% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1995", % volume = "1", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3191", % isbn = "3-15-003191-5", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1995" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von A. Katsumoto, am 16. M"arz 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 31. M"arz 2001 % \maerchentitel{KHM 83: Hans im Gl"uck} \markright{KHM 83: Hans im Gl"uck} Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient, da %S.407 sprach er zu ihm: >>Herr, meine Zeit ist herum, nun %S.407 wollte ich gerne wieder heim zu meiner Mutter, gebt mir %S.407 meinen Lohn.<< Der Herr antwortete: >>Du hast mir treu %S.407 und ehrlich gedient, wie der Dienst war, so soll der Lohn %S.407 sein<<, und gab ihm ein St"uck Gold, das so gro"s als %S.407 Hansens Kopf war. Hans zog sein T"uchlein aus der %S.407 Tasche, wickelte den Klumpen hinein, setzte ihn auf die %S.407 Schulter und machte sich auf den Weg nach Haus. Wie er %S.407 so dahinging und immer ein Bein vor das andere setzte, %S.407 kam ihm ein Reiter in die Augen, der frisch und fr"ohlich %S.407 auf einem muntern Pferd vorbeitrabte. >>Ach<<, sprach %S.407 Hans ganz laut, >>was ist das Reiten ein sch"ones Ding! Da %S.407 sitzt einer wie auf einem Stuhl, st"o"st sich an keinen Stein, %S.407 spart die Schuh und kommt fort, er wei"s nicht wie.<< Der %S.407 Reiter, der das geh"ort hatte, hielt an und rief: >>Ei, Hans, %S.407 warum laufst du auch zu Fu"s?<< >>Ich mu"s ja wohl<<, %S.407 antwortete er, >>da habe ich einen Klumpen heimzutragen: %S.407 es ist zwar Gold, aber ich kann den Kopf dabei nicht %S.408 geradhalten, auch dr"uckt mir's auf die Schulter.<< >>Wei"st %S.408 du was<<, sagte der Reiter, >>wir wollen tauschen: ich gebe %S.408 dir mein Pferd, und du gibst mir deinen Klumpen.<< %S.408 >>Von Herzen gern<<, sprach Hans, >>aber ich sage Euch, %S.408 Ihr m"u"st Euch damit schleppen.<< Der Reiter stieg ab, %S.408 nahm das Gold und half dem Hans hinauf, gab ihm die %S.408 Z"ugel fest in die H"ande und sprach: >>Wenn's nun recht %S.408 geschwind soll gehen, so mu"st du mit der Zunge schnalzen %S.408 und hopp, hopp rufen.<< %S.408 Hans war seelenfroh, als er auf dem Pferde sa"s und so %S.408 frank und frei dahinritt. "Uber ein Weilchen fiel's ihm ein, %S.408 es sollte noch schneller gehen, und fing an, mit der %S.408 Zunge zu schnalzen und hopp, hopp zu rufen. Das Pferd %S.408 setzte sich in starken Trab, und ehe sich's Hans versah, %S.408 war er abgeworfen und lag in einem Graben, der die %S.408 "Acker von der Landstra"se trennte. Das Pferd w"are auch %S.408 durchgegangen, wenn es nicht ein Bauer aufgehalten %S.408 h"atte, der des Weges kam und eine Kuh vor sich hertrieb. %S.408 Hans suchte seine Glieder zusammen und machte sich %S.408 wieder auf die Beine. Er war aber verdrie"slich und %S.408 sprach zu dem Bauer: >>Es ist ein schlechter Spa"s, das %S.408 Reiten, zumal wenn man auf so eine M"ahre ger"at wie %S.408 diese, die st"o"st und einen herabwirft, da"s man den Hals %S.408 brechen kann; ich setze mich nun und nimmermehr %S.408 wieder auf. Da lob ich mir Eure Kuh, da kann einer mit %S.408 Gem"achlichkeit hinterhergehen und hat obendrein seine %S.408 Milch, Butter und K"ase jeden Tag gewi"s. Was g"ab ich %S.408 darum, wenn ich so eine Kuh h"atte!