% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1995", % volume = "1", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3191", % isbn = "3-15-003191-5", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1995" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von K. OKAMOTO am 10. Februar 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 30. M"arz 2001 % % ck version (input e.g. Dru"cker instead of Drucker) % \maerchentitel{KHM 61: Das B"urle} \markright{KHM 61: Das B"urle} Es war ein Dorf, darin sa"sen lauter reiche Bauern und %S.335 nur ein armer, den nannten sie das \emph{B"urle} (B"auerlein). Er %S.335 hatte nicht einmal eine Kuh und noch weniger Geld, eine %S.335 zu kaufen; und er und seine Frau h"atten so gern eine %S.335 gehabt. Einmal sprach er zu ihr: >>H"or, ich habe einen %S.335 guten Gedanken, da ist unser Gevatter Schreiner, der soll %S.335 uns ein Kalb aus Holz machen und braun anstreichen, %S.335 da"s es wie ein anderes aussieht, mit der Zeit wird's wohl %S.335 gro"s und gibt eine Kuh.<< Der Frau gefiel das auch, und %S.335 der Gevatter Schreiner zimmerte und hobelte das Kalb %S.335 zurecht, strich es an, wie sich's geh"orte, und machte es %S.335 so, da"s es den Kopf herabsenkte, als fr"a"se es. %S.335 Wie die K"uhe des andern Morgens ausgetrieben wurden, %S.335 rief das B"urle den Hirt herein und sprach: >>Seht, da hab %S.335 ich ein K"albchen, aber es ist noch klein und mu"s noch %S.335 getragen werden.<< Der Hirt sagte: >>Schon gut<<, nahm's %S.335 in seinen Arm, trug's hinaus auf die Weide und stellte es %S.335 ins Gras. Das K"albchen blieb da immer stehen wie eins, %S.335 das fri"st, und der Hirt sprach: >>Das wird bald selber %S.335 laufen, guck einer, was es schon fri"st!<< Abends, als er die %S.335 Herde wieder heimtreiben wollte, sprach er zu dem %S.335 Kalb: >>Kannst du da stehen und dich satt fressen, so %S.335 kannst du auch auf deinen vier Beinen gehen, ich mag %S.335 dich nicht wieder auf dem Arm heimschleppen.<< Das %S.335 B"urle stand aber vor der Haust"ure und wartete auf sein %S.335 K"albchen; als nun der Kuhhirt durchs Dorf trieb und das %S.335 K"albchen fehlte, fragte er danach. Der Hirt antwortete: %S.335 >>Das steht noch immer drau"sen und fri"st: es wollte nicht %S.335 aufh"oren und nicht mitgehen.<< B"urle aber sprach: >>Ei %S.335 was, ich mu"s mein Vieh wieder haben.<< Da gingen sie %S.335 zusammen nach der Wiese zur"uck, aber einer hatte das %S.335 Kalb gestohlen, und es war fort. Sprach der Hirt: >>Es %S.335 wird sich wohl verlaufen haben.<< Das B"urle aber sagte: %S.336 >>Mir nicht so!<<, und f"uhrte den Hirten vor den Schulthei"s, %S.336 der verdammte ihn f"ur seine Nachl"assigkeit, da"s er %S.336 dem B"urle f"ur das entkommene Kalb mu"ste eine Kuh %S.336 geben. %S.336 Nun hatte das B"urle und seine Frau die lang gew"unschte %S.336 Kuh; sie freuten sich von Herzen, hatten aber kein Futter %S.336 und konnten ihr nichts zu fressen geben, also mu"ste sie %S.336 bald geschlachtet werden. Das Fleisch salzten sie ein, %S.336 und das B"urle ging in die Stadt und wollte das Fell dort %S.336 verkaufen, um f"ur den Erl"os ein