% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1991", % volume = "2", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3192 [6]", % isbn = "3-15-003192-3", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1991" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von A. Katsumoto, am 26. M"arz 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 31. M"arz 2001 % % ck version (input e.g. Dru"cker instead of Drucker) % \maerchentitel{KHM 87: Der Arme und der Reiche} \markright{KHM 87: Der Arme und der Reiche} Vor alten Zeiten, als der liebe Gott noch selber auf Erden %S.13 unter den Menschen wandelte, trug es sich zu, da"s er %S.13 eines Abends m"ude war und ihn die Nacht "uberfiel, %S.13 bevor er zu einer Herberge kommen konnte. Nun standen %S.13 auf dem Weg vor ihm zwei H"auser einander gegen"uber, %S.13 das eine gro"s und sch"on, das andere klein und %S.13 "armlich anzusehen, und geh"orte das gro"se einem Reichen, %S.13 das kleine einem armen Manne. Da dachte unser %S.13 Herrgott: >>Dem Reichen werde ich nicht beschwerlich %S.13 fallen: bei ihm will ich "ubernachten.<< Der Reiche, als er %S.13 an seine T"ure klopfen h"orte, machte das Fenster auf und %S.13 fragte den Fremdling, was er suche. Der Herr antwortete: %S.13 >>Ich bitte um ein Nachtlager.<< Der Reiche guckte %S.13 den Wandersmann von Haupt bis zu den F"u"sen an, und %S.13 weil der liebe Gott schlichte Kleider trug und nicht %S.13 aussah wie einer, der viel Geld in der Tasche hat, sch"uttelte %S.13 er mit dem Kopf und sprach: >>Ich kann Euch nicht %S.13 aufnehmen, meine Kammern liegen voll Kr"auter und %S.13 Samen, und sollte ich einen jeden beherbergen, der an %S.13 meine T"ure klopft, so k"onnte ich selber den Bettelstab in %S.13 die Hand nehmen. Sucht Euch anderswo ein Auskommen.<< %S.13 Schlug damit sein Fenster zu und lie"s den lieben %S.13 Gott stehen. Also kehrte ihm der liebe Gott den R"u"cken %S.13 und ging hin"uber zu dem kleinen Haus. Kaum hatte er %S.13 angeklopft, so klinkte der Arme schon sein T"urchen auf %S.13 und bat den Wandersmann einzutreten. >>Bleibt die %S.13 Nacht "uber bei mir<<, sagte er, >>es ist schon finster, und %S.13 heute k"onnt Ihr doch nicht weiterkommen.<< Das gefiel %S.13 dem lieben Gott, und er trat zu ihm ein. Die Frau des %S.13 Armen reichte ihm die Hand, hie"s ihn willkommen und %S.13 sagte, er m"ochte sich's bequem machen und vorliebnehmen, %S.13 sie h"atten nicht viel, aber was es w"are, g"aben sie %S.13 von Herzen gerne. Dann setzte sie Kartoffeln ans Feuer, %S.14 und derweil sie kochten, melkte sie ihre Ziege, damit sie %S.14 ein wenig Milch dazu h"atten. Und als der Tisch gedeckt %S.14 war, setzte sich der liebe Gott nieder und a"s mit ihnen, %S.14 und schmeckte ihm die schlechte Kost gut, denn es %S.14 waren vergn"ugte Gesichter dabei. Nachdem sie gegessen %S.14 hatten und Schlafenszeit war, rief die Frau heimlich ihren %S.14 Mann und sprach: >>H"or, lieber Mann, wir wollen uns %S.14 heute nacht eine Streu machen, damit der arme Wanderer %S.14 sich in unser Bett legen und ausruhen kann: er ist den %S.14 ganzen Tag "uber gegangen, da wird einer m"ude.