% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1995", % volume = "1", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3191", % isbn = "3-15-003191-5", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1995" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von A. Katsumoto, am 14. Februar 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 28. M"arz 2001 % \maerchentitel{KHM 49: Die sechs Schw"ane} \markright{KHM 49: Die sechs Schw"ane} Es jagte einmal ein K"onig in einem gro"sen Wald und %S.251 jagte einem Wild so eifrig nach, da"s ihm niemand von %S.251 seinen Leuten folgen konnte. Als der Abend herankam, %S.251 hielt er still und blickte um sich, da sah er, da"s er sich %S.251 verirrt hatte. Er suchte einen Ausgang, konnte aber %S.251 keinen finden. Da sah er eine alte Frau mit wackelndem %S.251 Kopfe, die auf ihn zukam; das war aber eine Hexe. %S.251 >>Liebe Frau<<, sprach er zu ihr, >>k"onnt Ihr mir nicht den %S.251 Weg durch den Wald zeigen?<< >>O ja, Herr K"onig<<, %S.251 antwortete sie, >>das kann ich wohl, aber es ist eine %S.251 Bedingung dabei, wenn Ihr die nicht erf"ullt, so kommt %S.251 Ihr nimmermehr aus dem Wald und m"u"st darin Hungers %S.251 sterben.<< >>Was ist das f"ur eine Bedingung?<< fragte der %S.251 K"onig. >>Ich habe eine Tochter<<, sagte die Alte, >>die so %S.251 sch"on ist, wie Ihr eine auf der Welt finden k"onnt, und %S.251 wohl verdient, Eure Gemahlin zu werden, wollt Ihr die %S.251 zur Frau K"onigin machen, so zeige ich Euch den Weg %S.251 aus dem Walde.<< Der K"onig in der Angst seines Herzens %S.251 willigte ein, und die Alte f"uhrte ihn zu ihrem H"auschen, %S.251 wo ihre Tochter beim Feuer sa"s. Sie empfing den K"onig, %S.251 als wenn sie ihn erwartet h"atte, und er sah wohl, da"s sie %S.252 sehr sch"on war, aber sie gefiel ihm doch nicht, und er %S.252 konnte sie ohne heimliches Grausen nicht ansehen. %S.252 Nachdem er das M"adchen zu sich aufs Pferd gehoben %S.252 hatte, zeigte ihm die Alte den Weg, und der K"onig %S.252 gelangte wieder in sein k"onigliches Schlo"s, wo die Hochzeit %S.252 gefeiert wurde. %S.252 Der K"onig war schon einmal verheiratet gewesen und %S.252 hatte von seiner ersten Gemahlin sieben Kinder, sechs %S.252 Knaben und ein M"adchen, die er "uber alles auf der Welt %S.252 liebte. Weil er nun f"urchtete, die Stiefmutter m"ochte sie %S.252 nicht gut behandeln und ihnen gar ein Leid antun, so %S.252 brachte er sie in ein einsames Schlo"s, das mitten in einem %S.252 Walde stand. Es lag so verborgen und der Weg war so %S.252 schwer zu finden, da"s er ihn selbst nicht gefunden h"atte, %S.252 wenn ihm nicht eine weise Frau ein Kn"auel Garn von %S.252 wunderbarer Eigenschaft geschenkt h"atte; wenn er das %S.252 vor sich hinwarf, so wickelte es sich von selbst los und %S.252 zeigte ihm den Weg. Der K"onig ging aber so oft hinaus %S.252 zu seinen lieben Kindern, da"s der K"onigin seine Abwesenheit %S.252 auffiel; sie ward neugierig und wollte wissen, was %S.252 er drau"sen ganz allein in dem Walde zu schaffen habe. %S.252 Sie gab seinen Dienern viel Geld, und die verrieten ihr %S.252 das Geheimnis und sagten ihr auch von dem Kn"auel, das %S.252 allein