neues K"albchen zu %S.336 bestellen. Unterwegs kam er an eine M"uhle, da sa"s ein %S.336 Rabe mit gebrochenen Fl"ugeln, den nahm er aus Erbarmen %S.336 auf und wi"ckelte ihn in das Fell. Weil aber das %S.336 Wetter so schlecht ward und Wind und Regen st"urmte, %S.336 konnte er nicht weiter, kehrte in die M"uhle ein und bat %S.336 um Herberge. Die M"ullerin war allein zu Haus und %S.336 sprach zu dem B"urle: >>Da leg dich auf die Streu<<, und %S.336 gab ihm ein K"asebrot. Das B"urle a"s und legte sich nieder, %S.336 sein Fell neben sich, und die Frau dachte: >>Der ist m"ude %S.336 und schl"aft.<< Indem kam der Pfaff, die Frau M"ullerin %S.336 empfing ihn wohl und sprach: >>Mein Mann ist aus, da %S.336 wollen wir uns traktieren.<< B"urle horchte auf, und wie's %S.336 von traktieren h"orte, "argerte es sich, da"s es mit K"asebrot %S.336 hatte vorliebnehmen m"ussen. Da trug die Frau herbei %S.336 und trug viererlei auf, Braten, Salat, Kuchen und %S.336 Wein. %S.336 Wie sie sich nun setzten und essen wollten, klopfte es %S.336 drau"sen. Sprach die Frau: >>Ach Gott, das ist mein %S.336 Mann!<< Geschwind versteckte sie den Braten in die %S.336 Ofenkachel, den Wein unters Kopfkissen, den Salat aufs %S.336 Bett, den Kuchen unters Bett und den Pfaff in den %S.336 Schrank auf dem Hausern. Danach machte sie dem Mann %S.336 auf und sprach: >>Gottlob, da"s du wieder hier bist! Das %S.336 ist ein Wetter, als wenn die Welt untergehen sollte!<< Der %S.336 M"uller sah's B"urle auf dem Streu liegen und fragte: >>Was %S.336 will der Kerl da?<< >>Ach<<, sagte die Frau, >>der arme %S.337 Schelm kam in dem Sturm und Regen und bat um ein %S.337 Obdach, da hab ich ihm ein K"asebrot gegeben und ihm %S.337 die Streu angewiesen.<< Sprach der Mann: >>Ich habe %S.337 nichts dagegen, aber schaff mir bald etwas zu essen.<< Die %S.337 Frau sagte: >>Ich habe aber nichts als K"asebrot.<< >>Ich bin %S.337 mit allem zufrieden<<, antwortete der Mann, >>meinetwegen %S.337 mit K"asebrot<<, sah das B"urle an und rief: >>Komm %S.337 und i"s noch einmal mit.<< B"urle lie"s sich das nicht %S.337 zweimal sagen, stand auf und a"s mit. Danach sah der %S.337 M"uller das Fell auf der Erde liegen, in dem der Rabe %S.337 steckte, und fragte: >>Was hast du da?<< Antwortete das %S.337 B"urle: >>Da hab ich einen Wahrsager drin.<< >>Kann der %S.337 mir auch wahrsagen?<< sprach der M"uller. >>Warum %S.337 nicht?<< antwortete das B"urle. >>Er sagt aber nur vier %S.337 Dinge, und das f"unfte beh"alt er bei sich.<< Der M"uller war %S.337 neugierig und sprach: >>La"s ihn einmal wahrsagen.<< Da %S.337 dr"uckte B"urle dem Raben auf den Kopf, da"s er quackte %S.337 und >>krr krr<< machte. Sprach der M"uller: >>Was hat er %S.337 gesagt?<< B"urle antwortete: >>Erstens hat er gesagt, es %S.337 steckte Wein unterm Kopfkissen.<< >>Das w"are des Guckgucks!<< %S.337 rief der M"uller, ging hin und fand den Wein. %S.337 >>Nun weiter<<, sprach der M"uller. Das B"urle lie"s den %S.337 Raben wieder quacksen und sprach: >>Zweitens hat er %S.337 gesagt, w"are Braten in der Ofenkachel.<< >>Das w"are des %S.337 Guckgucks!