% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1995", % volume = "1", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3191", % isbn = "3-15-003191-5", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1995" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von A. Katsumoto, am 05. Februar 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 28. M"arz 2001 % \maerchentitel{KHM 45: Daumerlings Wanderschaft} \markright{KHM 45: Daumerlings Wanderschaft} Ein Schneider hatte einen Sohn, der war klein geraten %S.231 und nicht gr"o"ser als ein Daumen, darum hie"s er auch der %S.231 Daumerling. Er hatte aber Courage im Leibe und sagte %S.231 zu seinem Vater: >>Vater, ich soll und mu"s in die Welt %S.231 hinaus.<< >>Recht, mein Sohn<<, sprach der Alte, nahm %S.231 eine lange Stopfnadel und machte am Licht einen Knoten %S.231 von Siegellack daran, >>da hast du auch einen Degen mit %S.231 auf den Weg.<< Nun wollte das Schneiderlein noch einmal %S.231 mitessen und h"upfte in die K"uche, um zu sehen, was die %S.231 Frau Mutter zu guter Letzt gekocht h"atte. Es war aber %S.231 eben angerichtet, und die Sch"ussel stand auf dem Herd. %S.231 Da sprach es: >>Frau Mutter, was gibt's heute zu essen?<< %S.231 >>Sieh du selbst zu<<, sagte die Mutter. Da sprang Daumerling %S.231 auf den Herd und guckte in die Sch"ussel; weil er %S.231 aber den Hals zu weit hineinstreckte, fa"ste ihn der %S.231 Dampf von der Speise und trieb ihn zum Schornstein %S.231 hinaus. Eine Weile ritt er auf dem Dampf in der Luft %S.231 herum, bis er endlich wieder auf die Erde herabsank. %S.231 Nun war das Schneiderlein drau"sen in der weiten Welt, %S.231 zog umher, ging auch bei einem Meister in die Arbeit, %S.231 aber das Essen war ihm nicht gut genug. >>Frau Meisterin, %S.231 wenn Sie uns kein besser Essen gibt<<, sagte der %S.231 Daumerling, >>so gehe ich fort und schreibe morgen fr"uh %S.231 mit Kreide an Ihre Haust"ure: Kartoffel zu viel, Fleisch %S.231 zu wenig, Adies, Herr Kartoffelk"onig.<< >>Was willst du %S.231 wohl, Grash"upfer?<< sagte die Meisterin, ward b"os, %S.231 ergriff einen Lappen und wollte nach ihm schlagen; mein %S.231 Schneiderlein kroch behende unter den Fingerhut, %S.231 guckte unten hervor und streckte der Frau Meisterin die %S.231 Zunge heraus. Sie hob den Fingerhut auf und wollte ihn %S.231 packen, aber der kleine Daumerling h"upfte in die Lappen, %S.231 und wie die Meisterin die Lappen auseinanderwarf %S.231 und ihn suchte, machte er sich in den Tischritz. >>He, he, %S.232 Frau Meisterin<<, rief er und steckte den Kopf in die %S.232 H"ohe, und wenn sie zuschlagen wollte, sprang er in die %S.232 Schublade hinunter. Endlich aber erwischte sie ihn doch %S.232 und jagte ihn zum Haus hinaus. %S.232 Das Schneiderlein wanderte und kam in einen gro"sen %S.232 Wald; da begegnete ihm ein Haufen R"auber, die hatten %S.232 vor, des K"onigs Schatz zu bestehlen. Als sie das Schneiderlein %S.232 sahen, dachten sie: >>So ein kleiner Kerl kann %S.232 durch ein Schl"usselloch kriechen und uns als Dietrich %S.232 dienen.<< >>Heda<<, rief einer, >>du Riese Goliath, willst du %S.232 mit zur Schatzkammer gehen? Du kannst dich hineinschleichen %S.232 und das Geld herauswerfen.<< Der Daumerling %S.232 besann sich, endlich sagte er ja und ging mit zu der %S.232 Schatzkammer. Da besah er die T"ure oben und unten, ob %S.232 kein Ritz darin w"are. Nicht lange, so entdeckte er einen, %S.232 der breit genug war, um ihn einzulassen. Er wollte auch %S.232 gleich hindurch, aber eine von den beiden Schildwachen, %S.232 die vor der T"ur standen, bemerkte ihn und sprach zu der %S.232 andern: >>Was kriecht da f"ur eine h"a"sliche Spinne? Ich %S.232 will sie tottreten.