% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1995", % volume = "1", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3191", % isbn = "3-15-003191-5", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1995" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von K. Momoi, am 12. M"arz 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 29. M"arz 2001 % \maerchentitel{KHM 71: Sechse kommen durch die ganze Welt} \markright{KHM 71: Sechse kommen durch die ganze Welt} Es war einmal ein Mann, der verstand allerlei K"unste; er %S.369 diente im Krieg und hielt sich brav und tapfer, aber als %S.369 der Krieg zu Ende war, bekam er den Abschied und drei %S.369 Heller Zehrgeld auf den Weg. >>Wart<<, sprach er, >>das %S.369 la"s ich mir nicht gefallen, finde ich die rechten Leute, so %S.369 soll mir der K"onig noch die Sch"atze des ganzen Landes %S.369 herausgeben.<< Da ging er voll Zorn in den Wald und sah %S.370 einen darin stehen, der hatte sechs B"aume ausgerupft, als %S.370 w"aren's Kornhalme. Sprach er zu ihm: >>Willst du mein %S.370 Diener sein und mit mir ziehen?<< >>Ja<<, antwortete er, %S.370 >>aber erst will ich meiner Mutter das Wellchen Holz %S.370 heimbringen<<, und nahm einen von den B"aumen und %S.370 wickelte ihn um die f"unf andern, hob die Welle auf die %S.370 Schulter und trug sie fort. Dann kam er wieder und ging %S.370 mit seinem Herrn, der sprach: >>Wir zwei sollten wohl %S.370 durch die ganze Welt kommen.<< Und als sie ein Weilchen %S.370 gegangen waren, fanden sie einen J"ager, der lag auf %S.370 den Knien, hatte die B"uchse angelegt und zielte. Sprach %S.370 der Herr zu ihm: >>J"ager, was willst du schie"sen?<< Er %S.370 antwortete: >>Zwei Meilen von hier sitzt eine Fliege auf %S.370 dem Ast eines Eichbaums, der will ich das linke Auge %S.370 herausschie"sen.<< >>O geh mit mir<<, sprach der Mann, %S.370 >>wenn wir drei zusammen sind, sollten wir wohl durch %S.370 die ganze Welt kommen.<< Der J"ager war bereit und ging %S.370 mit ihm, und sie kamen zu sieben Windm"uhlen, deren %S.370 Fl"ugel trieben ganz hastig herum, und ging doch links %S.370 und rechts kein Wind und bewegte sich kein Bl"attchen. %S.370 Da sprach der Mann: >>Ich wei"s nicht, was die Windm"uhlen %S.370 treibt, es regt sich ja kein L"uftchen<<, und ging %S.370 mit seinen Dienern weiter, und als sie zwei Meilen %S.370 fortgegangen waren, sahen sie einen auf einem Baum %S.370 sitzen, der hielt das eine Nasenloch zu und blies aus dem %S.370 andern. >>Mein, was treibst du da oben?<< fragte der %S.370 Mann. Er antwortete: >>Zwei Meilen von hier stehen %S.370 sieben Windm"uhlen, seht, die blase ich an, da"s sie laufen.<< %S.370 >>O geh mit mir<<, sprach der Mann, >>wenn wir vier %S.370 zusammen sind, sollten wir wohl durch die ganze Welt %S.370 kommen.<< Da stieg der Bl"aser herab und ging mit, und %S.370 "uber eine Zeit sahen sie einen, der stand da auf einem %S.370 Bein und hatte das andere abgeschnallt und neben sich %S.370 gelegt. Da sprach der Herr: >>Du hast dir's ja bequem %S.370 gemacht zum Ausruhen.<< >>Ich bin ein Laufer<<, antwortete %S.370 er, >>und damit ich nicht gar zu schnell springe, habe %S.371 ich mir das eine Bein abgeschnallt; wenn ich mit zwei %S.371 Beinen laufe, so geht's geschwinder, als ein Vogel fliegt.