% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1995", % volume = "1", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3191", % isbn = "3-15-003191-5", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1995" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von K. OKAMOTO am 10. Februar 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 30. M"arz 2001 % \maerchentitel{KHM 65: Allerleirauh} \markright{KHM 65: Allerleirauh} Es war einmal ein K"onig, der hatte eine Frau mit goldenen %S.350 Haaren, und sie war so sch"on, da"s sich ihresgleichen %S.350 nicht mehr auf Erden fand. Es geschah, da"s sie krank lag, %S.350 und als sie f"uhlte, da"s sie bald sterben w"urde, rief sie den %S.350 K"onig und sprach: >>Wenn du nach meinem Tode dich %S.351 wieder verm"ahlen willst, so nimm keine, die nicht ebenso %S.351 sch"on ist, als ich bin, und die nicht solche goldene Haare %S.351 hat, wie ich habe; das mu"st du mir versprechen.<< Nachdem %S.351 es ihr der K"onig versprochen hatte, tat sie die Augen %S.351 zu und starb. %S.351 Der K"onig war lange Zeit nicht zu tr"osten und dachte %S.351 nicht daran, eine zweite Frau zu nehmen. Endlich sprachen %S.351 seine R"ate: >>Es geht nicht anders, der K"onig mu"s %S.351 sich wieder verm"ahlen, damit wir eine K"onigin haben.<< %S.351 Nun wurden Boten weit und breit umhergeschickt, eine %S.351 Braut zu suchen, die an Sch"onheit der verstorbenen %S.351 K"onigin ganz gleich k"ame. Es war aber keine in der %S.351 ganzen Welt zu finden, und wenn man sie auch gefunden %S.351 h"atte, so war doch keine da, die solche goldene Haare %S.351 gehabt h"atte. Also kamen die Boten unverrichteter Sache %S.351 wieder heim. %S.351 Nun hatte der K"onig eine Tochter, die war geradeso %S.351 sch"on wie ihre verstorbene Mutter, und hatte auch solche %S.351 goldene Haare. Als sie herangewachsen war, sah sie der %S.351 K"onig einmal an und sah, da"s sie in allem seiner verstorbenen %S.351 Gemahlin "ahnlich war, und f"uhlte pl"otzlich eine %S.351 heftige Liebe zu ihr. Da sprach er zu seinen R"aten: >>Ich %S.351 will meine Tochter heiraten, denn sie ist das Ebenbild %S.351 meiner verstorbenen Frau, und sonst kann ich doch %S.351 keine Braut finden, die ihr gleicht.<< Als die R"ate das %S.351 h"orten, erschraken sie und sprachen: >>Gott hat verboten, %S.351 da"s der Vater seine Tochter heirate, aus der S"unde kann %S.351 nichts Gutes entspringen, und das Reich wird mit ins %S.351 Verderben gezogen.<< Die Tochter erschrak noch mehr, %S.351 als sie den Entschlu"s ihres Vaters vernahm, hoffte aber, %S.351 ihn von seinem Vorhaben noch abzubringen. Da sagte sie %S.351 zu ihm: >>Eh ich Euren Wunsch erf"ulle, mu"s ich erst drei %S.351 Kleider haben, eins so golden wie die Sonne, eins so %S.351 silbern wie der Mond und eins so gl"anzend wie die %S.351 Sterne; ferner verlange ich einen Mantel, von tausenderlei %S.351 Pelz und Rauhwerk zusammengesetzt, und ein jedes %S.352 Tier in Euerm Reich mu"s ein St"uck von seiner Haut %S.352 dazugeben.<< Sie dachte aber: >>Das anzuschaffen ist ganz %S.352 unm"oglich, und ich bringe damit meinen Vater von %S.352 seinen b"osen Gedanken ab.