% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1995", % volume = "1", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3191", % isbn = "3-15-003191-5", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1995" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von K. Momoi, am 12. M"arz 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 29. M"arz 2001 % % ck version (input e.g. Dru"cker instead of Drucker) % \maerchentitel{KHM 76: Die Nelke} \markright{KHM 76: Die Nelke} Es war eine K"onigin, die hatte unser Herrgott verschlossen, %S.381 da"s sie keine Kinder gebar. Da ging sie alle Morgen %S.381 in den Garten und bat zu Gott im Himmel, er m"ochte ihr %S.381 einen Sohn oder eine Tochter bescheren. Da kam ein %S.381 Engel vom Himmel und sprach: >>Gib dich zufrieden, du %S.381 sollst einen Sohn haben mit w"unschlichen Gedanken, %S.381 denn was er sich w"unscht auf der Welt, das wird er %S.381 erhalten.<< Sie ging zum K"onig und sagte ihm die fr"ohliche %S.381 Botschaft, und als die Zeit herum war, gebar sie %S.381 einen Sohn, und der K"onig war in gro"ser Freude. %S.381 Nun ging sie alle Morgen mit dem Kind in den Tiergarten %S.381 und wusch sich da bei einem klaren Brunnen. Es %S.381 geschah einstmals, als das Kind schon ein wenig "alter %S.381 war, da"s es ihr auf dem Scho"s lag und sie entschlief. Da %S.381 kam der alte Koch, der wu"ste, da"s das Kind w"unschliche %S.381 Gedanken hatte, und raubte es, und nahm ein Huhn und %S.381 zerri"s es und tropfte ihr das Blut auf die Sch"urze und das %S.381 Kleid. Da trug er das Kind fort an einen verborgenen %S.381 Ort, wo es eine Amme tr"anken mu"ste, und lief zum %S.381 K"onig und klagte die K"onigin an, sie habe ihr Kind von %S.381 den wilden Tieren rauben lassen. Und als der K"onig das %S.381 Blut an der Sch"urze sah, glaubte er es und geriet in einen %S.381 solchen Zorn, da"s er einen tiefen Turm bauen lie"s, in %S.381 den weder Sonne noch Mond schien, und lie"s seine %S.381 Gemahlin hineinsetzen und vermauern; da sollte sie sieben %S.381 Jahre sitzen, ohne Essen und Trinken, und sollte %S.381 verschmachten. Aber Gott schickte zwei Engel vom %S.382 Himmel in Gestalt von wei"sen Tauben, die mu"sten %S.382 t"aglich zweimal zu ihr fliegen und ihr das Essen bringen, %S.382 bis die sieben Jahre herum waren. %S.382 Der Koch aber dachte bei sich: >>Hat das Kind w"unschliche %S.382 Gedanken und ich bin hier, so k"onnte es mich leicht %S.382 ins Ungl"uck bringen.<< Da machte er sich vom Schlo"s %S.382 weg und ging zu dem Knaben, der war schon so gro"s, %S.382 da"s er sprechen konnte, und sagte zu ihm: >>W"unsche dir %S.382 ein sch"ones Schlo"s mit einem Garten und was dazugeh"ort.<< %S.382 Und kaum waren die Worte aus dem Munde des %S.382 Knaben, so stand alles da, was er gew"unscht hatte. "Uber %S.382 eine Zeit sprach der Koch zu ihm: >>Es ist nicht gut, da"s %S.382 du so allein bist, w"unsche dir eine sch"one Jungfrau zur %S.382 Gesellschaft.<< Da w"unschte sie der K"onigssohn herbei, %S.382 und sie stand gleich vor ihm und war so sch"on, wie sie %S.382 kein Maler malen konnte. Nun spielten die beide zusammen %S.382 und hatten sich von Herzen lieb, und der alte Koch %S.382 ging auf die Jagd wie ein vornehmer Mann. Es kam ihm %S.382 aber der Gedanke, der K"onigssohn k"onnte einmal w"unschen, %S.382 bei seinem Vater zu sein, und ihn damit in gro"se %S.382 Not bringen. Da ging er hinaus, nahm das M"adchen %S.382 beiseit und sprach: >>Diese Nacht, wenn der Knabe %S.382 schl"aft, so geh an sein Bett und sto"s ihm das Messer ins %S.382 Herz und bring mir Herz und Zunge von ihm; und wenn %S.382 du das nicht tust, so sollst du dein Leben verlieren.