<< %S.371 >>O geh mit mir, wenn wir f"unf zusammen sind, sollten %S.371 wir wohl durch die ganze Welt kommen.<< Da ging er %S.371 mit, und gar nicht lang, so begegneten sie einem, der %S.371 hatte ein H"utchen auf, hatte es aber ganz auf dem einen %S.371 Ohr sitzen. Da sprach der Herr zu ihm: >>Manierlich, %S.371 manierlich! H"ang deinen Hut doch nicht auf ein Ohr, du %S.371 siehst ja aus wie ein Hans Narr.<< >>Ich darf's nicht tun<<, %S.371 sprach der andere, >>denn setz ich meinen Hut gerad, so %S.371 kommt ein gewaltiger Frost, und die V"ogel unter dem %S.371 Himmel erfrieren und fallen tot zur Erde.<< >>O geh mit %S.371 mir<<, sprach der Herr, >>wenn wir sechs zusammen sind, %S.371 sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen.<< %S.371 Nun gingen die sechse in eine Stadt, wo der K"onig hatte %S.371 bekanntmachen lassen, wer mit seiner Tochter in die %S.371 Wette laufen wollte und den Sieg davontr"uge, der sollte %S.371 ihr Gemahl werden; wer aber verl"ore, m"u"ste auch seinen %S.371 Kopf hergeben. Da meldete sich der Mann und sprach: %S.371 >>Ich will aber meinen Diener f"ur mich laufen lassen.<< %S.371 Der K"onig antwortete: >>Dann mu"st du auch noch dessen %S.371 Leben zum Pfand setzen, also da"s sein und dein Kopf f"ur %S.371 den Sieg haften.<< Als das verabredet und festgemacht %S.371 war, schnallte der Mann dem Laufer das andere Bein an %S.371 und sprach zu ihm: >>Nun sei hurtig und hilf, da"s wir %S.371 siegen.<< Es war aber bestimmt, da"s wer am ersten Wasser %S.371 aus einem weit abgelegenen Brunnen br"achte, der %S.371 sollte Sieger sein. Nun bekam der Laufer einen Krug, %S.371 und die K"onigstochter auch einen, und sie fingen zu %S.371 gleicher Zeit zu laufen an; aber in einem Augenblick, als %S.371 die K"onigstochter erst eine kleine Strecke fort war, %S.371 konnte den Laufer schon kein Zuschauer mehr sehen, %S.371 und es war nicht anders, als w"are der Wind vorbeigesaust. %S.371 In kurzer Zeit langte er bei dem Brunnen an, %S.371 sch"opfte den Krug voll Wasser und kehrte wieder um. %S.371 Mitten aber auf dem Heimweg "uberkam ihn eine M"udigkeit, %S.372 da setzte er den Krug hin, legte sich nieder und %S.372 schlief ein. Er hatte aber einen Pferdesch"adel, der da auf %S.372 der Erde lag, zum Kopfkissen gemacht, damit er hart %S.372 l"age und bald wieder erwachte. Indessen war die K"onigstochter, %S.372 die auch gut laufen konnte, so gut es ein %S.372 gew"ohnlicher Mensch vermag, bei dem Brunnen angelangt %S.372 und eilte mit ihrem Krug voll Wasser zur"uck; und %S.372 als sie den Laufer da liegen und schlafen sah, war sie froh %S.372 und sprach: >>Der Feind ist in meine H"ande gegeben<<, %S.372 leerte seinen Krug aus und sprang weiter. Nun w"ar alles %S.372 verloren gewesen, wenn nicht zu gutem Gl"uck der J"ager %S.372 mit seinen scharfen Augen oben auf dem Schlo"s gestanden %S.372 und alles mit angesehen h"atte. Da sprach er: >>Die %S.372 K"onigstochter soll doch gegen uns nicht aufkommen<<, %S.372 lud seine B"uchse und scho"s so geschickt, da"s er dem %S.372 Laufer den Pferdesch"adel unter dem Kopf wegscho"s, %S.372 ohne ihm wehzutun. Da erwachte der Laufer, sprang in %S.372 die H"ohe und sah, da"s sein Krug leer und die K"onigstochter %S.372 schon weit voraus war. Aber er verlor den Mut %S.372 nicht, lief mit dem Krug wieder zum Brunnen zur"uck, %S.372 sch"opfte aufs neue Wasser und war noch zehn Minuten %S.372 eher als die K"onigstochter daheim. >>Seht Ihr<<, sprach er, %S.372 >>jetzt hab ich erst die Beine aufgehoben, vorher war's gar %S.372 kein Laufen zu nennen.