den Weg zeigen k"onnte. Nun hatte sie keine Ruhe, %S.252 bis sie herausgebracht hatte, wo der K"onig das Kn"auel %S.252 aufbewahrte, und dann machte sie kleine wei"sseidene %S.252 Hemdchen, und da sie von ihrer Mutter die Hexenk"unste %S.252 gelernt hatte, so n"ahete sie einen Zauber hinein. Und als %S.252 der K"onig einmal auf die Jagd geritten war, nahm sie die %S.252 Hemdchen und ging in den Wald, und das Kn"auel zeigte %S.252 ihr den Weg. Die Kinder, die aus der Ferne jemand %S.252 kommen sahen, meinten, ihr lieber Vater k"ame zu ihnen, %S.252 und sprangen ihm voll Freude entgegen. Da warf sie "uber %S.252 ein jedes eins von den Hemdchen, und wie das ihren Leib %S.252 ber"uhrt hatte, verwandelten sie sich in Schw"ane und %S.252 flogen "uber den Wald hinweg. Die K"onigin ging ganz %S.253 vergn"ugt nach Haus und glaubte ihre Stiefkinder los zu %S.253 sein, aber das M"adchen war ihr mit den Br"udern nicht %S.253 entgegengelaufen, und sie wu"ste nichts von ihm. %S.253 Anderntags kam der K"onig und wollte seine Kinder %S.253 besuchen, er fand aber niemand als das M"adchen. >>Wo %S.253 sind deine Br"uder?<< fragte der K"onig. >>Ach, lieber %S.253 Vater<<, antwortete es, >>die sind fort und haben mich %S.253 allein zur"uckgelassen<<, und erz"ahlte ihm, da"s es aus %S.253 seinem Fensterlein mit angesehen habe, wie seine Br"uder %S.253 als Schw"ane "uber den Wald weggeflogen w"aren, und %S.253 zeigte ihm die Federn, die sie in dem Hof hatten fallen %S.253 lassen und die es aufgelesen hatte. Der K"onig trauerte, %S.253 aber er dachte nicht, da"s die K"onigin die b"ose Tat %S.253 vollbracht h"atte, und weil er f"urchtete, das M"adchen %S.253 w"urde ihm auch geraubt, so wollte er es mit fortnehmen. %S.253 Aber es hatte Angst vor der Stiefmutter und bat den %S.253 K"onig, da"s es nur noch diese Nacht im Waldschlo"s %S.253 bleiben d"urfte. %S.253 Das arme M"adchen dachte: >>Meines Bleibens ist nicht %S.253 l"anger hier, ich will gehen und meine Br"uder suchen.<< %S.253 Und als die Nacht kam, entfloh es und ging gerade in den %S.253 Wald hinein. Es ging die ganze Nacht durch und auch %S.253 den andern Tag in einem fort, bis es vor M"udigkeit nicht %S.253 weiter konnte. Da sah es eine Wildh"utte, stieg hinauf und %S.253 fand eine Stube mit sechs kleinen Betten, aber es getraute %S.253 nicht, sich in eins zu legen, sondern kroch unter eins, %S.253 legte sich auf den harten Boden und wollte die Nacht da %S.253 zubringen. Als aber die Sonne bald untergehen wollte, %S.253 h"orte es ein Rauschen und sah, da"s sechs Schw"ane zum %S.253 Fenster hereingeflogen kamen. Sie setzten sich auf den %S.253 Boden und bliesen einander an und bliesen sich alle %S.253 Federn ab, und ihre Schwanenhaut streifte sich ab wie ein %S.253 Hemd. Da sah sie das M"adchen an und erkannte ihre %S.253 Br"uder, freute sich und kroch unter dem Bett hervor. %S.253 Die Br"uder waren nicht weniger erfreut, als sie ihr %S.253 Schwesterchen erblickten, aber ihre Freude war von %S.254 kurzer Dauer. >>Hier kann deines Bleibens nicht sein<<, %S.254 sprachen sie zu ihm, >>das ist eine Herberge f"ur R"auber, %S.254 wenn die heimkommen und finden dich, so ermorden sie %S.254 dich.