<< Der K"onig lie"s aber nicht %S.352 ab, und die geschicktesten Jungfrauen in seinem Reiche %S.352 mu"sten die drei Kleider weben, eins so golden wie die %S.352 Sonne, eins so silbern wie der Mond und eins so gl"anzend %S.352 wie die Sterne; und seine J"ager mu"sten alle Tiere im %S.352 ganzen Reiche auffangen und ihnen ein St"uck von ihrer %S.352 Haut abziehen; daraus ward ein Mantel von tausenderlei %S.352 Rauhwerk gemacht. Endlich, als alles fertig war, lie"s der %S.352 K"onig den Mantel herbeiholen, breitete ihn vor ihr aus %S.352 und sprach: >>Morgen soll die Hochzeit sein.<< %S.352 Als nun die K"onigstochter sah, da"s keine Hoffnung %S.352 mehr war, ihres Vaters Herz umzuwenden, so fa"ste sie %S.352 den Entschlu"s, zu entfliehen. In der Nacht, w"ahrend %S.352 alles schlief, stand sie auf und nahm von ihren Kostbarkeiten %S.352 dreierlei, einen goldenen Ring, ein goldenes %S.352 Spinnr"adchen und ein goldenes Haspelchen; die drei %S.352 Kleider von Sonne, Mond und Sternen tat sie in eine %S.352 Nu"sschale, zog den Mantel von allerlei Rauhwerk an %S.352 und machte sich Gesicht und H"ande mit Ru"s schwarz. %S.352 Dann befahl sie sich Gott und ging fort, und ging die %S.352 ganze Nacht, bis sie in einen gro"sen Wald kam. Und %S.352 weil sie m"ude war, setzte sie sich in einen hohlen Baum %S.352 und schlief ein. %S.352 Die Sonne ging auf, und sie schlief fort und schlief noch %S.352 immer, als es schon hoher Tag war. Da trug es sich zu, %S.352 da"s der K"onig, dem dieser Wald geh"orte, darin jagte. Als %S.352 seine Hunde zu dem Baum kamen, schnupperten sie, %S.352 liefen ringsherum und bellten. Sprach der K"onig zu den %S.352 J"agern: >>Seht doch, was dort f"ur ein Wild sich versteckt %S.352 hat.<< Die J"ager folgten dem Befehl, und als sie wiederkamen, %S.352 sprachen sie: >>In dem hohlen Baum liegt ein wunderliches %S.352 Tier, wie wir noch niemals eins gesehen haben: %S.352 an seiner Haut ist tausenderlei Pelz; es liegt aber und %S.353 schl"aft.<< Sprach der K"onig: >>Seht zu, ob ihr's lebendig %S.353 fangen k"onnt, dann bindet's auf den Wagen und nehmt's %S.353 mit.<< Als die J"ager das M"adchen anfa"sten, erwachte es %S.353 voll Schrecken und rief ihnen zu: >>Ich bin ein armes %S.353 Kind, von Vater und Mutter verlassen, erbarmt euch %S.353 mein und nehmt mich mit.<< Da sprachen sie: >>\emph{Allerleirauh}, %S.353 du bist gut f"ur die K"uche, komm nur mit, da %S.353 kannst du die Asche zusammenkehren.<< Also setzten sie %S.353 es auf den Wagen und fuhren heim in das k"onigliche %S.353 Schlo"s. Dort wiesen sie ihm ein St"allchen an unter der %S.353 Treppe, wo kein Tageslicht hinkam, und sagten: >>Rauhtierchen, %S.353 da kannst du wohnen und schlafen.<< Dann %S.353 ward es in die K"uche geschickt, da trug es Holz und %S.353 Wasser, sch"urte das Feuer, rupfte das Federvieh, belas %S.353 das Gem"us, kehrte die Asche und tat alle schlechte %S.353 Arbeit. %S.353 Da lebte Allerleirauh lange Zeit recht armselig. Ach, du %S.353 sch"one K"onigstochter, wie soll's mit dir noch werden! Es %S.353 geschah aber einmal, da"s ein Fest im Schlo"s gefeiert %S.353 ward, da sprach sie zum Koch: >>Darf ich ein wenig %S.353 hinaufgehen und zusehen? Ich will mich au"sen vor die %S.353 T"ure stellen.<< Antwortete der Koch: >>Ja, geh nur hin, %S.353 aber in einer halben Stunde mu"st du wieder hier sein und %S.353 die Asche zusammentragen.