<< >>Nun<<, sprach der %S.408 Bauer, >>geschieht Euch so ein gro"ser Gefallen, so will %S.408 ich Euch wohl die Kuh f"ur das Pferd vertauschen.<< Hans %S.408 willigte mit tausend Freuden ein; der Bauer schwang sich %S.408 aufs Pferd und ritt eilig davon. %S.408 Hans trieb seine Kuh ruhig vor sich her und bedachte %S.408 den gl"ucklichen Handel. >>Hab ich nur ein St"uck Brot, %S.408 und daran wird mir's doch nicht fehlen, so kann ich, %S.408 sooft mir's beliebt, Butter und K"ase dazu essen; hab ich %S.409 Durst, so melk ich meine Kuh und trinke Milch. Herz, %S.409 was verlangst du mehr?<< Als er zu einem Wirtshaus kam, %S.409 machte er halt, a"s in der gro"sen Freude alles, was er bei %S.409 sich hatte, sein Mittags- und Abendbrot, rein auf und %S.409 lie"s sich f"ur seine letzten paar Heller ein halbes Glas Bier %S.409 einschenken. Dann trieb er seine Kuh weiter, immer %S.409 nach dem Dorfe seiner Mutter zu. Die Hitze ward %S.409 dr"uckender, je n"aher der Mittag kam, und Hans befand %S.409 sich in einer Heide, die wohl noch eine Stunde dauerte. %S.409 Da ward es ihm ganz hei"s, so da"s ihm vor Durst die %S.409 Zunge am Gaumen klebte. >>Dem Ding ist zu helfen<<, %S.409 dachte Hans, >>jetzt will ich meine Kuh melken und mich %S.409 an der Milch laben.<< Er band sie an einen d"urren Baum, %S.409 und da er keinen Eimer hatte, so stellte er seine Lederm"utze %S.409 unter, aber wie er sich auch bem"uhte, es kam kein %S.409 Tropfen Milch zum Vorschein. Und weil er sich ungeschickt %S.409 dabei anstellte, so gab ihm das ungeduldige Tier %S.409 endlich mit einem der Hinterf"u"se einen solchen Schlag %S.409 vor den Kopf, da"s er zu Boden taumelte und eine %S.409 Zeitlang sich gar nicht besinnen konnte, wo er war. %S.409 Gl"ucklicherweise kam gerade ein Metzger des Weges, %S.409 der auf einem Schubkarren ein junges Schwein liegen %S.409 hatte. >>Was sind das f"ur Streiche!<< rief er und half dem %S.409 guten Hans auf. Hans erz"ahlte, was vorgefallen war. Der %S.409 Metzger reichte ihm seine Flasche und sprach: >>Da trinkt %S.409 einmal und erholt Euch. Die Kuh will wohl keine Milch %S.409 geben, das ist ein altes Tier, das h"ochstens noch zum %S.409 Ziehen taugt oder zum Schlachten.<< >>Ei, ei<<, sprach %S.409 Hans und strich sich die Haare "uber den Kopf, >>wer %S.409 h"atte das gedacht! Es ist freilich gut, wenn man so ein %S.409 Tier ins Haus abschlachten kann, was gibt's f"ur Fleisch! %S.409 Aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch nicht viel, es ist %S.409 mir nicht saftig genug. Ja, wer so ein junges Schwein %S.409 h"atte! Das schmeckt anders, dabei noch die W"urste.<< %S.409 >>H"ort, Hans<<, sprach da der Metzger, >>Euch zuliebe %S.409 will ich tauschen und will Euch das Schwein f"ur die Kuh %S.410 lassen.