<< %S.372 Den K"onig aber kr"ankte es, und seine Tochter noch %S.372 mehr, da"s sie so ein gemeiner, abgedankter Soldat %S.372 davontragen sollte; sie ratschlagten miteinander, wie sie %S.372 ihn samt seinen Gesellen losw"urden. Da sprach der %S.372 K"onig zu ihr: >>Ich habe ein Mittel gefunden, la"s dir nicht %S.372 bang sein, sie sollen nicht wieder heimkommen.<< Und %S.372 sprach zu ihnen: >>Ihr sollt euch nun zusammen lustig %S.372 machen, essen und trinken<<, und f"uhrte sie zu einer %S.372 Stube, die hatte einen Boden von Eisen, und die T"uren %S.372 waren auch von Eisen, und die Fenster waren mit eisernen %S.372 St"aben verwahrt. In der Stube war eine Tafel, mit %S.372 k"ostlichen Speisen besetzt, da sprach der K"onig zu %S.373 ihnen: >>Geht hinein und la"st's euch wohl sein.<< Und wie %S.373 sie darinnen waren, lie"s er die T"ure verschlie"sen und %S.373 verriegeln. Dann lie"s er den Koch kommen und befahl %S.373 ihm, ein Feuer so lang unter die Stube zu machen, bis das %S.373 Eisen gl"uhend w"urde. Das tat der Koch, und es fing an %S.373 und ward den sechsen in der Stube, w"ahrend sie an der %S.373 Tafel sa"sen, ganz warm, und sie meinten, das k"ame vom %S.373 Essen; als aber die Hitze immer gr"o"ser ward und sie %S.373 hinaus wollten, T"ure und Fenster aber verschlossen fanden, %S.373 da merkten sie, da"s der K"onig B"oses im Sinne %S.373 gehabt hatte und sie ersticken wollte. >>Es soll ihm aber %S.373 nicht gelingen<<, sprach der mit dem H"utchen, >>ich will %S.373 einen Frost kommen lassen, vor dem sich das Feuer %S.373 sch"amen und verkriechen soll.<< Da setzte er sein H"utchen %S.373 gerade, und alsobald fiel ein Frost, da"s alle Hitze %S.373 verschwand und die Speisen auf den Sch"usseln anfingen %S.373 zu frieren. Als nun ein paar Stunden herum waren und %S.373 der K"onig glaubte, sie w"aren in der Hitze verschmachtet, %S.373 lie"s er die T"ure "offnen und wollte selbst nach ihnen %S.373 sehen. Aber wie die T"ure aufging, standen sie alle sechse %S.373 da, frisch und gesund, und sagten, es w"are ihnen lieb, %S.373 da"s sie heraus k"onnten, sich zu w"armen, denn bei der %S.373 gro"sen K"alte in der Stube fr"oren die Speisen an den %S.373 Sch"usseln fest. Da ging der K"onig voll Zorn hinab zu %S.373 dem Koch, schalt ihn und fragte, warum er nicht getan %S.373 h"atte, was ihm w"are befohlen worden. Der Koch aber %S.373 antwortete: >>Es ist Glut genug da, seht nur selbst.<< Da %S.373 sah der K"onig, da"s ein gewaltiges Feuer unter der Eisenstube %S.373 brannte, und merkte, da"s er den sechsen auf diese %S.373 Weise nichts anhaben k"onnte. %S.373 Nun sann der K"onig aufs neue, wie er der b"osen G"aste %S.373 losw"urde, lie"s den Meister kommen und sprach: >>Willst %S.373 du Gold nehmen und dein Recht auf meine Tochter %S.373 aufgeben, so sollst du haben, soviel du willst.