<< Da nahm sie ihr "Oll"ampchen, %S.353 ging in ihr St"allchen, zog den Pelzrock aus und %S.353 wusch sich den Ru"s von dem Gesicht und den H"anden %S.353 ab, so da"s ihre volle Sch"onheit wieder an den Tag kam. %S.353 Dann machte sie die Nu"s auf und holte ihr Kleid hervor, %S.353 das wie die Sonne gl"anzte. Und wie das geschehen war, %S.353 ging sie hinauf zum Fest, und alle traten ihr aus dem %S.353 Weg, denn niemand kannte sie, und meinten nicht %S.353 anders, als da"s es eine K"onigstochter w"are. Der K"onig %S.353 aber kam ihr entgegen, reichte ihr die Hand und tanzte %S.353 mit ihr und dachte in seinem Herzen: >>So sch"on haben %S.353 meine Augen noch keine gesehen.<< Als der Tanz zu Ende %S.353 war, verneigte sie sich, und wie sich der K"onig umsah, %S.354 war sie verschwunden, und niemand wu"ste wohin. Die %S.354 W"achter, die vor dem Schlosse standen, wurden gerufen %S.354 und ausgefragt, aber niemand hatte sie erblickt. %S.354 Sie war aber in ihr St"allchen gelaufen, hatte geschwind %S.354 ihr Kleid ausgezogen, Gesicht und H"ande schwarz %S.354 gemacht und den Pelzmantel umgetan und war wieder %S.354 Allerleirauh. Als sie nun in die K"uche kam und an ihre %S.354 Arbeit gehen und die Asche zusammenkehren wollte, %S.354 sprach der Koch: >>La"s das gut sein bis morgen und %S.354 koche mir da die Suppe f"ur den K"onig, ich will auch %S.354 einmal ein bi"schen oben zugucken; aber la"s mir kein %S.354 Haar hineinfallen, sonst kriegst du in Zukunft nichts %S.354 mehr zu essen.<< Da ging der Koch fort, und Allerleirauh %S.354 kochte die Suppe f"ur den K"onig und kochte eine Brotsuppe, %S.354 so gut es konnte, und wie sie fertig war, holte es %S.354 in dem St"allchen seinen goldenen Ring und legte ihn in %S.354 die Sch"ussel, in welche die Suppe angerichtet ward. Als %S.354 der Tanz zu Ende war, lie"s sich der K"onig die Suppe %S.354 bringen und a"s sie, und sie schmeckte ihm so gut, da"s er %S.354 meinte, niemals eine bessere Suppe gegessen zu haben. %S.354 Wie er aber auf den Grund kam, sah er da einen goldenen %S.354 Ring liegen und konnte nicht begreifen, wie er dahin %S.354 geraten war. Da befahl er, der Koch sollte vor ihn %S.354 kommen. Der Koch erschrak, wie er den Befehl h"orte, %S.354 und sprach zu Allerleirauh: >>Gewi"s hast du ein Haar in %S.354 die Suppe fallen lassen; wenn's wahr ist, so kriegst du %S.354 Schl"age.<< Als er vor den K"onig kam, fragte dieser, wer %S.354 die Suppe gekocht h"atte. Antwortete der Koch: >>Ich %S.354 habe sie gekocht.<< Der K"onig aber sprach: >>Das ist nicht %S.354 wahr, denn sie war auf andere Art und viel besser %S.354 gekocht als sonst.<< Antwortete er: >>Ich mu"s es gestehen, %S.354 da"s ich sie nicht gekocht habe, sondern das Rauhtierchen.<< %S.354 Sprach der K"onig: >>Geh und la"s es heraufkommen.<< %S.354 Als Allerleirauh kam, fragte der K"onig: >>Wer bist du?<< %S.354 >>Ich bin ein armes Kind, das keinen Vater und Mutter %S.355 mehr hat.<< Fragte er weiter: >>Wozu bist du in meinem %S.355 Schlo"s?<< Antwortete es: >>Ich bin zu nichts gut, als da"s %S.355 mir die Stiefeln um den Kopf geworfen werden.<< Fragte %S.355 er weiter: >>Wo hast du den Ring her, der in der Suppe %S.355 war?<< Antwortete es: >>Von dem Ring wei"s ich nichts.<< %S.355 Also konnte der K"onig nichts erfahren und mu"ste es %S.355 wieder fortschicken. %S.355 "Uber eine Zeit war wieder ein Fest, da bat Allerleirauh %S.355 den Koch wie vorigesmal um Erlaubnis, zusehen zu %S.355 d"urfen. Antwortete er: >>Ja, aber komm in einer halben %S.355 Stunde wieder und koch dem K"onig die Brotsuppe, die %S.355 er so gerne i"st.