<< %S.382 Darauf ging er fort, und als er am andern Tag wiederkam, %S.382 so hatte sie es nicht getan und sprach: >>Was soll ich %S.382 ein unschuldiges Blut ums Leben bringen, das noch %S.382 niemand beleidigt hat?<< Sprach der Koch wieder: >>Wo %S.382 du es nicht tust, so kostet dich's selbst dein Leben.<< Als %S.382 er weggegangen war, lie"s sie sich eine kleine Hirschkuh %S.382 herbeiholen und lie"s sie schlachten und nahm Herz und %S.382 Zunge und legte sie auf einen Teller, und als sie den Alten %S.382 kommen sah, sprach sie zu dem Knaben: >>Leg dich ins %S.382 Bett und zieh die De"cke "uber dich.<< %S.382 Da trat der B"osewicht herein und sprach: >>Wo ist Herz %S.383 und Zunge von dem Knaben?<< Das M"adchen reichte ihm %S.383 den Teller, aber der K"onigssohn warf die De"cke ab und %S.383 sprach: >>Du alter S"under, warum hast du mich t"oten %S.383 wollen? Nun will ich dir dein Urteil sprechen. Du sollst %S.383 ein schwarzer Pudelhund werden und eine goldene Kette %S.383 um den Hals haben, und sollst gl"uhende Kohlen fressen, %S.383 da"s dir die Lohe zum Hals herausschl"agt.<< Und wie er %S.383 die Worte ausgesprochen hatte, so war der Alte in einen %S.383 Pudelhund verwandelt und hatte eine goldene Kette um %S.383 den Hals, und die K"oche mu"sten lebendige Kohlen %S.383 heraufbringen, die fra"s er, da"s ihm die Lohe aus dem %S.383 Hals herausschlug. Nun blieb der K"onigssohn noch eine %S.383 kleine Zeit da und dachte an seine Mutter und ob sie %S.383 noch am Leben w"are. Endlich sprach er zu dem M"adchen: %S.383 >>Ich will heim in mein Vaterland, willst du mit mir %S.383 gehen, so will ich dich ern"ahren.<< >>Ach<<, antwortete sie, %S.383 >>der Weg ist so weit, und was soll ich in einem fremden %S.383 Lande machen, wo ich unbekannt bin.<< Weil es also ihr %S.383 Wille nicht recht war und sie doch voneinander nicht %S.383 lassen wollten, w"unschte er sie zu einer sch"onen Nelke %S.383 und steckte sie bei sich. %S.383 Da zog er fort, und der Pudelhund mu"ste mitlaufen, und %S.383 zog in sein Vaterland. Nun ging er zu dem Turm, wo %S.383 seine Mutter darinsa"s, und weil der Turm so hoch war, %S.383 w"unschte er eine Leiter herbei, die bis oben hinreichte. %S.383 Da stieg er hinauf und sah hinein und rief: >>Herzliebste %S.383 Mutter, Frau K"onigin, seid Ihr noch am Leben, oder seid %S.383 Ihr tot?<< Sie antwortete: >>Ich habe ja eben gegessen und %S.383 bin noch satt<<, und meinte, die Engel w"aren da. Sprach %S.383 er: >>Ich bin Euer lieber Sohn, den die wilden Tiere Euch %S.383 sollen vom Scho"s geraubt haben; aber ich bin noch am %S.383 Leben und will Euch bald erretten.<< Nun stieg er herab %S.383 und ging zu seinem Herr Vater und lie"s sich anmelden %S.383 als ein fremder J"ager, ob er k"onnte Dienste bei ihm %S.383 haben. Antwortete der K"onig, ja, wenn er gelernt w"are %S.383 und ihm Wildbret schaffen k"onnte, sollte er herkommen; %S.384 es hatte sich aber auf der ganzen Grenze und Gegend %S.384 niemals Wild aufgehalten. Da versprach der J"ager, er %S.384 wollte ihm so viel Wild schaffen, als er nur auf der %S.384 k"oniglichen Tafel brauchen k"onnte. Dann hie"s er die %S.384 J"agerei zusammenkommen, sie sollten alle mit ihm hinaus %S.384 in den Wald gehen. Da gingen sie mit, und drau"sen %S.384 hie"s er sie einen gro"sen Kreis schlie"sen, der an einem %S.384 Ende offen blieb, und dann stellte er sich hinein und fing %S.384 an zu w"unschen. Alsbald kamen zweihundert und etliche %S.384 St"uck Wildbret in den Kreis gelaufen, und die J"ager %S.384 mu"sten es schie"sen. Da ward alles auf sechszig Bauerwagen %S.384 geladen und dem K"onig heimgefahren; da konnte er %S.384 einmal seine Tafel mit Wildbret zieren, nachdem er lange %S.384 Jahre keins gehabt hatte. %S.384 Nun empfand der K"onig gro"se Freude dar"uber und %S.384 bestellte, es sollte des andern Tags seine ganze Hofhaltung %S.384 bei ihm speisen, und machte ein gro"ses Gastmahl. %S.384 Wie sie alle beisammen waren, sprach er zu dem J"ager: %S.384 >>Weil du so geschickt bist, so sollst du neben mir sitzen.