<< >>Von %S.14 Herzen gern<<, antwortete er, >>ich will's ihm anbieten<<, %S.14 ging zu dem lieben Gott und bat ihn, wenn's ihm recht %S.14 w"are, m"ocht er sich in ihr Bett legen und seine Glieder %S.14 ordentlich ausruhen. Der liebe Gott wollte den beiden %S.14 Alten ihr Lager nicht nehmen, aber sie lie"sen nicht ab, %S.14 bis er es endlich tat und sich in ihr Bett legte; sich selbst %S.14 aber machten sie eine Streu auf die Erde. Am andern %S.14 Morgen standen sie vor Tag schon auf und kochten dem %S.14 Gast ein Fr"uhst"uck, so gut sie es hatten. Als nun die %S.14 Sonne durchs Fensterlein schien und der liebe Gott %S.14 aufgestanden war, a"s er wieder mit ihnen und wollte %S.14 dann seines Weges ziehen. Als er in der T"ure stand, %S.14 kehrte er sich um und sprach: >>Weil ihr so mitleidig und %S.14 fromm seid, so w"unscht euch dreierlei, das will ich euch %S.14 erf"ullen.<< Da sagte der Arme: >>Was soll ich mir sonst %S.14 w"unschen als die ewige Seligkeit, und da"s wir zwei, %S.14 solang wir leben, gesund dabei bleiben und unser notd"urftiges %S.14 t"agliches Brot haben; f"urs dritte wei"s ich %S.14 mir nichts zu w"unschen.<< Der liebe Gott sprach: %S.14 >>Willst du dir nicht ein neues Haus f"ur das alte w"unschen?<< %S.14 >>O ja<<, sagte der Mann, >>wenn ich das auch %S.14 noch erhalten kann, so w"ar mir's wohl lieb.<< Da erf"ullte %S.14 der Herr ihre W"unsche, verwandelte ihr altes Haus in ein %S.14 neues, gab ihnen nochmals seinen Segen und zog %S.14 weiter. %S.14 Es war schon voller Tag, als der Reiche aufstand. Er legte %S.15 sich ins Fenster und sah gegen"uber ein neues, reinliches %S.15 Haus mit roten Ziegeln, wo sonst eine alte H"utte gestanden %S.15 hatte. Da machte er gro"se Augen, rief seine Frau %S.15 herbei und sprach: >>Sag mir, was ist geschehen? Gestern %S.15 abend stand noch die alte, elende H"utte, und heute steht %S.15 da ein sch"ones neues Haus. Lauf hin"uber und h"ore, wie %S.15 das gekommen ist.<< Die Frau ging und fragte den Armen %S.15 aus; er erz"ahlte ihr: >>Gestern abend kam ein Wanderer, %S.15 der suchte Nachtherberge, und heute morgen beim %S.15 Abschied hat er uns drei W"unsche gew"ahrt, die ewige %S.15 Seligkeit, Gesundheit in diesem Leben und das notd"urftige %S.15 t"agliche Brot dazu und zuletzt noch statt unserer %S.15 alten H"utte ein sch"ones neues Haus.<< Die Frau des %S.15 Reichen lief eilig zur"uck und erz"ahlte ihrem Manne, wie %S.15 alles gekommen war. Der Mann sprach: >>Ich m"ochte %S.15 mich zerrei"sen und zerschlagen: h"att ich das nur gewu"st! %S.15 Der Fremde ist zuvor hier gewesen und hat bei uns %S.15 "ubernachten wollen, ich habe ihn aber abgewiesen.<< >>Eil %S.15 dich<<, sprach die Frau, >>und setze dich auf dein Pferd, so %S.15 kannst du den Mann noch einholen, und dann mu"st du %S.15 dir auch drei W"unsche gew"ahren lassen.<< %S.15 Der Reiche befolgte den guten Rat, jagte mit seinem %S.15 Pferd davon und holte den lieben Gott noch ein. Er %S.15 redete fein und lieblich und bat, er m"ocht's nicht "ubelnehmen, %S.15 da"s er nicht gleich w"are eingelassen worden, er %S.15 h"atte den Schl"ussel zur Haust"ure gesucht, derweil w"are %S.15 er weggegangen; wenn er des Weges zur"uckk"ame, m"u"ste %S.15 er bei ihm einkehren. >>Ja<<, sprach der liebe Gott, >>wenn %S.15 ich einmal zur"uckkomme, will ich es tun.<< Da fragte der %S.15 Reiche, ob er nicht auch drei W"unsche tun d"urfte wie %S.15 sein Nachbar. Ja, sagte der liebe Gott, das d"urfte er %S.15 wohl, es w"are aber nicht gut f"ur ihn, und er sollte sich %S.15 lieber nichts w"unschen. Der Reiche meinte, er wollte %S.15 sich schon etwas aussuchen, das zu seinem Gl"uck gereiche, %S.15 wenn er nur w"u"ste, da"s es erf"ullt w"urde. Sprach der %S.15 liebe Gott: >>Reit heim, und drei W"unsche, die du tust, %S.16 die sollen in Erf"ullung gehen.