du wirst ein Haus finden, darin sitzt eine alte %S.51 Frau, die wird dir Essen und Trinken reichen, aber du %S.51 darfst nichts nehmen: wenn du etwas issest oder trinkst, %S.51 so verf"allst du in einen Schlaf und kannst du mich nicht %S.51 erl"osen. Im Garten hinter dem Haus ist eine gro"se %S.51 Lohhu"cke, darauf sollst du stehen und mich erwarten. %S.51 Drei Tage lang komm ich jeden Mittag um zwei Uhr zu %S.51 dir in einem Wagen, der ist erst mit vier wei"sen Hengsten %S.51 bespannt, dann mit vier roten und zuletzt mit vier %S.51 schwarzen, wenn du aber nicht wach bist, sondern %S.52 schl"afst, so werde ich nicht erl"ost.<< Der Mann versprach, %S.52 alles zu tun, was sie verlangt hatte, die Rabe aber sagte: %S.52 >>Ach, ich wei"s es schon, du wirst mich nicht erl"osen, du %S.52 nimmst etwas von der Frau.<< Da versprach der Mann %S.52 noch einmal, er wollte gewi"s nichts anr"uhren, weder von %S.52 dem Essen noch von dem Trinken. Wie er aber in das %S.52 Haus kam, trat die alte Frau zu ihm und sagte: >>Armer %S.52 Mann, was seid Ihr abgemattet, kommt und erquickt %S.52 Euch, esset und trinkt.<< >>Nein<<, sagte der Mann, >>ich %S.52 will nicht essen und nicht trinken.<< Sie lie"s ihm aber %S.52 keine Ruhe und sprach: >>Wenn Ihr dann nicht essen %S.52 wollt, so tut einen Zug aus dem Glas, einmal ist keinmal.<< %S.52 Da lie"s er sich "uberreden und trank. Nachmittags gegen %S.52 zwei Uhr ging er hinaus in den Garten auf die Lohhu"cke %S.52 und wollte auf die Rabe warten. Wie er da stand, ward er %S.52 auf einmal so m"ude und konnte es nicht "uberwinden und %S.52 legte sich ein wenig nieder; doch wollte er nicht einschlafen. %S.52 Aber kaum hatte er sich hingestreckt, so fielen ihm %S.52 die Augen von selber zu, und er schlief ein und schlief so %S.52 fest, da"s ihn nichts auf der Welt h"atte erwe"cken k"onnen. %S.52 Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier wei"sen Hengsten %S.52 gefahren, aber sie war schon in voller Trauer und sprach: %S.52 >>Ich wei"s, da"s er schl"aft.<< Und als sie in den Garten kam, %S.52 lag er auch da auf der Lohhu"cke und schlief. Sie stieg aus %S.52 dem Wagen, ging zu ihm und sch"uttelte ihn und rief ihn %S.52 an, aber er erwachte nicht. Am andern Tag zur Mittagszeit %S.52 kam die alte Frau wieder und brachte ihm Essen und %S.52 Trinken, aber er wollte es nicht annehmen. Doch sie lie"s %S.52 ihm keine Ruhe und redete ihm so lange zu, bis er wieder %S.52 einen Zug aus dem Glase tat. Gegen zwei Uhr ging er in %S.52 den Garten auf die Lohhu"cke und wollte auf die Rabe %S.52 warten, da empfand er auf einmal so gro"se M"udigkeit, da"s %S.52 seine Glieder ihn nicht mehr hielten: er konnte sich %S.52 nicht helfen, mu"ste sich legen und fiel in tiefen Schlaf. %S.52 Als die Rabe daherfuhr mit vier braunen Hengsten, war %S.52 sie schon in voller Trauer und sagte: >>Ich wei"s, da"s er %S.53 schl"aft.<< Sie ging zu ihm hin, aber er lag da im Schlaf und %S.53 war nicht zu erwe"cken. Am andern Tag sagte die alte %S.53 Frau, was das w"are, er "a"se und tr"anke nichts, ob er %S.53 sterben wollte. Er antwortete: >>Ich will und darf nicht %S.53 essen und nicht trinken.<< Sie stellte aber die Sch"ussel mit %S.53 Essen und das Glas mit Wein vor ihm hin, und als der %S.53 Geruch davon zu ihm aufstieg, so konnte er nicht widerstehen %S.53 und tat einen starken Zug. Als die Zeit kam, ging %S.53 er hinaus in den Garten auf die Lohhu"cke und wartete %S.53 auf die K"onnigstochter; da ward er noch m"uder als die %S.53 Tage vorher, legte sich nieder und schlief so fest, als w"ar %S.53 er ein Stein. Um zwei Uhr kam die Rabe und hatte vier %S.53 schwarze Hengste, und die Kutsche und alles war %S.53 schwarz. Sie war aber schon in voller Trauer und sprach: %S.53 >>Ich wei"s, da"s er schl"aft und mich nicht erl"osen kann.