% @book{bg_hr_khm_1857, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % editor = "Heinz R{\"{o}}lleke", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen", % publisher = "Philipp Reclam jun. GmbH {\&} Co.", % address = "Stuttgart, Germany", % year = "1995", % volume = "1", % series = "Universal-Bibliothek Nr. 3191", % isbn = "3-15-003191-5", % language = "German", % colophon = "BR{\"{U}}DER GRIMM % Kinder- und Hausm{\"{a}}rchen % AUSGABE LETZTER HAND % MIT DEN ORIGINALANMERKUNGEN % DER BR{\"{U}}DER GRIMM % MIT EINEM ANHANG % S{\"{A}}MTLICHER, NICHT IN ALLEN AUFLAGEN % VER{\"{O}}FFENTLICHTER M{\"{A}}RCHEN % UND HERKUNFTSNACHWEISEN HERAUSGEGEBEN % VON HEINZ R{\"{O}}LLEKE % PHILIPP RECLAM JUN. STUTTGART, 1980/1995" } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von K. OKAMOTO, am 27. Januar 2001 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 28. M"arz 2001 % % nolig_ck version (input e.g. Auf"|lage and Dru"cker % instead of Auflage and Drucker) % \maerchentitel{KHM 16: Die drei Schlangenbl"atter} \markright{KHM 16: Die drei Schlangenbl"atter} Es war einmal ein armer Mann, der konnte seinen einzigen %S.108 Sohn nicht mehr ern"ahren. Da sprach der Sohn: %S.108 >>Lieber Vater, es geht Euch so k"ummerlich, ich falle %S.108 Euch zur Last, lieber will ich selbst fortgehen und sehen, %S.108 wie ich mein Brot verdiene.<< Da gab ihm der Vater %S.108 seinen Segen und nahm mit gro"ser Trauer von ihm %S.108 Abschied. Zu dieser Zeit f"uhrte der K"onig eines m"achtigen %S.108 Reichs Krieg, der J"ungling nahm Dienste bei ihm %S.108 und zog mit ins Feld. Und als er vor den Feind kam, so %S.108 ward eine Schlacht geliefert, und es war gro"se Gefahr %S.108 und regnete blaue Bohnen, da"s seine Kameraden von %S.108 allen Seiten niederfielen. Und als auch der Anf"uhrer %S.108 blieb, so wollten die "ubrigen die Flucht ergreifen, aber %S.108 der J"ungling trat heraus, sprach ihnen Mut zu und rief: %S.108 >>Wir wollen unser Vaterland nicht zugrunde gehen lassen.<< %S.108 Da folgten ihm die andern, und er drang ein und %S.108 schlug den Feind. Der K"onig, als er h"orte, da"s er ihm %S.109 allein den Sieg zu danken habe, erhob ihn "uber alle %S.109 andern, gab ihm gro"se Sch"atze und machte ihn zum %S.109 Ersten in seinem Reich. %S.109 Der K"onig hatte eine Tochter, die war sehr sch"on, aber %S.109 sie war auch sehr wunderlich. Sie hatte das Gel"ubde %S.109 getan, keinen zum Herrn und Gemahl zu nehmen, der %S.109 nicht verspr"ache, wenn sie zuerst st"urbe, sich lebendig %S.109 mit ihr begraben zu lassen. >>Hat er mich von Herzen %S.109 lieb<<, sagte sie, >>wozu dient ihm dann noch das Leben?<< %S.109 Dagegen wollte sie ein Gleiches tun und, wenn er zuerst %S.109 st"urbe, mit ihm in das Grab steigen. Dieses seltsame %S.109 Gel"ubde hatte bis jetzt alle Freier abgeschreckt, aber der %S.109 J"ungling wurde von ihrer Sch"onheit so eingenommen, %S.109 da"s er auf nichts achtete, sondern bei ihrem Vater um sie %S.109 anhielt. >>Wei"st du auch<<, sprach der K"onig, >>was du %S.109 versprechen mu"st?<< >>Ich mu"s mit ihr in das Grab %S.109 gehen<<, antwortete er, >>wenn ich sie "uberlebe, aber %S.109 meine Liebe ist so gro"s, da"s ich der Gefahr nicht achte.