% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1995", % volume = "1", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3191", % isbn = "3-15-003191-5", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1995" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von H. Shouzaki, am 24. M"arz 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 29. M"arz 2001 % \maerchentitel{KHM 52: K"onig Drosselbart} \markright{KHM 52: K"onig Drosselbart} Ein K"onig hatte eine Tochter, die war "uber alle Ma"sen %S.264 sch"on, aber dabei so stolz und "uberm"utig, da"s ihr kein %S.264 Freier gut genug war. Sie wies einen nach dem andern ab %S.264 und trieb noch dazu Spott mit ihnen. Einmal lie"s der %S.264 K"onig ein gro"ses Fest anstellen und ladete dazu aus der %S.264 N"ahe und Ferne die heiratslustigen M"anner ein. Sie %S.264 wurden alle in eine Reihe nach Rang und Stand geordnet; %S.264 erst kamen die K"onige, dann die Herz"oge, die F"ursten, %S.264 Grafen und Freiherrn, zuletzt die Edelleute. Nun ward %S.264 die K"onigstochter durch die Reihen gef"uhrt, aber an %S.264 jedem hatte sie etwas auszusetzen. Der eine war ihr zu %S.264 dick: >>Das Weinfa"s!<< sprach sie. Der andere zu lang: %S.264 >>Lang und schwank hat keinen Gang.<< Der dritte zu %S.264 kurz: >>Kurz und dick hat kein Geschick.<< Der vierte zu %S.264 bla"s: >>Der bleiche Tod!<< Der f"unfte zu rot: >>Der Zinshahn!<< %S.264 Der sechste war nicht gerad genug: >>Gr"unes %S.264 Holz, hinterm Ofen getrocknet!<< Und so hatte sie an %S.264 einem jeden etwas auszusetzen, besonders aber machte %S.264 sie sich "uber einen guten K"onig lustig, der ganz oben %S.264 stand und dem das Kinn ein wenig krumm gewachsen %S.264 war. >>Ei<<, rief sie und lachte, >>der hat ein Kinn wie die %S.264 Drossel einen Schnabel<<; und seit der Zeit bekam er den %S.264 Namen \emph{Drosselbart}. Der alte K"onig aber, als er sah, da"s %S.264 seine Tochter nichts tat als "uber die Leute spotten und %S.264 alle Freier, die da versammelt waren, verschm"ahte, ward %S.264 er zornig und schwur, sie sollte den ersten besten Bettler %S.264 zum Manne nehmen, der vor seine T"ure k"ame. %S.264 Ein paar Tage darauf hub ein Spielmann an, unter dem %S.264 Fenster zu singen, um damit ein geringes Almosen zu %S.264 verdienen. Als es der K"onig h"orte, sprach er: >>La"st ihn %S.264 heraufkommen.<< Da trat der Spielmann in seinen %S.264 schmutzigen, verlumpten Kleidern herein, sang vor dem %S.264 K"onig und seiner Tochter und bat, als er fertig war, um %S.265 eine milde Gabe. Der K"onig sprach: >>Dein Gesang hat %S.265 mir so wohl gefallen, da"s ich dir meine Tochter da zur %S.265 Frau geben will.<< Die K"onigstochter erschrak, aber der %S.265 K"onig sagte: >>Ich habe den Eid getan, dich dem ersten %S.265 besten Bettelmann zu geben, den will ich auch halten.<< %S.265 Es half keine Einrede, der Pfarrer ward geholt, und sie %S.265 mu"ste sich gleich mit dem Spielmann trauen lassen. Als %S.265 das geschehen war, sprach der K"onig: >>Nun schickt %S.265 sich's nicht, da"s du als ein Bettelweib noch l"anger in %S.265 meinem Schlo"s bleibst, du kannst nur mit deinem Manne %S.265 fortziehen.<< %S.265 Der Bettelmann f"uhrte sie an der Hand hinaus, und sie %S.265 mu"ste mit ihm zu Fu"s fortgehen. Als sie in einen gro"sen %S.265 Wald kamen, da fragte sie: %S.265 \begin{verse} >>Ach, wem geh"ort der sch"one Wald?<< \\ %S.265 >>Der geh"ort dem K"onig Drosselbart; \\ %S.265 h"attst du 'n genommen, so w"ar er dein.<< \\ %S.265 >>Ich arme Jungfer zart, \\ %S.265 ach, h"att ich genommen den K"onig Drosselbart!<< %S.265 \end{verse} Darauf kamen sie "uber eine Wiese, da fragte sie wieder: %S.265 \begin{verse} >>Wem geh"ort die sch"one gr"une Wiese?