<< >>Gott lohn Euch Eure Freundschaft<<, sprach %S.410 Hans, "ubergab ihm die Kuh, lie"s sich das Schweinchen %S.410 vom Karren losmachen und den Strick, woran es gebunden %S.410 war, in die Hand geben. %S.410 Hans zog weiter und "uberdachte, wie ihm doch alles %S.410 nach Wunsch ginge, begegnete ihm je eine Verdrie"slichkeit, %S.410 so w"urde sie doch gleich wiedergutgemacht. Es %S.410 gesellte sich danach ein Bursch zu ihm, der trug eine %S.410 sch"one wei"se Gans unter dem Arm. Sie boten einander %S.410 die Zeit, und Hans fing an, von seinem Gl"uck zu erz"ahlen %S.410 und wie er immer so vorteilhaft getauscht h"atte. Der %S.410 Bursch erz"ahlte ihm, da"s er die Gans zu einem Kindtaufschmaus %S.410 br"achte. >>Hebt einmal<<, fuhr er fort und packte %S.410 sie bei den Fl"ugeln, >>wie schwer sie ist, die ist aber auch %S.410 acht Wochen lang genudelt worden. Wer in den Braten %S.410 bei"st, mu"s sich das Fett von beiden Seiten abwischen.<< %S.410 >>Ja<<, sprach Hans und wog sie mit der einen Hand, >>die %S.410 hat ihr Gewicht, aber mein Schwein ist auch keine Sau.<< %S.410 Indessen sah sich der Bursch nach allen Seiten ganz %S.410 bedenklich um, sch"uttelte auch wohl mit dem Kopf. %S.410 >>H"ort<<, fing er darauf an, >>mit Eurem Schweine mag's %S.410 nicht ganz richtig sein. In dem Dorfe, durch das ich %S.410 gekommen bin, ist eben dem Schulzen eins aus dem Stall %S.410 gestohlen worden. Ich f"urchte, ich f"urchte, Ihr habt's da %S.410 in der Hand. Sie haben Leute ausgeschickt, und es w"are %S.410 ein schlimmer Handel, wenn sie Euch mit dem Schwein %S.410 erwischten: das geringste ist, da"s Ihr ins finstere Loch %S.410 gesteckt werdet.<< Dem guten Hans ward bang: >>Ach %S.410 Gott<<, sprach er, >>helft mir aus der Not, Ihr wi"st hier %S.410 herum bessern Bescheid, nehmt mein Schwein da und %S.410 la"st mir Eure Gans.<< >>Ich mu"s schon etwas aufs Spiel %S.410 setzen<<, antwortete der Bursche, >>aber ich will doch %S.410 nicht schuld sein, da"s Ihr ins Ungl"uck geratet.<< Er nahm %S.410 also das Seil in die Hand und trieb das Schwein schnell %S.410 auf einen Seitenweg fort; der gute Hans aber ging, seiner %S.410 Sorgen entledigt, mit der Gans unter dem Arme der %S.411 Heimat zu. >>Wenn ich's recht "uberlege<<, sprach er mit %S.411 sich selbst, >>habe ich noch Vorteil bei dem Tausch: %S.411 erstlich den guten Braten, hernach die Menge von Fett, %S.411 die heraustr"aufeln wird, das gibt G"ansefettbrot auf ein %S.411 Vierteljahr; und endlich die sch"onen wei"sen Federn, die %S.411 la"s ich mir in mein Kopfkissen stopfen, und darauf will %S.411 ich wohl ungewiegt einschlafen. Was wird meine Mutter %S.411 eine Freude haben!<< %S.411 Als er durch das letzte Dorf gekommen war, stand da ein %S.411 Scherenschleifer mit seinem Karren, sein Rad schnurrte, %S.411 und er sang dazu: %S.411 \begin{verse} >>Ich schleife die Schere und drehe geschwind \\ %S.411 und h"ange mein M"antelchen nach dem Wind.<< %S.411 \end{verse} Hans blieb stehen und sah ihm zu; endlich redete er ihn %S.411 an und sprach: >>Euch geht's wohl, weil Ihr so lustig bei %S.411 Eurem Schleifen seid.<< >>Ja<<, antwortete der Scherenschleifer, %S.411 >>das Handwerk hat einen g"uldenen Boden. Ein %S.411 rechter Schleifer ist ein Mann, der, sooft er in die Tasche %S.411 greift, auch Geld darin findet. Aber wo habt Ihr die %S.411 sch"one Gans gekauft?<< >>Die hab ich nicht gekauft, sondern %S.411 f"ur mein Schwein eingetauscht.<< >>Und das %S.411 Schwein?<< >>Das hab ich f"ur eine Kuh gekriegt.<< >>Und %S.411 die Kuh?<< >>Die hab ich f"ur ein Pferd bekommen.