<< >>La"s das arme Tier gehen<<, sagte die %S.232 andere, >>es hat dir ja nichts getan.<< Nun kam der Daumerling %S.232 durch den Ritz gl"ucklich in die Schatzkammer, %S.232 "offnete das Fe[n]ster, unter welchem die R"auber standen, %S.232 und warf ihnen einen Taler nach dem andern hinaus. Als %S.232 das Schneiderlein in der besten Arbeit war, h"orte es den %S.232 K"onig kommen, der seine Schatzkammer besehen %S.232 wollte, und verkroch sich eilig. Der K"onig merkte, da"s %S.232 viele harte Taler fehlten, konnte aber nicht begreifen, %S.232 wer sie sollte gestohlen haben, da Schl"osser und Riegel in %S.232 gutem Stand waren und alles wohl verwahrt schien. Da %S.232 ging er wieder fort und sprach zu den zwei Wachen: %S.232 >>Habt acht, es ist einer hinter dem Geld.<< Als der %S.232 Daumerling nun seine Arbeit von neuem anfing, h"orten %S.232 sie das Geld drinnen sich regen und klingen klipp, klapp, %S.232 klipp, klapp. Sie sprangen geschwind hinein und wollten %S.232 den Dieb greifen. Aber das Schneiderlein, das sie kommen %S.233 h"orte, war noch geschwinder, sprang in eine Ecke %S.233 und deckte einen Taler "uber sich, so da"s nichts von ihm %S.233 zu sehen war, dabei neckte es noch die Wachen und rief: %S.233 >>Hier bin ich.<< Die Wachen liefen dahin, wie sie aber %S.233 ankamen, war es schon in eine andere Ecke unter einen %S.233 Taler geh"upft und rief: >>He, hier bin ich.<< Die Wachen %S.233 sprangen eilends herbei, Daumerling war aber l"angst in %S.233 einer dritten Ecke und rief: >>He, hier bin ich.<< Und so %S.233 hatte es sie zu Narren und trieb sie so lange in der %S.233 Schatzkammer herum, bis sie m"ude waren und davongingen. %S.233 Nun warf es die Taler nach und nach alle hinaus; %S.233 den letzten schnellte es mit aller Macht, h"upfte dann %S.233 selber noch behendiglich darauf und flog mit ihm durchs %S.233 Fenster hinab. Die R"auber machten ihm gro"se Lobspr"uche: %S.233 >>Du bist ein gewaltiger Held<<, sagten sie, >>willst du %S.233 unser Hauptmann werden?<< Daumerling bedankte sich %S.233 aber und sagte, er wollte erst die Welt sehen. Sie teilten %S.233 nun die Beute, das Schneiderlein aber verlangte nur einen %S.233 Kreuzer, weil es nicht mehr tragen konnte. %S.233 Darauf schnallte es seinen Degen wieder um den Leib, %S.233 sagte den R"aubern guten Tag und nahm den Weg zwischen %S.233 die Beine. Es ging bei einigen Meistern in Arbeit, %S.233 aber sie wollte ihm nicht schmecken; endlich verdingte es %S.233 sich als Hausknecht in einem Gasthof. Die M"agde aber %S.233 konnten es nicht leiden, denn ohne da"s sie ihn sehen %S.233 konnten, sah er alles, was sie heimlich taten, und gab bei %S.233 der Herrschaft an, was sie sich von den Tellern genommen %S.233 und aus dem Keller f"ur sich weggeholt hatten. Da %S.233 sprachen sie: >>Wart, wir wollen dir's eintr"anken<<, und %S.233 verabredeten untereinander, ihm einen Schabernack %S.233 anzutun. Als die eine Magd bald hernach im Garten %S.233 m"ahte und den Daumerling da herumspringen und an %S.233 den Kr"autern auf und ab kriechen sah, m"ahte sie ihn mit %S.233 dem Gras schnell zusammen, band alles in ein gro"ses %S.233 Tuch und warf es heimlich den K"uhen vor. Nun war eine %S.233 gro"se schwarze darunter, die schluckte ihn mit hinab, %S.234 ohne ihm wehzutun. Unten gefiel's ihm aber schlecht, %S.234 denn es war da ganz finster und brannte auch kein Licht. %S.234 Als die Kuh gemelkt wurde, da rief er: %S.234 \begin{verse} >>Strip, strap, stroll, \\ %S.234 ist der Eimer bald voll?