<< Da lief es in sein St"allchen, wusch sich %S.355 geschwind und nahm aus der Nu"s das Kleid, das so %S.355 silbern war wie der Mond, und tat es an. Da ging sie %S.355 hinauf und glich einer K"onigstochter; und der K"onig trat %S.355 ihr entgegen und freute sich, da"s er sie wiedersah, und %S.355 weil eben der Tanz anhub, so tanzten sie zusammen. Als %S.355 aber der Tanz zu Ende war, verschwand sie wieder so %S.355 schnell, da"s der K"onig nicht bemerken konnte, wo sie %S.355 hinging. Sie sprang aber in ihr St"allchen und machte sich %S.355 wieder zum Rauhtierchen und ging in die K"uche, die %S.355 Brotsuppe zu kochen. Als der Koch oben war, holte es %S.355 das goldene Spinnrad und tat es in die Sch"ussel, so da"s %S.355 die Suppe dar"uber angerichtet wurde. Danach ward sie %S.355 dem K"onig gebracht, der a"s sie, und sie schmeckte ihm %S.355 so gut wie das vorigemal, und lie"s den Koch kommen, %S.355 der mu"ste auch diesmal gestehen, da"s Allerleirauh die %S.355 Suppe gekocht h"atte. Allerleirauh kam da wieder vor den %S.355 K"onig, aber sie antwortete, da"s sie nur dazu da w"are, %S.355 da"s ihr die Stiefeln an den Kopf geworfen w"urden und %S.355 da"s sie von dem goldenen Spinnr"adchen gar nichts %S.355 w"u"ste. %S.355 Als der K"onig zum drittenmal ein Fest anstellte, da ging %S.355 es nicht anders als die vorigemale. Der Koch sprach %S.355 zwar: >>Du bist eine Hexe, Rauhtierchen, und tust immer %S.355 etwas in die Suppe, davon sie so gut wird und dem K"onig %S.356 besser schmeckt, als was ich koche<<; doch weil es so bat, %S.356 so lie"s er es auf die bestimmte Zeit hingehen. Nun zog es %S.356 ein Kleid an, das wie die Sterne gl"anzte, und trat damit in %S.356 den Saal. Der K"onig tanzte wieder mit der sch"onen %S.356 Jungfrau und meinte, da"s sie noch niemals so sch"on %S.356 gewesen w"are. Und w"ahrend er tanzte, steckte er ihr, %S.356 ohne da"s sie es merkte, einen goldenen Ring an den %S.356 Finger, und hatte befohlen, da"s der Tanz recht lang %S.356 w"ahren sollte. Wie er zu Ende war, wollte er sie an den %S.356 H"anden festhalten, aber sie ri"s sich los und sprang so %S.356 geschwind unter die Leute, da"s sie vor seinen Augen %S.356 verschwand. Sie lief, was sie konnte, in ihr St"allchen %S.356 unter der Treppe, weil sie aber zu lange und "uber eine %S.356 halbe Stunde geblieben war, so konnte sie das sch"one %S.356 Kleid nicht ausziehen, sondern warf nur den Mantel von %S.356 Pelz dar"uber, und in der Eile machte sie sich auch nicht %S.356 ganz ru"sig, sondern ein Finger blieb wei"s. Allerleirauh %S.356 lief nun in die K"uche, kochte dem K"onig die Brotsuppe %S.356 und legte, wie der Koch fort war, den goldenen Haspel %S.356 hinein. Der K"onig, als er den Haspel auf dem Grunde %S.356 fand, lie"s Allerleirauh rufen; da erblickte er den wei"sen %S.356 Finger und sah den Ring, den er im Tanze ihr angesteckt %S.356 hatte. Da ergriff er sie an der Hand und hielt sie fest, und %S.356 als sie sich losmachen und fortspringen wollte, tat sich %S.356 der Pelzmantel ein wenig auf, und das Sternenkleid %S.356 schimmerte hervor. Der K"onig fa"ste den Mantel und ri"s %S.356 ihn ab. Da kamen die goldenen Haare hervor, und sie %S.356 stand da in voller Pracht und konnte sich nicht l"anger %S.356 verbergen. Und als sie Ru"s und Asche aus ihrem Gesicht %S.356 gewischt hatte, da war sie sch"oner, als man noch jemand %S.356 auf Erden gesehen hat. Der K"onig aber sprach: >>Du bist %S.356 meine liebe Braut, und wir scheiden nimmermehr voneinander.<< %S.356 Darauf ward die Hochzeit gefeiert, und sie %S.356 lebten vergn"ugt bis an ihren Tod. %S.356