<< %S.109 Da willigte der K"onig ein, und die Hochzeit ward mit %S.109 gro"ser Pracht gefeiert. %S.109 Nun lebten sie eine Zeitlang gl"ucklich und vergn"ugt %S.109 miteinander, da geschah es, da"s die junge K"onigin in eine %S.109 schwere Krankheit fiel und kein Arzt ihr helfen konnte. %S.109 Und als sie tot dalag, da erinnerte sich der junge K"onig, %S.109 was er hatte versprechen m"ussen, und es grauste ihm %S.109 davor, sich lebendig in das Grab zu legen, aber es war %S.109 kein Ausweg: der K"onig hatte alle Tore mit Wachen %S.109 besetzen lassen, und es war nicht m"oglich, dem Schicksal %S.109 zu entgehen. Als der Tag kam, wo die Leiche in das %S.109 k"onigliche Gew"olbe beigesetzt wurde, da ward er mit %S.109 hinabgef"uhrt und dann das Tor verriegelt und verschlossen. %S.109 Neben dem Sarg stand ein Tisch, darauf vier Lichter, vier %S.109 Laibe Brot und vier Flaschen Wein. Sobald dieser Vorrat %S.109 zu Ende ging, mu"ste er verschmachten. Nun sa"s er da %S.109 voll Schmerz und Trauer, a"s jeden Tag nur ein Bi"slein %S.110 Brot, trank nur einen Schluck Wein und sah doch, wie %S.110 der Tod immer n"aher r"uckte. Indem er so vor sich %S.110 hinstarrte, sah er aus der E"cke des Gew"olbes eine %S.110 Schlange hervorkriechen, die sich der Leiche n"aherte. %S.110 Und weil er dachte, sie k"ame, um daran zu nagen, zog er %S.110 sein Schwert und sprach: >>Solange ich lebe, sollst du sie %S.110 nicht anr"uhren<<, und hieb sie in drei St"u"cke. "Uber ein %S.110 Weilchen kroch eine zweite Schlange aus der E"cke hervor, %S.110 als sie aber die andere tot und zerst"uckt liegen sah, %S.110 ging sie zur"uck, kam bald wieder und hatte drei gr"une %S.110 Bl"atter im Munde. Dann nahm sie die drei St"u"cke von %S.110 der Schlange, legte sie, wie sie zusammengeh"orten, und %S.110 tat auf jede Wunde eins von den Bl"attern. Alsbald f"ugte %S.110 sich das Getrennte aneinander, die Schlange regte sich %S.110 und ward wieder lebendig, und beide eilten miteinander %S.110 fort. Die Bl"atter blieben auf der Erde liegen, und dem %S.110 Ungl"ucklichen, der alles mit angesehen hatte, kam es in %S.110 die Gedanken, ob nicht die wunderbare Kraft der Bl"atter, %S.110 welche die Schlange wieder lebendig gemacht hatte, %S.110 auch einem Menschen helfen k"onnte. Er hob also die %S.110 Bl"atter auf und legte eins davon auf den Mund der Toten, %S.110 die beiden andern auf ihre Augen. Und kaum war es %S.110 geschehen, so bewegte sich das Blut in den Adern, stieg %S.110 in das bleiche Angesicht und r"otete es wieder. Da zog sie %S.110 Atem, schlug die Augen auf und sprach: >>Ach, Gott, wo %S.110 bin ich?<< >>Du bist bei mir, liebe Frau<<, antwortete er %S.110 und erz"ahlte ihr, wie alles gekommen war und er sie %S.110 wieder ins Leben erweckt hatte. Dann reichte er ihr %S.110 etwas Wein und Brot, und als sie wieder zu Kr"aften %S.110 gekommen war, erhob sie sich, und sie gingen zu der %S.110 T"ure und klopften und riefen so laut, da"s es die Wachen %S.110 h"orten und dem K"onig meldeten. Der K"onig kam selbst %S.110 herab und "offnete die T"ure, da fand er beide frisch und %S.110 gesund und freute sich mit ihnen, da"s nun alle Not %S.110 "uberstanden war. Die drei Schlangenbl"atter aber nahm %S.110 der junge K"onig mit, gab sie einem Diener und sprach: %S.111 >>Verwahr sie mir sorgf"altig und trag sie zu jeder Zeit bei %S.111 dir, wer wei"s, in welcher Not sie uns noch helfen %S.111 k"onnen.