<< %S.234 \end{verse} Doch bei dem Ger"ausch des Melkens wurde er nicht %S.234 verstanden. Hernach trat der Hausherr in den Stall und %S.234 sprach: >>Morgen soll die Kuh da geschlachtet werden.<< %S.234 Da ward dem Daumerling angst, da"s er mit heller %S.234 Stimme rief: >>La"st mich erst heraus, ich sitze ja drin.<< %S.234 Der Herr h"orte das wohl, wu"ste aber nicht, wo die %S.234 Stimme herkam. >>Wo bist du?<< fragte er. >>In der %S.234 schwarzen<<, antwortete er, aber der Herr verstand nicht, %S.234 was das hei"sen sollte, und ging fort. %S.234 Am andern Morgen ward die Kuh geschlachtet. Gl"ucklicherweise %S.234 traf bei dem Zerhacken und Zerlegen den %S.234 Daumerling kein Hieb, aber er geriet unter das Wurstfleisch. %S.234 Wie nun der Metzger herbeitrat und seine Arbeit %S.234 anfing, schrie er aus Leibeskr"aften: >>Hackt nicht zu tief, %S.234 hackt nicht zu tief, ich stecke ja drunter.<< Vor dem %S.234 L"armen der Hackmesser h"orte das kein Mensch. Nun %S.234 hatte der arme Daumerling seine Not, aber die Not %S.234 macht Beine, und da sprang er so behend zwischen den %S.234 Hackmessern durch, da"s ihn keins anr"uhrte und er mit %S.234 heiler Haut davonkam. Aber entspringen konnte er auch %S.234 nicht: es war keine andere Auskunft, er mu"ste sich mit %S.234 den Speckbrocken in eine Blutwurst hinunterstopfen %S.234 lassen. Da war das Quartier etwas enge, und dazu ward %S.234 er noch in den Schornstein zum R"auchern aufgeh"angt, %S.234 wo ihm Zeit und Weile gewaltig lang wurde. Endlich im %S.234 Winter wurde er heruntergeholt, weil die Wurst einem %S.234 Gast sollte vorgesetzt werden. Als nun die Frau Wirtin %S.234 die Wurst in Scheiben schnitt, nahm er sich in acht, da"s %S.234 er den Kopf nicht zu weit vorstreckte, damit ihm nicht %S.234 etwa der Hals mit abgeschnitten w"urde; endlich ersah er %S.235 seinen Vorteil, machte sich Luft und sprang heraus. %S.235 In dem Hause aber, wo es ihm so "ubel ergangen war, %S.235 wollte das Schneiderlein nicht l"anger mehr bleiben, sondern %S.235 begab sich gleich wieder auf die Wanderung. Doch %S.235 seine Freiheit dauerte nicht lange. Auf dem offenen Feld %S.235 kam es einem Fuchs in den Weg, der schnappte es in %S.235 Gedanken auf. >>Ei, Herr Fuchs<<, rief's Schneiderlein, %S.235 >>ich bin's ja, der in Eurem Hals steckt, la"st mich wieder %S.235 frei.<< >>Du hast recht<<, antwortete der Fuchs, >>an dir %S.235 habe ich doch soviel als nichts; versprichst du mir die %S.235 H"uhner in deines Vaters Hof, so will ich dich loslassen.<< %S.235 >>Von Herzen gern<<, antwortete der Daumerling, >>die %S.235 H"uhner sollst du alle haben, das gelobe ich dir.<< Da lie"s %S.235 ihn der Fuchs wieder los und trug ihn selber heim. Als %S.235 der Vater sein liebes S"ohnlein wieder sah, gab er dem %S.235 Fuchs gerne alle die H"uhner, die er hatte. >>Daf"ur bring %S.235 ich dir auch ein sch"on St"uck Geld mit<<, sprach der %S.235 Daumerling und reichte ihm den Kreuzer, den er auf %S.235 seiner Wanderschaft erworben hatte. %S.235 >>Warum hat aber der Fuchs die armen Pieph"uhner zu %S.235 fressen kriegt?<< >>Ei, du Narr, deinem Vater wird ja wohl %S.235 sein Kind lieber sein als die H"uhner auf dem Hof.<< %S.235