<< >>K"onnt ihr mich denn nicht besch"utzen?<< fragte %S.254 das Schwesterchen. >>Nein<<, antworteten sie, >>denn wir %S.254 k"onnen nur eine Viertelstunde lang jeden Abend unsere %S.254 Schwanenhaut ablegen und haben in dieser Zeit unsere %S.254 menschliche Gestalt, aber dann werden wir wieder in %S.254 Schw"ane verwandelt.<< Das Schwesterchen weinte und %S.254 sagte: >>K"onnt ihr denn nicht erl"ost werden?<< >>Ach %S.254 nein<<, antworteten sie, >>die Bedingungen sind zu %S.254 schwer. Du darfst sechs Jahre lang nicht sprechen und %S.254 nicht lachen und mu"st in der Zeit sechs Hemdchen f"ur %S.254 uns aus Sternenblumen zusammenn"ahen. Kommt ein %S.254 einziges Wort aus deinem Munde, so ist alle Arbeit %S.254 verloren.<< Und als die Br"uder das gesprochen hatten, %S.254 war die Viertelstunde herum, und sie flogen als Schw"ane %S.254 wieder zum Fenster hinaus. %S.254 Das M"adchen aber fa"ste den festen Entschlu"s, seine %S.254 Br"uder zu erl"osen, und wenn es auch sein Leben kostete. %S.254 Es verlie"s die Wildh"utte, ging mitten in den Wald und %S.254 setzte sich auf einen Baum und brachte da die Nacht zu. %S.254 Am andern Morgen ging es aus, sammelte Sternblumen %S.254 und fing an zu n"ahen. Reden konnte es mit niemand, und %S.254 zum Lachen hatte es keine Lust: es sa"s da und sah nur %S.254 auf seine Arbeit. Als es schon lange Zeit da zugebracht %S.254 hatte, geschah es, da"s der K"onig des Landes in dem Wald %S.254 jagte und seine J"ager zu dem Baum kamen, auf welchem %S.254 das M"adchen sa"s. Sie riefen es an und sagten: >>Wer bist %S.254 du?<< Es gab aber keine Antwort. >>Komm herab zu uns<<, %S.254 sagten sie, >>wir wollen dir nichts zuleid tun.<< Es sch"uttelte %S.254 blo"s mit dem Kopf. Als sie es weiter mit Fragen %S.254 bedr"angten, so warf es ihnen seine goldene Halskette %S.254 herab und dachte sie damit zufriedenzustellen. Sie lie"sen %S.254 aber nicht ab, da warf es ihnen seinen G"urtel herab, und %S.254 als auch dies nicht half, seine Strumpfb"ander, und nach %S.255 und nach alles, was es anhatte und entbehren konnte, so %S.255 da"s es nichts mehr als sein Hemdlein behielt. Die J"ager %S.255 lie"sen sich aber damit nicht abweisen, stiegen auf den %S.255 Baum, hoben das M"adchen herab und f"uhrten es vor den %S.255 K"onig. Der K"onig fragte: >>Wer bist du? Was machst du %S.255 auf dem Baum?<< Aber es antwortete nicht. Er fragte es in %S.255 allen Sprachen, die er wu"ste, aber es blieb stumm wie ein %S.255 Fisch. Weil es aber so sch"on war, so ward des K"onigs %S.255 Herz ger"uhrt, und er fa"ste eine gro"se Liebe zu ihm. Er %S.255 tat ihm seinen Mantel um, nahm es vor sich aufs Pferd %S.255 und brachte es in sein Schlo"s. Da lie"s er ihm reiche %S.255 Kleider antun, und es strahlte in seiner Sch"onheit wie der %S.255 helle Tag, aber es war kein Wort aus ihm herauszubringen. %S.255 Er setzte es bei Tisch an seine Seite, und seine %S.255 bescheidenen Mienen und seine Sittsamkeit gefielen ihm %S.255 so sehr, da"s er sprach: >>Diese begehre ich zu heiraten %S.255 und keine andere auf der Welt<<, und nach einigen Tagen %S.255 verm"ahlte er sich mit ihr. %S.255 Der K"onig aber hatte eine b"ose Mutter, die war unzufrieden %S.255 mit dieser Heirat und sprach schlecht von der jungen %S.255 K"onigin. >>Wer wei"s, wo die Dirne her ist<<, sagte sie, %S.255 >>die nicht reden kann; sie ist eines K"onig[s] nicht w"urdig.