<< %S.384 Er antwortete: >>Herr K"onig, Ew.\,Majest"at halte zu %S.384 Gnaden, ich bin ein schlechter J"agerbursch.<< Der K"onig %S.384 aber bestand darauf und sagte: >>Du sollst dich neben %S.384 mich setzen<<, bis er es tat. Wie er da sa"s, dachte er an %S.384 seine liebste Frau Mutter und w"unschte, da"s nur einer %S.384 von des K"onigs ersten Dienern von ihr anfinge, und %S.384 fragte, wie es wohl der Frau K"onigin im Turm ginge, ob %S.384 sie wohl noch am Leben w"are oder verschmachtet. Kaum %S.384 hatte er es gew"unscht, so fing auch schon der Marschall %S.384 an und sprach: >>K"onigliche Majest"at, wir leben hier in %S.384 Freuden, wie geht es wohl der Frau K"onigin im Turm, %S.384 ob sie wohl noch am Leben oder verschmachtet ist?<< %S.384 Aber der K"onig antwortete: >>Sie hat mir meinen lieben %S.384 Sohn von den wilden Tieren zerrei"sen lassen, davon will %S.384 ich nichts h"oren.<< Da stand der J"ager auf und sprach: %S.384 >>Gn"adigster Herr Vater, sie ist noch am Leben, und ich %S.384 bin ihr Sohn, und die wilden Tiere haben ihn nicht %S.385 geraubt, sondern der B"osewicht, der alte Koch, hat es %S.385 getan, der hat mich, als sie eingeschlafen war, von ihrem %S.385 Scho"s weggenommen und ihre Sch"urze mit dem Blut %S.385 eines Huhns betropft.<< Darauf nahm er den Hund mit %S.385 dem goldenen Halsband und sprach: >>Das ist der B"osewicht<<, %S.385 und lie"s gl"uhende Kohlen bringen, die mu"ste er %S.385 Angesichts aller fressen, da"s ihm die Lohe aus dem Hals %S.385 schlug. Darauf fragte er den K"onig, ob er ihn in seiner %S.385 wahren Gestalt sehen wollte, und w"unschte ihn wieder %S.385 zum Koch, da stand er alsbald mit der wei"sen Sch"urze %S.385 und dem Messer an der Seite. Der K"onig, wie er ihn sah, %S.385 ward zornig und befahl, da"s er in den tiefsten Kerker %S.385 sollte geworfen werden. Darauf sprach der J"ager weiter: %S.385 >>Herr Vater, wollt Ihr auch das M"adchen sehen, das %S.385 mich so z"artlich aufgezogen hat und mich hernach ums %S.385 Leben bringen sollte, es aber nicht getan hat, obgleich %S.385 sein eigenes Leben auf dem Spiel stand?<< Antwortete der %S.385 K"onig: >>Ja, ich will sie gerne sehen.<< Sprach der Sohn: %S.385 >>Gn"adigster Herr Vater, ich will sie Euch zeigen in %S.385 Gestalt einer sch"onen Blume.<< Und griff in die Tasche %S.385 und holte die Nelke und stellte sie auf die k"onigliche %S.385 Tafel, und sie war so sch"on, wie der K"onig nie eine %S.385 gesehen hatte. Darauf sprach der Sohn: >>Nun will ich sie %S.385 auch in ihrer wahren Gestalt zeigen<<, und w"unschte sie %S.385 zu einer Jungfrau; da stand sie da und war so sch"on, da"s %S.385 kein Maler sie h"atte sch"oner malen k"onnen. %S.385 Der K"onig aber schickte zwei Kammerfrauen und zwei %S.385 Diener hinab in den Turm, die sollten die Frau K"onigin %S.385 holen und an die k"onigliche Tafel bringen. Als sie aber %S.385 dahin gef"uhrt ward, a"s sie nichts mehr und sagte: >>Der %S.385 gn"adige barmherzige Gott, der mich im Turm erhalten %S.385 hat, wird mich bald erl"osen.<< Da lebte sie noch drei Tage %S.385 und starb dann selig; und als sie begraben ward, da %S.385 folgten ihr die zwei wei"sen Tauben nach, die ihr das %S.385 Essen in den Turm gebracht hatten und Engel vom %S.385 Himmel waren, und setzten sich auf ihr Grab. Der alte %S.386 K"onig lie"s den Koch in vier St"u"cke zerrei"sen, aber der %S.386 Gram zehrte an seinem Herzen, und er starb bald. Der %S.386 Sohn heiratete die sch"one Jungfrau, die er als Blume in %S.386 der Tasche mitgebracht hatte, und ob sie noch leben, das %S.386 steht bei Gott. %S.386