<< %S.53 Als sie zu ihm kam, lag er da und schlief fest. Sie r"uttelte %S.53 ihn und rief ihn, aber sie konnte ihn nicht aufwe"cken. Da %S.53 legte sie ein Brot neben ihn hin, dann ein St"uck Fleisch, %S.53 zum dritten eine Flasche Wein, und er konnte von allem %S.53 so viel nehmen, als er wollte, es ward nicht weniger. %S.53 Danach nahm sie einen goldenen Ring von ihrem Finger %S.53 und steckte ihn an seinen Finger, und war ihr Name %S.53 eingegraben. Zuletzt legte sie einen Brief hin, darin %S.53 stand, was sie ihm gegeben hatte und da"s es nie all %S.53 w"urde, und es stand auch darin: >>Ich sehe wohl, da"s du %S.53 mich hier nicht erl"osen kannst, willst du mich aber noch %S.53 erl"osen, so komm nach dem goldenen Schlo"s von Stromberg, %S.53 es steht in deiner Macht, das wei"s ich gewi"s.<< Und %S.53 wie sie ihm das alles gegeben hatte, setzte sie sich in ihren %S.53 Wagen und fuhr in das goldene Schlo"s von Stromberg. %S.53 Als der Mann aufwachte und sah, da"s er geschlafen %S.53 hatte, ward er von Herzen traurig und sprach: >>Gewi"s, %S.53 nun ist sie vorbeigefahren, und ich habe sie nicht erl"ost.<< %S.53 Da fielen ihm die Dinge in die Augen, die neben ihm %S.53 lagen, und er las den Brief, darin geschrieben stand, wie %S.53 es zugegangen war. Also machte er sich auf und ging fort %S.54 und wollte nach dem goldenen Schlo"s von Stromberg, %S.54 aber er wu"ste nicht, wo es lag. Nun war er schon lange in %S.54 der Welt herumgegangen, da kam er in einen dunkeln %S.54 Wald und ging vierzehn Tage darin fort und konnte sich %S.54 nicht herausfinden. Da ward es wieder Abend, und er %S.54 war so m"ude, da"s er sich an einen Busch legte und %S.54 einschlief. Am andern Tag ging er weiter, und abends, als %S.54 er sich wieder an einen Busch legen wollte, h"orte er ein %S.54 Heulen und Jammern, da"s er nicht einschlafen konnte. %S.54 Und wie die Zeit kam, wo die Leute Lichter anste"cken, %S.54 sah er eins schimmern, machte sich auf und ging ihm %S.54 nach; da kam er vor ein Haus, das schien so klein, denn %S.54 es stand ein gro"ser Riese davor. Da dachte er bei sich: %S.54 >>Gehst du hinein und der Riese erblickt dich, so ist es %S.54 leicht um dein Leben geschehen.<< Endlich wagte er es %S.54 und trat heran. Als der Riese ihn sah, sprach er: >>Es ist %S.54 gut, da"s du kommst, ich habe lange nichts gegessen: ich %S.54 will dich gleich zum Abendbrot verschlu"cken.<< >>La"s das %S.54 lieber sein<<, sprach der Mann, >>ich lasse mich nicht gerne %S.54 verschlu"cken; verlangst du zu essen, so habe ich genug, %S.54 um dich satt zu machen.<< >>Wenn das wahr ist<<, sagte der %S.54 Riese, >>so kannst du ruhig bleiben; ich wollte dich nur %S.54 verzehren, weil ich nichts anderes habe.<< Da gingen sie %S.54 und setzten sich an den Tisch, und der Mann holte Brot, %S.54 Wein und Fleisch, das nicht all ward. >>Das gef"allt mir %S.54 wohl<<, sprach der Riese und a"s nach Herzenslust. %S.54 Danach sprach der Mann zu ihm: >>Kannst du mir nicht %S.54 sagen, wo das goldene Schlo"s von Stromberg ist?<< Der %S.54 Riese sagte: >>Ich will auf meiner Landkarte nachsehen, %S.54 darauf sind alle St"adte, D"orfer und H"auser zu finden.<< %S.54 Er holte die Landkarte, die er in der Stube hatte, und %S.54 suchte das Schlo"s, aber es stand nicht darauf. >>Es tut %S.54 nichts<<, sprach er, >>ich habe oben im Schranke noch %S.54 gr"o"sere Landkarten; darauf wollen wir suchen<<; aber es %S.54 war auch vergeblich. Der Mann wollte nun weitergehen; %S.54 aber der Riese bat ihn, noch ein paar Tage zu warten, bis %S.55 sein Bruder heimk"ame, der w"are ausgegangen, Lebensmittel %S.55 zu holen. Als der Bruder heimkam, fragten sie %S.55 nach dem goldenen Schlo"s von Stromberg, er antwortete: %S.55 >>Wenn ich gegessen habe und satt bin, dann will ich %S.55 auf der Karte suchen.<< Er stieg dann mit ihnen auf seine %S.55 Kammer, und sie suchten auf seiner Landkarte, konnten %S.55 es aber nicht finden; da holte er noch andere alte Karten, %S.55 und sie lie"sen nicht ab, bis sie endlich das goldene Schlo"s %S.55 von Stromberg fanden, aber es war viele tausend Meilen %S.55 weit weg. >>Wie werde ich nun dahinkommen?