<< >>O ja, %S.373 Herr K"onig<<, antwortete er, >>gebt mir so viel, als mein %S.373 Diener tragen kann, so verlange ich Eure Tochter nicht.<< %S.374 Das war der K"onig zufrieden, und jener sprach weiter: %S.374 >>So will ich in vierzehn Tagen kommen und es holen.<< %S.374 Darauf rief er alle Schneider aus dem ganzen Reich %S.374 herbei, die mu"sten vierzehn Tage lang sitzen und einen %S.374 Sack n"ahen. Und als er fertig war, mu"ste der Starke, %S.374 welcher B"aume ausrupfen konnte, den Sack auf die %S.374 Schulter nehmen und mit ihm zu dem K"onig gehen. Da %S.374 sprach der K"onig: >>Was ist das f"ur ein gewaltiger Kerl, %S.374 der den hausgro"sen Ballen Leinewand auf der Schulter %S.374 tr"agt?<< Erschrak und dachte: >>Was wird der f"ur Gold %S.374 wegschleppen!<< Da hie"s er eine Tonne Gold herbringen, %S.374 die mu"sten sechszehn der st"arksten M"anner tragen, aber %S.374 der Starke packte sie mit einer Hand, steckte sie in den %S.374 Sack und sprach: >>Warum bringt ihr nicht gleich mehr, %S.374 das deckt ja kaum den Boden.<< Da lie"s der K"onig nach %S.374 und nach seinen ganzen Schatz herbeitragen, den schob %S.374 der Starke in den Sack hinein, und der Sack ward davon %S.374 noch nicht zur H"alfte voll. >>Schafft mehr herbei<<, rief er, %S.374 >>die paar Brocken f"ullen nicht.<< Da mu"sten noch siebentausend %S.374 Wagen mit Gold in dem ganzen Reich zusammengefahren %S.374 werden; die schob der Starke samt den %S.374 vorgespannten Ochsen in seinen Sack. >>Ich will's nicht %S.374 lange besehen<<, sprach er, >>und nehmen, was kommt, %S.374 damit der Sack nur voll wird.<< Wie alles darinstak, ging %S.374 doch noch viel hinein, da sprach er: >>Ich will dem Ding %S.374 nur ein Ende machen, man bindet wohl einmal einen %S.374 Sack zu, wenn er auch noch nicht voll ist.<< Dann huckte %S.374 er ihn auf den R"ucken und ging mit seinen Gesellen %S.374 fort. %S.374 Als der K"onig nun sah, wie der einzige Mann des ganzen %S.374 Landes Reichtum forttrug, ward er zornig und lie"s seine %S.374 Reiterei aufsitzen, die sollten den sechsen nachjagen und %S.374 hatten Befehl, dem Starken den Sack wieder abzunehmen. %S.374 Zwei Regimenter holten sie bald ein und riefen %S.374 ihnen zu: >>Ihr seid Gefangene, legt den Sack mit dem %S.374 Gold nieder oder ihr werdet zusammengehauen.<< >>Was %S.375 sagt ihr?<< sprach der Bl"aser. >>Wir w"aren Gefangene? %S.375 Eher sollt ihr s"amtlich in der Luft herumtanzen<<, hielt %S.375 das eine Nasenloch zu und blies mit dem andern die %S.375 beiden Regimenter an, da fuhren sie auseinander und in %S.375 die blaue Luft "uber alle Berge weg, der eine hierhin, der %S.375 andere dorthin. Ein Feldwebel rief um Gnade, er h"atte %S.375 neun Wunden und w"are ein braver Kerl, der den Schimpf %S.375 nicht verdiente. Da lie"s der Bl"aser ein wenig nach, so da"s %S.375 er ohne Schaden wieder herabkam, dann sprach er zu %S.375 ihm: >>Nun geh heim zum K"onig und sag, er sollte nur %S.375 noch mehr Reiterei schicken, ich wollte sie alle in die %S.375 Luft blasen.<< Der K"onig, als er den Bescheid vernahm, %S.375 sprach: >>La"st die Kerle gehen, die haben etwas an sich.<< %S.375 Da brachten die sechs den Reichtum heim, teilten ihn %S.375 unter sich und lebten vergn"ugt bis an ihr Ende. %S.375