<< \\ %S.265 >>Sie geh"ort dem K"onig Drosselbart; \\ %S.265 h"attst du 'n genommen, so w"ar sie dein.<< \\ %S.265 >>Ich arme Jungfer zart, \\ %S.265 ach, h"att ich genommen den K"onig Drosselbart!<< %S.265 \end{verse} Dann kamen sie durch eine gro"se Stadt, da fragte sie %S.265 wieder: %S.265 \begin{verse} >>Wem geh"ort diese sch"one gro"se Stadt?<< \\ %S.265 >>Sie geh"ort dem K"onig Drosselbart; \\ %S.265 h"attst du 'n genommen, so w"ar sie dein.<< \\ %S.265 >>Ich arme Jungfer zart, \\ %S.265 ach, h"att ich genommen den K"onig Drosselbart!<< %S.265 \end{verse} >>Es gef"allt mir gar nicht<<, sprach der Spielmann, >>da"s du %S.265 dir immer einen andern zum Mann w"unschest: bin ich %S.265 dir nicht gut genug?<< Endlich kamen sie an ein ganz %S.266 kleines H"auschen, da sprach sie: %S.266 \begin{verse} >>Ach, Gott, was ist das Haus so klein! \\ %S.266 Wem mag das elende winzige H"auschen sein?<< %S.266 \end{verse} Der Spielmann antwortete: >>Das ist mein und dein Haus, %S.266 wo wir zusammen wohnen.<< Sie mu"ste sich b"ucken, %S.266 damit sie zu der niedrigen T"ur hineinkam. >>Wo sind die %S.266 Diener?<< sprach die K"onigstochter. >>Was Diener!<< antwortete %S.266 der Bettelmann. >>Du mu"st selber tun, was du %S.266 willst getan haben. Mach nur gleich Feuer an und stell %S.266 Wasser auf, da"s du mir mein Essen kochst; ich bin ganz %S.266 m"ude.<< Die K"onigstochter verstand aber nichts vom %S.266 Feueranmachen und Kochen, und der Bettelmann mu"ste %S.266 selber mit Hand anlegen, da"s es noch so leidlich ging. %S.266 Als sie die schmale Kost verzehrt hatten, legten sie sich %S.266 zu Bett; aber am Morgen trieb er sie schon ganz fr"uh %S.266 heraus, weil sie das Haus besorgen sollte. Ein paar Tage %S.266 lebten sie auf diese Art schlecht und recht und zehrten %S.266 ihren Vorrat auf. Da sprach der Mann: >>Frau, so geht's %S.266 nicht l"anger, da"s wir hier zehren und nichts verdienen. %S.266 Du sollst K"orbe flechten.<< Er ging aus, schnitt Weiden %S.266 und brachte sie heim; da fing sie an zu flechten, aber die %S.266 harten Weiden stachen ihr die zarten H"ande wund. >>Ich %S.266 sehe, das geht nicht<<, sprach der Mann, >>spinn lieber, %S.266 vielleicht kannst du das besser.<< Sie setzte sich hin und %S.266 versuchte zu spinnen, aber der harte Faden schnitt ihr %S.266 bald in die weichen Finger, da"s das Blut daran herunterlief. %S.266 >>Siehst du<<, sprach der Mann, >>du taugst zu keiner %S.266 Arbeit, mit dir bin ich schlimm angekommen. Nun will %S.266 ich's versuchen und einen Handel mit T"opfen und irdenem %S.266 Geschirr anfangen: du sollst dich auf den Markt %S.266 setzen und die Ware feilhalten.<< >>Ach<<, dachte sie, %S.266 >>wenn auf den Markt Leute aus meines Vaters Reich %S.266 kommen und sehen mich da sitzen und feilhalten, wie %S.266 werden sie mich verspotten!<< Aber es half nichts, sie %S.266 mu"ste sich f"ugen, wenn sie nicht Hungers sterben wollten. %S.266 Das erstemal ging's gut, denn die Leute kauften der %S.267 Frau, weil sie sch"on war, gern ihre Ware ab und bezahlten, %S.267 was sie forderte: ja, viele gaben ihr das Geld und %S.267 lie"sen ihr die T"opfe noch dazu. Nun lebten sie von dem %S.267 erworbenen, solang es dauerte, da handelte der Mann %S.267 wieder eine Menge neues Geschirr ein. Sie setzte sich %S.267 damit an eine Ecke des Marktes und stellte es um sich her %S.267 und hielt feil. Da kam pl"otzlich ein trunkener Husar %S.267 dahergejagt und ritt geradezu in die T"opfe hinein, da"s %S.267 alles in tausend Scherben zersprang. Sie fing an zu weinen %S.267 und wu"ste vor Angst nicht, was sie anfangen sollte. %S.267 >>Ach, wie wird mir's ergehen!