<< fragte %S.55 der Mann. Der Riese sprach: >>Zwei Stunden hab ich %S.55 Zeit, da will ich dich bis in die N"ahe tragen, dann aber %S.55 mu"s ich wieder nach Haus und das Kind s"augen, das wir %S.55 haben.<< Da trug der Riese den Mann bis etwa hundert %S.55 Stunden vom Schlo"s und sagte: >>Den "ubrigen Weg %S.55 kannst du wohl allein gehen.<< Dann kehrte er um, der %S.55 Mann aber ging vorw"arts Tag und Nacht, bis er endlich %S.55 zu dem goldenen Schlo"s von Stromberg kam. Es stand %S.55 aber auf einem gl"asernen Berge, und die verw"unschte %S.55 Jungfrau fuhr in ihrem Wagen um das Schlo"s herum und %S.55 ging dann hinein. Er freute sich, als er sie erblickte, und %S.55 wollte zu ihr hinaufsteigen, aber wie er es auch anfing, er %S.55 rutschte an dem Glas immer wieder herunter. Und als er %S.55 sah, da"s er sie nicht erreichen konnte, ward er ganz %S.55 betr"ubt und sprach zu sich selbst: >>Ich will hier unten %S.55 bleiben und auf sie warten.<< Also baute er sich eine %S.55 H"utte und sa"s darin ein ganzes Jahr und sah die K"onigstochter %S.55 alle Tage oben fahren, konnte aber nicht zu ihr %S.55 hinaufkommen. %S.55 Da sah er einmal aus seiner H"utte, wie drei R"auber sich %S.55 schlugen, und rief ihnen zu: >>Gott sei mit euch!<< Sie %S.55 hielten bei dem Ruf inne, als sie aber niemand sahen, %S.55 fingen sie wieder an, sich zu schlagen, und das zwar ganz %S.55 gef"ahrlich. Da rief er abermals: >>Gott sei mit euch!<< Sie %S.55 h"orten wieder auf, guckten sich um, weil sie aber niemand %S.55 sahen, fuhren sie auch wieder fort, sich zu schlagen. %S.56 Da rief er zum drittenmal: >>Gott sei mit euch!<<, und %S.56 dachte: >>Du mu"st sehen, was die drei vorhaben<<, ging %S.56 hin und fragte, warum sie aufeinander losschl"ugen. Da %S.56 sagte der eine, er h"atte einen Stock gefunden, wenn er %S.56 damit wider eine T"ur schl"uge, so spr"ange sie auf; der %S.56 andere sagte, er h"atte einen Mantel gefunden, wenn er %S.56 den umhinge, so w"ar er unsichtbar; der dritte aber %S.56 sprach, er h"atte ein Pferd gefangen, damit k"onnte man %S.56 "uberall hinreiten, [auch] auf den gl"asernen Berg hinauf. %S.56 Nun w"u"sten sie nicht, ob sie das in Gemeinschaft behalten %S.56 oder ob sie sich trennen sollten. Da sprach der Mann: %S.56 >>Die drei Sachen will ich euch eintauschen; Geld habe %S.56 ich zwar nicht, aber andere Dinge, die mehr wert sind! %S.56 Doch mu"s ich vorher eine Probe machen, damit ich sehe, %S.56 ob ihr auch die Wahrheit gesagt habt.<< Da lie"sen sie ihn %S.56 aufs Pferd sitzen, hingen ihm den Mantel um und gaben %S.56 ihm den Stock in die Hand, und wie er das alles hatte, %S.56 konnten sie ihn nicht mehr sehen. Da gab er ihnen %S.56 t"uchtige Schl"age und rief: >>Nun, ihr B"arenh"auter, da %S.56 habt ihr, was euch geb"uhrt: seid ihr zufrieden?<< Dann %S.56 ritt er den Glasberg hinauf, und als er oben vor das %S.56 Schlo"s kam, war es verschlossen; da schlug er mit dem %S.56 Stock an das Tor, und alsbald sprang es auf. Er trat ein %S.56 und ging die Treppe hinauf bis oben in den Saal, da sa"s %S.56 die Jungfrau und hatte einen goldenen Kelch mit Wein %S.56 vor sich. Sie konnte ihn aber nicht sehen, weil er den %S.56 Mantel um hatte. Und als er vor sie kam, zog er den %S.56 Ring, den sie ihm gegeben hatte, vom Finger und warf %S.56 ihn in den Kelch, da"s es klang. Da rief sie: >>Das ist mein %S.56 Ring, so mu"s auch der Mann da sein, der mich erl"osen %S.56 wird.<< Sie suchten im ganzen Schlo"s und fanden ihn %S.56 nicht, er war aber hinausgegangen, hatte sich aufs Pferd %S.56 gesetzt und den Mantel abgeworfen. Wie sie nun vor das %S.56 Tor kamen, sahen sie ihn und schrien vor Freude. Da %S.56 stieg er ab und nahm die K"onigstochter in den Arm; sie %S.56 aber k"u"ste ihn und sagte: >>Jetzt hast du mich erl"ost, und %S.57 morgen wollen wir unsere Hochzeit feiern.<< %S.57