<< rief der M"uller, ging hin und fand den %S.337 Braten. B"urle lie"s den Raben noch mehr weissagen und %S.337 sprach: >>Drittens hat er gesagt, w"are Salat auf dem Bett.<< %S.337 >>Das w"are des Guckgucks!<< rief der M"uller, ging hin und %S.337 fand den Salat. Endlich dr"uckte das B"urle den Raben %S.337 noch einmal, da"s er knurrte, und sprach: >>Viertens hat er %S.337 gesagt, w"are Kuchen unterm Bett.<< >>Das w"are des Guckgucks!<< %S.337 rief der M"uller, ging hin und fand den Kuchen. %S.337 Nun setzten sich die zwei zusammen an den Tisch, die %S.337 M"ullerin aber kriegte Todes"angste, legte sich ins Bett und %S.337 nahm alle Schl"ussel zu sich. Der M"uller h"atte auch gern %S.338 das f"unfte gewu"st, aber B"urle sprach: >>Erst wollen wir %S.338 die vier andern Dinge ruhig essen, denn das f"unfte ist %S.338 etwas Schlimmes.<< So a"sen sie, und danach ward gehandelt, %S.338 wieviel der M"uller f"ur die f"unfte Wahrsagung geben %S.338 sollte, bis sie um dreihundert Taler einig wurden. Da %S.338 dr"uckte das B"urle dem Raben noch einmal an den Kopf, %S.338 da"s er laut quackte. Fragte der M"uller: >>Was hat er %S.338 gesagt?<< Antwortete das B"urle: >>Er hat gesagt, drau"sen %S.338 im Schrank auf dem Hausern, da steckte der Teufel.<< %S.338 Sprach der M"uller: >>Der Teufel mu"s hinaus<<, und %S.338 sperrte die Haust"ur auf, die Frau aber mu"ste den Schl"ussel %S.338 hergeben, und B"urle schlo"s den Schrank auf. Da lief %S.338 der Pfaff, was er konnte, hinaus, und der M"uller sprach: %S.338 >>Ich habe den schwarzen Kerl mit meinen Augen gesehen: %S.338 es war richtig.<< B"urle aber machte sich am andern %S.338 Morgen in der D"ammerung mit den dreihundert Talern %S.338 aus dem Staub. %S.338 Daheim tat sich das B"urle allgemach auf, baute ein %S.338 h"ubsches Haus, und die Bauern sprachen: >>Das B"urle ist %S.338 gewi"s gewesen, wo der goldene Schnee f"allt und man das %S.338 Geld mit Scheffeln heimtr"agt.<< Da ward B"urle vor den %S.338 Schulthei"s gefordert, es sollte sagen, woher sein Reichtum %S.338 k"ame. Antwortete es: >>Ich habe mein Kuhfell in der %S.338 Stadt f"ur dreihundert Taler verkauft.<< Als die Bauern das %S.338 h"orten, wollten sie auch den gro"sen Vorteil genie"sen, %S.338 liefen heim, schlugen all ihre K"uhe tot und zogen die %S.338 Felle ab, um sie in der Stadt mit dem gro"sen Gewinn zu %S.338 verkaufen. Der Schulthei"s sprach: >>Meine Magd mu"s %S.338 aber vorangehen.<< Als diese zum Kaufmann in die Stadt %S.338 kam, gab er ihr nicht mehr als drei Taler f"ur ein Fell; und %S.338 als die "ubrigen kamen, gab er ihnen nicht einmal so viel %S.338 und sprach: >>Was soll ich mit all den H"auten anfangen?<< %S.338 Nun "argerten sich die Bauern, da"s sie vom B"urle hinters %S.338 Licht gef"uhrt waren, wollten Rache an ihm nehmen und %S.338 verklagten es wegen des Betrugs bei dem Schulthei"s. Das %S.339 unschuldige B"urle ward einstimmig zum Tod verurteilt %S.339 und sollte in einem durchl"ocherten Fa"s ins Wasser %S.339 gerollt werden. B"urle ward hinausgef"uhrt und ein Geistlicher %S.339 gebracht, der ihm eine Seelenmesse lesen sollte. %S.339 Die andern mu"sten sich alle entfernen, und wie das B"urle %S.339 den Geistlichen anblickte, so erkannte es den Pfaffen, der %S.339 bei der Frau M"ullerin gewesen war. Sprach es zu ihm: %S.339 >>Ich hab Euch aus dem Schrank befreit, befreit mich aus %S.339 dem Fa"s.