<< %S.16 Nun hatte der Reiche, was er verlangte, ritt heimw"arts %S.16 und fing an nachzusinnen, was er sich w"unschen sollte. %S.16 Wie er sich so bedachte und die Z"ugel fallen lie"s, fing das %S.16 Pferd an zu springen, so da"s er immerfort in seinen %S.16 Gedanken gest"ort wurde und sie gar nicht zusammenbringen %S.16 konnte. Er klopfte ihm an den Hals und sagte: %S.16 >>Sei ruhig, Liese<<, aber das Pferd machte aufs neue %S.16 M"annerchen. Da ward er zuletzt "argerlich und rief ganz %S.16 ungeduldig: >>So wollt ich, da"s du den Hals zerbr"achst!<< %S.16 Wie er das Wort ausgesprochen hatte, plump, fiel er auf %S.16 die Erde und lag das Pferd tot und regte sich nicht mehr; %S.16 damit war der erste Wunsch erf"ullt. Weil er aber von %S.16 Natur geizig war, wollte er das Sattelzeug nicht im Stich %S.16 lassen, schnitt's ab, hing's auf seinen R"u"cken und mu"ste %S.16 nun zu Fu"s gehen. >>Du hast noch zwei W"unsche "ubrig<<, %S.16 dachte er und tr"ostete sich damit. Wie er nun langsam %S.16 durch den Sand dahinging und zu Mittag die Sonne hei"s %S.16 brannte, ward's ihm so warm und verdrie"slich zumut: %S.16 der Sattel dr"uckte ihn auf den R"u"cken, auch war ihm %S.16 noch immer nicht eingefallen, was er sich w"unschen %S.16 sollte. >>Wenn ich mir auch alle Reiche und Sch"atze der %S.16 Welt w"unsche<<, sprach er zu sich selbst, >>so f"allt mir %S.16 hernach noch allerlei ein, dieses und jenes, das wei"s ich %S.16 im voraus: ich will's aber so einrichten, da"s mir gar %S.16 nichts mehr "ubrig zu w"unschen bleibt.<< Dann seufzte er %S.16 und sprach: >>Ja, wenn ich der bayrische Bauer w"are, der %S.16 auch drei W"unsche frei hatte, der wu"ste sich zu helfen, %S.16 der w"unschte sich zuerst recht viel Bier und zweitens so %S.16 viel Bier, als er trinken k"onnte, und drittens noch ein Fa"s %S.16 Bier dazu.<< Manchmal meinte er, jetzt h"atte er es gefunden, %S.16 aber hernach schien's ihm doch zu wenig. Da kam %S.16 ihm so in die Gedanken, was es seine Frau jetzt gut h"atte, %S.16 die s"a"se daheim in einer k"uhlen Stube und lie"se sich's %S.16 wohl schme"cken. Das "argerte ihn ordentlich, und ohne %S.16 da"s er's wu"ste, sprach er so hin: >>Ich wollte, die s"a"se %S.17 daheim auf dem Sattel und k"onnte nicht herunter, statt %S.17 da"s ich ihn da auf meinem R"u"cken schleppe.<< Und wie %S.17 das letzte Wort aus seinem Munde kam, so war der Sattel %S.17 von seinem R"u"cken verschwunden, und er merkte, da"s %S.17 sein zweiter Wunsch auch in Erf"ullung gegangen war. Da %S.17 ward ihm erst recht hei"s, er fing an zu laufen und wollte %S.17 sich daheim ganz einsam in seine Kammer hinsetzen und %S.17 auf etwas Gro"ses f"ur den letzten Wunsch sinnen. Wie er %S.17 aber ankommt und die Stubent"ur aufmacht, sitzt da seine %S.17 Frau mittendrin auf dem Sattel und kann nicht herunter, %S.17 jammert und schreit. Da sprach er: >>Gib dich zufrieden, %S.17 ich will dir alle Reicht"umer der Welt herbeiw"unschen, %S.17 nur bleib da sitzen.<< Sie schalt ihn aber einen Schafskopf %S.17 und sprach: >>Was helfen mir alle Reicht"umer der Welt, %S.17 wenn ich auf dem Sattel sitze; du hast mich daraufgew"unscht, %S.17 du mu"st mir auch wieder herunterhelfen.<< Er %S.17 mochte wollen oder nicht, er mu"ste den dritten Wunsch %S.17 tun, da"s sie vom Sattel ledig w"are und heruntersteigen %S.17 k"onnte; und der Wunsch ward alsbald erf"ullt. Also hatte %S.17 er nichts davon als "Arger, M"uhe, Scheltworte und ein %S.17 verlorenes Pferd; die Armen aber lebten vergn"ugt, still %S.17 und fromm bis an ihr seliges Ende. %S.17