<< >>Und %S.411 das Pferd?<< >>Daf"ur hab ich einen Klumpen Gold, so %S.411 gro"s als mein Kopf, gegeben.<< >>Und das Gold?<< >>Ei, das %S.411 war mein Lohn f"ur sieben Jahre Dienst.<< >>Ihr habt Euch %S.411 jederzeit zu helfen gewu"st<<, sprach der Schleifer, >>k"onnt %S.411 Ihr's nun dahin bringen, da"s Ihr das Geld in der Tasche %S.411 springen h"ort, wenn Ihr aufsteht, so habt Ihr Euer Gl"uck %S.411 gemacht.<< >>Wie soll ich das anfangen?<< sprach Hans. %S.411 >>Ihr m"u"st ein Schleifer werden wie ich; dazu geh"ort %S.411 eigentlich nichts als ein Wetzstein, das andere findet sich %S.411 schon von selbst. Da hab ich einen, der ist zwar ein %S.411 wenig schadhaft, daf"ur sollt Ihr mir aber auch weiter %S.411 nichts als Eure Gans geben; wollt Ihr das?<< >>Wie k"onnt %S.411 Ihr noch fragen<<, antwortete Hans, >>ich werde ja zum %S.412 gl"ucklichsten Menschen auf Erden; habe ich Geld, sooft %S.412 ich in die Tasche greife, was brauche ich da l"anger zu %S.412 sorgen?<< Reichte ihm die Gans hin und nahm den Wetzstein %S.412 in Empfang. >>Nun<<, sprach der Schleifer und hob %S.412 einen gew"ohnlichen schweren Feldstein, der neben ihm %S.412 lag, auf, >>da habt Ihr noch einen t"uchtigen Stein dazu, %S.412 auf dem sich's gut schlagen l"a"st und Ihr Eure alten N"agel %S.412 geradeklopfen k"onnt. Nehmt hin und hebt ihn ordentlich %S.412 auf.<< %S.412 Hans lud den Stein auf und ging mit vergn"ugtem Herzen %S.412 weiter; seine Augen leuchteten vor Freude: >>Ich mu"s in %S.412 einer Gl"uckshaut geboren sein<<, rief er aus, >>alles, was %S.412 ich w"unsche, trifft mir ein wie einem Sonntagskind.<< %S.412 Indessen, weil er seit Tagesanbruch auf den Beinen gewesen %S.412 war, begann er m"ude zu werden; auch plagte ihn der %S.412 Hunger, da er allen Vorrat auf einmal in der Freude "uber %S.412 die erhandelte Kuh aufgezehrt hatte. Er konnte endlich %S.412 nur mit M"uhe weitergehen und mu"ste jeden Augenblick %S.412 haltmachen; dabei dr"uckten ihn die Steine ganz erb"armlich. %S.412 Da konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, %S.412 wie gut es w"are, wenn er sie gerade jetzt nicht zu tragen %S.412 brauchte. Wie eine Schnecke kam er zu einem Feldbrunnen %S.412 geschlichen, wollte da ruhen und sich mit einem %S.412 frischen Trunk laben; damit er aber die Steine im Niedersitzen %S.412 nicht besch"adigte, legte er sie bed"achtig neben sich %S.412 auf den Rand des Brunnens. Darauf setzte er sich nieder %S.412 und wollte sich zum Trinken b"ucken, da versah er's, %S.412 stie"s ein klein wenig an, und beide Steine plumpten %S.412 hinab. Hans, als er sie mit seinen Augen in die Tiefe hatte %S.412 versinken sehen, sprang vor Freuden auf, kniete dann %S.412 nieder und dankte Gott mit Tr"anen in den Augen, da"s er %S.412 ihm auch diese Gnade noch erwiesen und ihn auf eine so %S.412 gute Art, und ohne da"s er sich einen Vorwurf zu machen %S.412 brauchte, von den schweren Steinen befreit h"atte, die %S.412 ihm allein noch hinderlich gewesen w"aren. >>So gl"ucklich %S.412 wie ich<<, rief er aus, >>gibt es keinen Menschen unter der %S.413 Sonne.<< Mit leichtem Herzen und frei von aller Last %S.413 sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter %S.413 war. %S.413