<< Nun trieb gerade der Sch"afer mit einer Herde %S.339 Schafe daher, von dem das B"urle wu"ste, da"s er l"angst %S.339 gerne Schulthei"s geworden w"are, da schrie es aus allen %S.339 Kr"aften: >>Nein, ich tu's nicht! Und wenn's die ganze %S.339 Welt haben wollte, nein, ich tu's nicht!<< Der Sch"afer, der %S.339 das h"orte, kam herbei und fragte: >>Was hast du vor? Was %S.339 willst du nicht tun?<< B"urle sprach: >>Da wollen sie mich %S.339 zum Schulthei"s machen, wenn ich mich in das Fa"s setze, %S.339 aber ich tu's nicht.<< Der Sch"afer sagte: >>Wenn's weiter %S.339 nichts ist, um Schulthei"s zu werden, wollte ich mich %S.339 gleich in das Fa"s setzen.<< B"urle sprach: >>Willst du dich %S.339 hineinsetzen, so wirst du auch Schulthei"s.<< Der Sch"afer %S.339 war's zufrieden, setzte sich hinein, und das B"urle schlug %S.339 den De"ckel drauf; dann nahm es die Herde des Sch"afers %S.339 f"ur sich und trieb sie fort. Der Pfaff aber ging zur %S.339 Gemeinde und sagte, die Seelenmesse w"are gelesen. Da %S.339 kamen sie und rollten das Fa"s nach dem Wasser hin. Als %S.339 das Fa"s zu rollen anfing, rief der Sch"afer: >>Ich will ja %S.339 gerne Schulthei"s werden.<< Sie glaubten nicht anders, als %S.339 das B"urle schrie so, und sprachen: >>Das meinen wir %S.339 auch, aber erst sollst du dich da unten umsehen<<, und %S.339 rollten das Fa"s ins Wasser hinein. %S.339 Darauf gingen die Bauern heim, und wie sie ins Dorf %S.339 kamen, so kam auch das B"urle daher, trieb eine Herde %S.339 Schafe ruhig ein und war ganz zufrieden. Da erstaunten %S.339 die Bauern und sprachen: >>B"urle, wo kommst du her? %S.339 Kommst du aus dem Wasser?<< >>Freilich<<, antwortete das %S.339 B"urle, >>ich bin versunken tief, tief, bis ich endlich auf %S.340 den Grund kam: ich stie"s dem Fa"s den Boden aus und %S.340 kroch hervor, da waren sch"one Wiesen, auf denen viele %S.340 L"ammer weideten, davon bracht ich mir die Herde mit.<< %S.340 Sprachen die Bauern: >>Sind noch mehr da?<< >>O ja<<, %S.340 sagte das B"urle, >>mehr, als ihr brauchen k"onnt.<< Da %S.340 verabredeten sich die Bauern, da"s sie sich auch Schafe %S.340 holen wollten, jeder eine Herde; der Schulthei"s aber %S.340 sagte: >>Ich komme zuerst.<< Nun gingen sie zusammen %S.340 zum Wasser, da standen gerade am blauen Himmel %S.340 kleine Flockwolken, die man L"ammerchen nennt, die %S.340 spiegelten sich im Wasser ab, da riefen die Bauern: >>Wir %S.340 sehen schon die Schafe unten auf dem Grund.<< Der %S.340 Schulz, dr"angte sich hervor und sagte: >>Nun will ich %S.340 zuerst hinunter und mich umsehen; wenn's gut ist, will %S.340 ich euch rufen.<< Da sprang er hinein, >>plump<< klang es %S.340 im Wasser. Sie meinten nicht anders, als er riefe ihnen %S.340 zu: >>Kommt!<<, und der ganze Haufe st"urzte in einer %S.340 Hast hinter ihm drein. Da war das Dorf ausgestorben, %S.340 und B"urle als der einzige Erbe ward ein reicher %S.340 Mann. %S.340