<< rief sie. >>Was wird mein %S.267 Mann dazu sagen!<< Sie lief heim und erz"ahlte ihm das %S.267 Ungl"uck. >>Wer setzt sich auch an die Ecke des Marktes %S.267 mit irdenem Geschirr!<< sprach der Mann. >>La"s nur das %S.267 Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen %S.267 Arbeit zu gebrauchen. Da bin ich in unseres K"onigs %S.267 Schlo"s gewesen und habe gefragt, ob sie nicht eine %S.267 K"uchenmagd brauchen k"onnten, und sie haben mir versprochen, %S.267 sie wollten dich dazu nehmen; daf"ur bekommst %S.267 du freies Essen.<< %S.267 Nun ward die K"onigstochter eine K"uchenmagd, mu"ste %S.267 dem Koch zur Hand gehen und die sauerste Arbeit tun. %S.267 Sie machte sich in beiden Taschen ein T"opfchen fest, %S.267 darin brachte sie nach Haus, was ihr von dem "Ubriggebliebenen %S.267 zuteil ward, und davon n"ahrten sie sich. Es %S.267 trug sich zu, da"s die Hochzeit des "altesten K"onigssohnes %S.267 sollte gefeiert werden, da ging die arme Frau hinauf, %S.267 stellte sich vor die Saalt"ure und wollte zusehen. Als nun %S.267 die Lichter angez"undet waren und immer einer sch"oner %S.267 als der andere hereintrat und alles voll Pracht und Herrlichkeit %S.267 war, da dachte sie mit betr"ubtem Herzen an ihr %S.267 Schicksal und verw"unschte ihren Stolz und "Ubermut, der %S.267 sie erniedrigt und in so gro"se Armut gest"urzt hatte. Von %S.267 den k"ostlichen Speisen, die da ein und aus getragen %S.267 wurden und von welchen der Geruch zu ihr aufstieg, %S.267 warfen ihr Diener manchmal ein paar Brocken zu, die tat %S.268 sie in ihr T"opfchen und wollte es heimtragen. Auf einmal %S.268 trat der K"onigssohn herein, war in Samt und Seide %S.268 gekleidet und hatte goldene Ketten um den Hals. Und als %S.268 er die sch"one Frau in der T"ure stehen sah, ergriff er sie %S.268 bei der Hand und wollte mit ihr tanzen, aber sie weigerte %S.268 sich und erschrak, denn sie sah, da"s es der K"onig Drosselbart %S.268 war, der um sie gefreit und den sie mit Spott %S.268 abgewiesen hatte. Ihr Str"auben half nichts, er zog sie in %S.268 den Saal; da zerri"s das Band, an welchem die Taschen %S.268 hingen, und die T"opfe fielen heraus, da"s die Suppe flo"s %S.268 und die Brocken umhersprangen. Und wie das die Leute %S.268 sahen, entstand ein allgemeines Gel"achter und Spotten, %S.268 und sie war so besch"amt, da"s sie sich lieber tausend %S.268 Klafter unter die Erde gew"unscht h"atte. Sie sprang zur %S.268 T"ure hinaus und wollte entfliehen, aber auf der Treppe %S.268 holte sie ein Mann ein und brachte sie zur"uck; und wie %S.268 sie ihn ansah, war es wieder der K"onig Drosselbart. Er %S.268 sprach ihr freundlich zu: >>F"urchte dich nicht, ich und %S.268 der Spielmann, der mit dir in dem elenden H"auschen %S.268 gewohnt hat, sind eins: dir zuliebe habe ich mich so %S.268 verstellt, und der Husar, der dir die T"opfe entzweigeritten %S.268 hat, bin ich auch gewesen. Das alles ist geschehen, %S.268 um deinen stolzen Sinn zu beugen und dich f"ur deinen %S.268 Hochmut zu strafen, womit du mich verspottet hast.<< %S.268 Da weinte sie bitterlich und sagte: >>Ich habe gro"ses %S.268 Unrecht gehabt und bin nicht wert, deine Frau zu sein.<< %S.268 Er aber sprach: >>Tr"oste dich, die b"osen Tage sind vor"uber, %S.268 jetzt wollen wir unsere Hochzeit feiern.<< Da %S.268 kamen die Kammerfrauen und taten ihr die pr"achtigsten %S.268 Kleider an, und ihr Vater kam und der ganze Hof und %S.268 w"unschten ihr Gl"uck zu ihrer Verm"ahlung mit dem %S.268 K"onig Drosselbart, und die rechte Freude fing jetzt erst %S.268 an. Ich wollte, du und ich, wir w"aren auch dabeigewesen. %S.268