<< %S.255 "Uber ein Jahr, als die K"onigin das erste Kind zur %S.255 Welt brachte, nahm es ihr die Alte weg und bestrich ihr %S.255 im Schlafe den Mund mit Blut. Da ging sie zum K"onig %S.255 und klagte sie an, sie w"are eine Menschenfresserin. Der %S.255 K"onig wollte es nicht glauben und litt nicht, da"s man ihr %S.255 ein Leid antat. Sie sa"s aber best"andig und n"ahete an den %S.255 Hemden und achtete auf nichts anderes. Das n"achstemal, %S.255 als sie wieder einen sch"onen Knaben gebar, "ubte die %S.255 falsche Schwiegermutter denselben Betrug aus, aber der %S.255 K"onig konnte sich nicht entschlie"sen, ihren Reden Glauben %S.255 beizumessen. Er sprach: >>Sie ist zu fromm und gut, %S.255 als da"s sie so etwas tun k"onnte, w"are sie nicht stumm und %S.255 k"onnte sie sich verteidigen, so w"urde ihre Unschuld an %S.255 den Tag kommen.<< Als aber das drittemal die Alte das %S.256 neugeborne Kind raubte und die K"onigin anklagte, die %S.256 kein Wort zu ihrer Verteidigung vorbrachte, so konnte %S.256 der K"onig nicht anders, er mu"ste sie dem Gericht "ubergeben, %S.256 und das verurteilte sie, den Tod durchs Feuer zu %S.256 erleiden. %S.256 Als der Tag herankam, wo das Urteil sollte vollzogen %S.256 werden, da war zugleich der letzte Tag von den sechs %S.256 Jahren herum, in welchen sie nicht sprechen und nicht %S.256 lachen durfte, und sie hatte ihre lieben Br"uder aus der %S.256 Macht des Zaubers befreit. Die sechs Hemden waren %S.256 fertig geworden, nur da"s an dem letzten der linke "Armel %S.256 noch fehlte. Als sie nun zum Scheiterhaufen gef"uhrt %S.256 wurde, legte sie die Hemden auf ihren Arm, und als sie %S.256 oben stand und das Feuer eben sollte angez"undet werden, %S.256 so schaute sie sich um, da kamen sechs Schw"ane %S.256 durch die Luft dahergezogen. Da sah sie, da"s ihre Erl"osung %S.256 nahte, und ihr Herz regte sich in Freude. Die %S.256 Schw"ane rauschten zu ihr her und senkten sich herab, so %S.256 da"s sie ihnen die Hemden "uberwerfen konnte; und wie %S.256 sie davon ber"uhrt wurden, fielen die Schwanenh"aute ab, %S.256 und ihre Br"uder standen leibhaftig vor ihr und waren %S.256 frisch und sch"on; nur dem j"ungsten fehlte der linke Arm, %S.256 und er hatte daf"ur einen Schwanenfl"ugel am R"ucken. Sie %S.256 herzten und k"u"sten sich, und die K"onigin ging zu dem %S.256 K"onige, der ganz best"urzt war, und fing an zu reden und %S.256 sagte: >>Liebster Gemahl, nun darf ich sprechen und dir %S.256 offenbaren, da"s ich unschuldig bin und f"alschlich angeklagt<<, %S.256 und erz"ahlte ihm von dem Betrug der Alten, die %S.256 ihre drei Kinder weggenommen und verborgen h"atte. Da %S.256 wurden sie zu gro"ser Freude des K"onigs herbeigeholt, %S.256 und die b"ose Schwiegermutter wurde zur Strafe auf den %S.256 Scheiterhaufen gebunden und zu Asche verbrannt. Der %S.256 K"onig aber und die K"onigin mit ihren sechs Br"udern %S.256 lebten lange Jahre in Gl"uck und Frieden. %S.256