<< %S.111 Es war aber in der Frau, nachdem sie wieder ins Leben %S.111 war erweckt worden, eine Ver"anderung vorgegangen: es %S.111 war, als ob alle Liebe zu ihrem Manne aus ihrem Herzen %S.111 gewichen w"are. Als er nach einiger Zeit eine Fahrt zu %S.111 seinem alten Vater "uber das Meer machen wollte und sie %S.111 auf ein Schiff gestiegen waren, so verga"s sie die gro"se %S.111 Liebe und Treue, die er ihr bewiesen und womit er sie %S.111 vom Tode gerettet hatte, und fa"ste eine b"ose Neigung zu %S.111 dem Schiffer. Und als der junge K"onig einmal dalag und %S.111 schlief, rief sie den Schiffer herbei und fa"ste den Schlafenden %S.111 am Kopfe, und der Schiffer mu"ste ihn an den %S.111 F"u"sen fassen, und so warfen sie ihn hinab ins Meer. Als %S.111 die Schandtat vollbracht war, sprach sie zu ihm: >>Nun %S.111 la"s uns heimkehren und sagen, er sei unterwegs gestorben. %S.111 Ich will dich schon bei meinem Vater so herausstreichen %S.111 und r"uhmen, da"s er mich mit dir verm"ahlt und dich %S.111 zum Erben seiner Krone einsetzt.<< Aber der treue Diener, %S.111 der alles mit angesehen hatte, machte unbemerkt ein %S.111 kleines Schiff"|lein von dem gro"sen los, setzte sich hinein, %S.111 schiffte seinem Herrn nach und lie"s die Verr"ater fortfahren. %S.111 Er fischte den Toten wieder auf, und mit Hilfe der %S.111 drei Schlangenbl"atter, die er bei sich trug und auf die %S.111 Augen und den Mund legte, brachte er ihn gl"ucklich %S.111 wieder ins Leben. %S.111 Sie ruderten beide aus allen Kr"aften Tag und Nacht, und %S.111 ihr kleines Schiff flog so schnell dahin, da"s sie fr"uher als %S.111 das andere bei dem alten K"onige anlangten. Er verwunderte %S.111 sich, als er sie allein kommen sah, und fragte, was %S.111 ihnen begegnet w"are. Als er die Bosheit seiner Tochter %S.111 vernahm, sprach er: >>Ich kann's nicht glauben, da"s sie so %S.111 schlecht gehandelt hat, aber die Wahrheit wird bald an %S.111 den Tag kommen<<, und hie"s beide in eine verborgene %S.111 Kammer gehen und sich vor jedermann heimlich halten. %S.112 Bald hernach kam das gro"se Schiff herangefahren, und %S.112 die gottlose Frau erschien vor ihrem Vater mit einer %S.112 betr"ubten Miene. Er sprach: >>Warum kehrst du allein %S.112 zur"uck? Wo ist dein Mann?<< >>Ach, lieber Vater<<, antwortete %S.112 sie, >>ich komme in gro"ser Trauer wieder heim, %S.112 mein Mann ist w"ahrend der Fahrt pl"otzlich erkrankt und %S.112 gestorben, und wenn der gute Schiffer mir nicht Beistand %S.112 geleistet h"atte, so w"are es mir schlimm ergangen; er ist %S.112 bei seinem Tode zugegen gewesen und kann Euch alles %S.112 erz"ahlen.<< Der K"onig sprach: >>Ich will den Toten wieder %S.112 lebendig machen<<, und "offnete die Kammer und hie"s die %S.112 beiden herausgehen. Die Frau, als sie ihren Mann %S.112 erblickte, war wie vom Donner ger"uhrt, sank auf die %S.112 Knie und bat um Gnade. Der K"onig sprach: >>Da ist %S.112 keine Gnade, er war bereit, mit dir zu sterben, und hat %S.112 dir dein Leben wiedergegeben, du aber hast ihn im Schlaf %S.112 umgebracht und sollst deinen verdienten Lohn empfangen.<< %S.112 Da ward sie mit ihrem Helfershelfer in ein durchl"ochertes %S.112 Schiff gesetzt und hinaus ins Meer getrieben, %S.112 wo sie bald in den Wellen versanken. %S.112